Gebrauchsanweisung für den Ausbau erneuerbarer Energie

Im Interview: Benedikt Ennser, Marta Hodasz und Martin Seidl

November 2022

Mit dem neuen Kommentar zum Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) gibt es erstmals eine praktische juristische Hilfestellung bei der Realisierung der Energiewende. Die Autor*innen Benedikt Ennser, Marta Hodasz und Martin Seidl sehen das EAG als wichtigen Beitrag zum Ziel, bis zum Jahr 2030 100 % des Stromverbrauchs aus erneuerbarem Strom zu decken.

Interview: Roman Tronner

Foto: vlnr Benedikt Ennser, Marta Hodasz, Martin Seidl/©Sascha Osaka

Das EAG trat Ende Juli 2021 in Kraft, Judikatur steht noch aus. Ihr Kommentar ist bereits im September 2022 erschienen. Warum so rasch und an wen richtet er sich?

Benedikt Ennser: Wir wollten rasch eine Gebrauchsanweisung für das neue Gesetz bereitstellen. Mit der Neugestaltung des Fördersystems sind für alle Beteiligten viele Änderungen verbunden. Das betrifft Projektierer*innen, Anlagenbetreiber*innen, Förderungswerber*innen, aber auch Behörden, wie das Klimaschutzministerium und die E-Control. Alle betreten mit dem EAG Neuland.

Marta Hodasz: Der Kommentar richtet sich auch an Forschende und Lehrende an Universitäten sowie an Rechtsanwält*innen. Im Energiebereich gibt es fast keine Kommentare, oder sie sind veraltet. Für die Gesetzesauslegung benötigen wir aber Hilfsmittel. Das war eine zentrale Motivation.

Wie setzt sich das siebenköpfige Autor*innenteam zusammen?

Ennser: Wichtig war die Beteiligung von Expert*innen, die an der Entstehungsgeschichte des EAG Anteil hatten, also die fünf Vertreter*innen des Klimaschutzministeriums, aber auch Praktiker*innen, wie die Rechtsanwältin Claudia Hanslik-Schneider oder Martin Seidl, der als Berater in der unmittelbar betroffenen Branche tätig ist.

Das EAG ist Teil eines umfassenden Gesetzespakets. Der Kommentar geht nur auf das EAG und jene Teile des ElWOG ein, die Energiegemeinschaften betreffen. Eine bewusste Entscheidung?

Ennser: Das EAG-Paket umfasst zehn Gesetze. Ein umfassender Kommentar über das gesamte Paket hätte sicherlich zeitlich deutlich länger gebraucht. Wir haben uns daher entschieden, rasch eine Gebrauchsanweisung bereitzustellen. Denn das zentrale Element des Pakets ist die Neugestaltung des Fördersystems für erneuerbare Energie, also das EAG. Auch die Energiegemeinschaften sind wichtig. Die ersten Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften wurden ja rasch nach Inkrafttreten des EAG gegründet. Daher haben wir die diesbezüglichen Regelungen des ElWOG auch aufgrund der Praxisrelevanz aufgenommen.

Es kommt ein großes neues Thema auf uns zu: Wie kann man in einem Markt-Regelwerk abbilden, dass eine einzelne Person nicht nur Energie verbraucht, sondern auch selbst produziert und anderen verkauft?

Benedikt Ennser

Aufgrund beihilfenrechtlicher Bedenken der EU-Kommission gab es die erste EAG-Novelle bereits Anfang 2022. Wie weit ist sie im Kommentar berücksichtigt?

Ennser: Es war für uns zentral, das EAG in allen Teilen abzubilden, insbesondere jene, die novelliert wurden. Das betrifft speziell das neue Förderungsinstrument der Marktprämie. Die Regelungen zu Marktprämie konnten erst nach beihilfenrechtlicher Genehmigung durch die EU-Kommission in Kraft treten. Dafür war es notwendig, gegenüber dem schon beschlossenen Gesetz Anpassungen vorzunehmen, beispielsweise bei der Ausschreibung von Windkraft. Die Anpassungen haben sich allerdings sehr in Grenzen gehalten, Systematik und das Gesamtkonzept sind im Wesentlichen erhalten geblieben.

