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Zeitschrift für öffentliches Recht

Heft 1, März 2013, Band 68

Peters, Anne

Das Gründungsdokument internationaler Organisationen als VerfassungsvertragThe Founding Document of International Organizations as a Constitutional Treaty

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Die Gründungsdokumente internationaler Organisationen haben eine Doppelnatur: Sie sind Vertrag und Verfassung zugleich. Sie weisen in der Regel sowohl kontraktuelle als auch konstitutionelle Bestandteile auf, haben also zwei Facetten, von denen im konkreten Fall die eine oder die andere im Vordergrund stehen kann.

Hierbei ist „Vertrag“ eine Chiffre für ein „horizontales“ Rechtsinstrument mit strikter Inter partes-Wirkung, in Abhängigkeit vom Willen der Erzeuger, die sich hiermit lediglich (temporär begrenzt) selbst binden. Demgegenüber ist „Verfassung“ eine Chiffre für einen „vertikalen“ Rechtsakt mit Erga omnes-Wirkung, der sich ein Stück weit autonom von den Erzeugern entwickeln kann. Die vertraglichen Elemente des Gründungsdokuments bewirken, dass das Konsensprinzip maßgeblich bleibt und dass die Organisation zu einem gewissen Grad von den Mitgliedern abhängt. Die verfassungsartigen Elemente sorgen demgegenüber für einen relativen Selbststand, für Dynamik, Flexibilität und Evolutionsoffenheit der Organisation. Die Verfassungs-Facette erfordert es, bei der Auslegung und Änderung des Gründungsdokuments und für die Beurteilung von Vorbehalten zu ihm graduell von den Regeln des allgemeinen Völkervertragsrechts abzuweichen.

Eine besondere Erklärungskraft hat das Verfassungsparadigma für die Analyse der informellen Änderungen von Gründungsdokumenten durch die Praxis der Mitgliedstaaten oder der Organe. Fasst man nämlich Gründungsdokumente als Verfassung auf, sind modifikative Praktiken jenseits der formellen Revisionsklauseln nur als Revolution verstehbar. Informelle Änderungen sind so gesehen in legitimatorischer Hinsicht problematisch, zumal sie zentrale Verfassungsprinzipien der Organisation selbst unterminieren.

Zwar können konkrete Probleme der Auslegung oder der Änderung des Gründungsdokuments nicht durch eine begriffsjuristische Etikettierung des Dokuments als Vertrag oder als Verfassung „gelöst“ werden. Die zutreffende Gewichtung der jeweils konkreten Bedeutung der genannten Facetten kann jedoch einen Beitrag zur systemkonformen und interessengerechten Handhabung der Gründungsdokumente internationaler Organisationen leisten.

  • Peters, Anne
  • Vertragsauslegung
  • Art 19, 20, 31-33, 39, 40, 41, 46 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WVK)
  • Art 3 Abs 2 DSU WTO
  • Art 48 EUV
  • Öffentliches Recht
  • Vertragsänderung
  • Art 103 UN-Charta
  • Revision
  • Art XI Abs 3 WTO
  • Verfassungsvertrag
  • Vertragsanpassung
  • Art 2 Abs 6 UN-Charta
  • Internationale Organisation
  • Vorbehalt
  • Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WVK)
  • Formstrenge
  • Revolution
  • Gründungsdokument
  • ZOER 2013, 1