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Zeitschrift für Informationsrecht

Heft 3, September 2020, Band 8

Thiele, Clemens

BGH: Zulässigkeit (automatisierter) Inkassodienstleistungen (Legal Tech)

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Der Begriff der Rechtsdienstleistung in Gestalt der Inkassodienstleistung (Forderungseinziehung) gemäß § 2 Abs 2 Satz 1 RDG, die ein im Rechtsdienstleistungsregister eingetragener Inkassodienstleister nach § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 1 RDG erbringen darf, ist unter Berücksichtigung der vom Gesetzgeber mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz – in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – verfolgten Zielsetzung einer grundlegenden, an den Gesichtspunkten der Deregulierung und Liberalisierung ausgerichteten, die Entwicklung neuer Berufsbilder erlaubenden Neugestaltung des Rechts der außergerichtlichen Rechtsdienstleistungen nicht in einem zu engen Sinne zu verstehen. Vielmehr ist – innerhalb des mit diesem Gesetz verfolgten Schutzzwecks, die Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen (§ 1 Abs 1 Satz 2 RDG).

Für die auf dieser Grundlage vorzunehmende Beurteilung, ob sich die Tätigkeit eines registrierten Inkassodienstleisters innerhalb seiner Inkassodienstleistungsbefugnis gemäß § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 1 RDG hält, lassen sich keine allgemein gültigen Maßstäbe aufstellen. Erforderlich ist vielmehr stets eine am Schutzzweck des Rechtsdienstleistungsgesetzes orientierte Würdigung der Umstände des Einzelfalls einschließlich einer Auslegung der hinsichtlich der Forderungseinziehung getroffenen Vereinbarungen. Dabei sind die Wertentscheidungen des Grundgesetzes in Gestalt der Grundrechte der Beteiligten sowie der Grundsatz des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen und ist den Veränderungen der Lebenswirklichkeit Rechnung zu tragen.

Überschreitet hiernach ein registrierter Inkassodienstleister seine Inkassodienstleistungsbefugnis nach § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 1 RDG, kann darin ein Verstoß gegen § 3 RDG liegen. Ein solcher Verstoß hat, wenn die Überschreitung bei einer umfassenden Würdigung der Gesamtumstände aus der objektivierten Sicht eines verständigen Auftraggebers des Inkassodienstleisters zum einen eindeutig vorliegt und zum anderen unter Berücksichtigung der Zielsetzung des Rechtsdienstleistungsgesetzes in ihrem Ausmaß als nicht nur geringfügig anzusehen ist, die Nichtigkeit nach § 134 BGB der zwischen dem Inkassodienstleister und dessen Auftraggeber getroffenen Inkassovereinbarung einschließlich einer in diesem Zusammenhang erfolgten Forderungsabtretung zur Folge.

Von einer Nichtigkeit nach § 134 BGB ist danach insbesondere dann regelmäßig auszugehen, wenn der registrierte Inkassodienstleister Tätigkeiten vornimmt, die von vornherein nicht auf eine Forderungseinziehung im Sinne des § 2 Abs 2 Satz 1 RDG, sondern etwa auf die Abwehr von Ansprüchen gerichtet sind oder eine über den erforderlichen Zusammenhang mit der Forderungseinziehung hinausgehende Rechtsberatung zum Gegenstand haben oder wenn das „Geschäftsmodell“ des Inkassodienstleisters zu einer Kollision mit den Interessen seines Auftraggebers führt.

Nach diesen Maßstäben ist es von der Inkassodienstleistungsbefugnis eines nach § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 1 RDG registrierten Inkassodienstleisters (noch) gedeckt, wenn dieser auf seiner Internetseite einen „Mietpreisrechner“ zur – zunächst unentgeltlichen – Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete zur Verfügung stellt und im Anschluss hieran dem Mieter die Möglichkeit gibt, ihn durch Anklicken eines Buttons mit der außergerichtlichen Durchsetzung von – näher bezeichneten – Forderungen und etwaigen Feststellungsbegehren gegen den Vermieter im Zusammenhang mit der „Mietpreisbremse“ – unter Vereinbarung eines Erfolgshonorars in Höhe eines Drittels der jährlichen Mietersparnis (vier Monate) sowie einer Freihaltung des Mieters von sämtlichen Kosten – zu beauftragen und in diesem Zusammenhang die genannten Ansprüche zum Zweck der Durchsetzung treuhänderisch an den Inkassodienstleister abzutreten, der im Falle einer Erfolglosigkeit der eigenen außergerichtlichen Rechtsdienstleistungstätigkeit einen Vertragsanwalt mit der anwaltlichen und gegebenenfalls auch gerichtlichen Durchsetzung der Ansprüche beauftragen kann, zum Abschluss eines Vergleichs jedoch grundsätzlich nur mit Zustimmung des Mieters befugt ist.

Da damit (auch) die in diesem Rahmen erfolgte treuhänderische Abtretung der genannten im Zusammenhang mit der „Mietpreisbremse“ stehenden Forderungen des Mieters (noch) nicht gegen ein gesetzliches Verbot (§ 3 RDG) verstößt und demzufolge nicht gemäß § 134 BGB nichtig ist, ist der Inkassodienstleister im gerichtlichen Verfahren aktivlegitimiert, diese Ansprüche im Wege der Klage gegen den Vermieter geltend zu machen.

Amtliche Leitsätze

  • Thiele, Clemens
  • mietpreisbremse.de
  • Betrieb eines „Mietpreisrechners“ im Internet
  • § 134 BGB
  • § 556d Abs 2 BGB
  • § 3 RDG
  • BGH, 29.11.2019, VIII ZR 285/18, Mietpreisbremse
  • ZIIR 2020, 331
  • § 398 BGB
  • Verstoß gegen Rechtsdienstleistungsgesetz
  • Rechtsanwaltsvorbehalt, keiner
  • Legal Tech Dienstleistung
  • § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 1 RDG
  • 556g Abs 1 Satz 3 BGB
  • § 1 Abs 1 Satz 2 RDG
  • Medienrecht
  • Online-Portal
  • § 556d Abs 1 BGB

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