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Juristische Blätter

Heft 8, August 2016, Band 138

Aufhebung der Bundespräsidentenstichwahl vom 22.05.2016

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Aufhebung des zweiten Wahlganges der Bundespräsidentenwahl vom 22.05.2016 ab der Kundmachung der Bundeswahlbehörde vom 02.05.2016 wegen Verstoßes gegen § 14a Bundespräsidentenwahlgesetz 1971 (BPräsWG) und gegen den Grundsatz der geheimen Wahl infolge rechtswidriger Auswertung der mittels Briefwahl abgegebenen Stimmen in den Stimmbezirken Innsbruck-Land‚ Südoststeiermark‚ Villach‚ Villach-Land‚ Schwaz‚ Wien-Umgebung‚ Hermagor‚ Wolfsberg‚ Freistadt‚ Bregenz‚ Kufstein‚ Graz-Umgebung‚ Leibnitz und Reutte sowie wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Freiheit der Wahl durch die Veröffentlichung von Vorabinformationen.

Im Hinblick auf den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bestehen keine Bedenken gegen die einwöchige Anfechtungsfrist in § 21 Abs 2 S 1 BPräsWG.

Keine Bedenken gegen das verfassungsgesetzlich vorgesehene System der Briefwahl ob seiner Vereinbarkeit mit den Grundprinzipien der Verfassung: Die – im Vergleich zur konventionellen Stimmabgabe vor der Wahlbehörde – geringere Kontrolle der Sicherstellung eines geheimen und persönlichen Wahlvorganges ist dem System der Briefwahl (als Distanzwahl) immanent.

Keine Bedenken gegen §§ 5a‚ 10‚ 10a und 14a BPräsWG:

Wahlrechtsbestimmungen (wie insbesondere § 14a BPräsWG) sind als Formalvorschriften strikt nach ihrem Wortlaut auszulegen. Es besteht weder ein verfassungsrechtliches Gebot zu einer Differenzierung bei der Ausstellung von Wahlkarten je nachdem‚ ob diese zur Stimmabgabe mittels Briefwahl oder vor einer anderen Behörde verwendet werden soll noch zur Möglichkeit der Entziehung von beantragten und bereits ausgestellten Wahlkarten bei Wegfall bzw Bekanntwerden des Nichtvorliegens des angegebenen Verhinderungsgrundes.

Die bei der Stimmabgabe mittels Wahlkarte in einem anderen Wahllokal vorgesehene Identitätskontrolle durch die Wahlbehörde ist ausreichend (zudem eidesstattliche Erklärung der persönlichen und geheimen Stimmabgabe‚ strafrechtlicher Schutz der verfassungsgesetzlichen Wahlgrundsätze‚ verfassungs- und strafgesetzlicher Schutz des Briefgeheimnisses).

Das in § 5a Abs 8 BPräsWG vorgesehene System der Ausfolgung bzw Übermittlung der Wahlkarten ist sachlich gerechtfertigt und steht mit den Grundsätzen des persönlichen und freien Wahlrechtes im Einklang.

Keine Bedenken im Hinblick auf die Stimmabgabe mittels Briefwahl durch besachwaltete Personen: Das Wahlrecht schließt als höchstpersönliches Recht jedenfalls die Wahl durch Stellvertreter aus. Die Beantragung der Wahlkarte sowie Abgabe der eidesstattlichen Erklärung bilden untrennbare Teile des gesamten Wahlvorganges und sind daher ebenfalls zwingend durch den Wahlberechtigten selbst vorzunehmen.

Die Beschlussfähigkeit der Wahlbehörde setzt eine ordnungsgemäße Einberufung (Information der Beisitzer und Ersatzbeisitzer über den Ort‚ die Zeit und den Gegenstand der vorzunehmenden Amtshandlung) voraus; keine Möglichkeit zur generellen Ermächtigung des Wahlleiters zur Durchführung unaufschiebbarer Amtshandlungen im Vorhinein für jene Amtshandlungen‚ die unmittelbar der Sicherung der Wahlgrundsätze dienen (jedoch keine Bedenken gegen eine „Vorsortierung“ der Wahlkarten‚ soweit der Bezirkswahlbehörde als Kollegium die Überprüfung der Wahlkarten anhand der bei der Erfassung der Wahlkarten aufgenommenen Daten möglich ist).

Es ist ausreichend‚ dass die erwiesene Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens auf das Wahlergebnis von Einfluss sein konnte; dies ist bereits dann zu bejahen‚ wenn eine Vorschrift der Wahlordnung verletzt wurde‚ die die Möglichkeit von Manipulationen und Missbräuchen im Wahlverfahren ausschließen will (zB § 14a BPräsWG‚ § 18 Abs 1 NRWO); der Nachweis einer konkreten Manipulation ist nicht erforderlich.

Art 3 1. ZPEMRK ist auf die Bundespräsidentenwahl nicht anwendbar.

Die Übermittlung von (Teil-)Ergebnissen der Wahl vor Wahlschluss an ausgewählte Empfänger durch die Bundeswahlbehörde verstößt gegen den Grundsatz der Freiheit der Wahl.

Eine Einschränkung der Aufhebung auf jene Wähler‚ deren Wahlkarten mittels Briefwahl bei der Bezirkswahlbehörde eingelangt sind‚ kommt nicht in Betracht (kein von vornherein festgelegter und abgegrenzter Wählerkreis – Gefahr der „Doppelwahl“).

  • Öffentliches Recht
  • § 18 Abs 1 NRWO
  • § 14a BPräsWG
  • Straf- und Strafprozessrecht
  • JBL 2016, 509
  • § 10a BPräsWG
  • Europa- und Völkerrecht
  • Art 60 Abs 1 B-VG
  • Art 26 Abs 6 B-VG
  • § 5a BPräsWG
  • Allgemeines Privatrecht
  • Art 3 1. ZPEMRK
  • Art 141 Abs 1 lit a B-VG
  • § 21 Abs 2 BPräsWG
  • Zivilverfahrensrecht
  • § 10 BPräsWG
  • VfGH, 01.07.2016, W I 6/2016
  • Arbeitsrecht

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