Beischaffung von Urkunden, die sich bei einer öffentlichen Behörde befinden, und Vorlageauftrag gegenüber Dritten im Verfahren über das Erbrecht
- Originalsprache: Deutsch
- JBLBand 145
- Rechtsprechung, 2461 Wörter
- Seiten 122 -124
- https://doi.org/10.33196/jbl202302012201
30,00 €
inkl MwSt
Im Verfahren über das Erbrecht hat das Abhandlungsgericht im Rahmen des Vorbringens der Parteien und ihrer Beweisanbote zu entscheiden, sodass das aus dem Untersuchungsgrundsatz abgeleitete Beweisaufnahmeermessen des § 31 Abs 2 AußStrG nicht (uneingeschränkt) gilt. Dennoch hat das Erstgericht – wie im insoweit vergleichbaren Zivilprozess – auch die Möglichkeit, von Amts wegen von den Parteien als relevant erachtete Urkunden in den Grenzen der §§ 301, 308 ZPO beizuschaffen.
Behörden dürfen nach § 301 ZPO lediglich um Übermittlung einer Urkunde an das Gericht ersucht werden, wenn die Partei die unmittelbare Ausfolgung nicht erreicht und dies in ihrem Antrag behauptet und bescheinigt. Ein Leistungsbefehl darf nicht erlassen werden.
Voraussetzung für die Erlassung eines Vorlageauftrags nach § 308 ZPO ist, dass das Bestehen einer materiellen Vorlagepflicht oder das Vorliegen einer gemeinschaftlichen Urkunde sowie die Gewahrsame des Gegners an der Urkunde bescheinigt sind.
Zwar sind Entscheidungen über Beweisanträge grundsätzlich als verfahrensleitend anzusehen. Allerdings sind gemäß § 35 AußStrG die §§ 301, 308, 319 ZPO und die darin enthaltenen Sondervorschriften, auch über die Anfechtbarkeit von Beschlüssen im Zusammenhang mit dem Urkundenbeweis, anwendbar. Beschlüsse, mit denen Dritte zur Urkundenvorlage verpflichtet werden, sind § 308 ZPO zu unterstellen und daher jedenfalls selbstständig anfechtbar.
Hat das Rekursgericht einen Rekurs als unzulässig zurückgewiesen, ist es dem OGH verwehrt, anlässlich der Entscheidung über diesen – seiner Ansicht nach verfehlten – Zurückweisungsbeschluss gleich in der Sache selbst zu erkennen. Dies gilt auch im Außerstreitverfahren. Nimmt das Gericht jedoch eine Sachprüfung vor, obgleich es zunächst seine Entscheidungsbefugnis verneint, so ist ein solcher Beschluss als Sachentscheidung anzusehen; der formale Teil ist dann unbeachtlich. Der OGH ist in einem solchen Fall befugt, den Revisionsrekurs in der Sache zu prüfen.
- LG Ried im Innkreis, 06.07.2022, 18 R 14/22x
- JBL 2023, 122
- § 45 AußStrG
- Öffentliches Recht
- Straf- und Strafprozessrecht
- Europa- und Völkerrecht
- Allgemeines Privatrecht
- § 31 Abs 2 AußStrG
- OGH, 25.10.2022, 2 Ob 157/22k
- § 308 ZPO
- BG Schärding, 10.02.2022, 1 A 55/19b
- Zivilverfahrensrecht
- § 301 ZPO
- § 304 ZPO
- Arbeitsrecht
- § 35 AußStrG
Weitere Artikel aus diesem Heft