Als neues Materiengesetz setzt das EAG das EU-Paket „Saubere Energie für alle Europäer*innen“ um. Hätte nicht auch eine Ausweitung des ElWOG gereicht?

Ennser: Anfangs wurde tatsächlich überlegt, ob eine Novelle des Ökostromgesetzes ausreicht. 2017 wurde die „kleine Ökostrom-Novelle“ verabschiedet, danach war die Rede von einer „großen Ökostrom-Novelle“. Rasch zeigte sich: Das wird dem Ausmaß der EU-Anforderungen nicht gerecht, außerdem ist das Ökostromgesetz in die Jahre gekommen. Es war an der Zeit, mit dem EAG ein komplett neues, modernes Fördersystem mit einer eigenständigen gesetzlichen Grundlage zu schaffen. Beim ElWOG 2010 sind wir gerade dabei, basierend auf einer EU-Richtlinie das Gleiche zu tun. Hier schwebt uns eine grundlegende Neugestaltung des Rechtsrahmens für das Strommarkt-Design auf nationaler Ebene vor.

§1 sieht eine Kompetenzdeckungsklausel vor. Was steckt dahinter?

Seidl: Das EAG ist überwiegend dem Kompetenztatbestand des „Elektrizitätswesens“ nach Art 12 B-VG zuzuordnen. Gemäß Art 12 B-VG ist der Bund auf die Aufstellung von Grundsätzen beschränkt und den Ländern obliegt die Ausführungsgesetzgebung sowie die Vollziehung. Für eine bundeseinheitliche Förderung musste von dieser bestehenden Kompetenzverteilung punktuell, in Form einer sogenannten Kompetenzdeckungsklausel abgewichen werden.

Ennser: Die Länder haben trotz der Klausel nach wie vor eine wesentliche Rolle insbesondere in der Frage, wo Windkraft-, Photovoltaik-, aber auch Wasserkraftanlagen in der freien Fläche gebaut werden. Den Ländern kommt damit die wesentliche Rolle in der Raumplanung, Flächenbereitstellung und im möglichst raschen Genehmigungsverfahren zu. Ansonsten braucht es im Energierecht fast immer eine Kompetenzdeckungsklausel.

Seidl: Einen anderen Weg zeigt die Geschichte vom Biomasseförderung‑Grundsatzgesetz. Einer überschaubaren Anzahl von Biomasseanlagen wollte man im Rahmen des damaligen Ökostromgesetzes eine weitere Förderung ermöglichen. Dazu war eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat und im Bundesrat erforderlich, die aber wegen eines Vetos des Bunderats nicht zustande kam. Daher mussten entsprechend Art 12 B-VG ein Grundsatzgesetz auf Bundesebene und Ausführungsgesetze auf Landesebene erarbeitet werden. Damit hatte man den Vergleich zwischen bundeseinheitlicher Förderung gegenüber den landesspezifisch unterschiedlichen Förderhöhen. Man hat gesehen: Eine bundeseinheitliche Förderung macht Sinn.

Hodasz: Die gleiche Situation gibt es beim ElWOG. Auch hier gibt es neun Ausführungsgesetze auf Landesebene.

Wo sehen Sie bereits Novellierungsbedarf des EAG?

Ennser: Das Parlament ist jetzt gerade dabei, eine Novelle zu verabschieden in Reaktion auf die Erfahrungen aus den ersten insbesondere Photovoltaik-Fördercalls. Die Anpassungen, die gerade im Parlament behandelt werden, zielen ab auf Erleichterungen des Zugangs zu Förderungen speziell für Private. Ein Thema, das auch wir im Klimaschutzministerium gerade stark diskutieren.

Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften (EEG) sind eine wesentliche Säule des EAG. Wie unterscheiden sich diese von den Bürgerenergiegemeinschaften (BEG) im ElWOG?

Hodasz: Der wesentliche Unterschied: Bei EEG geht es um die lokale Energieversorgung. Sie sind offen für alle Energieträger bzw Energieformen, jedoch nur für erneuerbare. Neben Sonnen- oder Windenergie können daher auch Energieträger wie Wasserstoff oder Biogas zum Einsatz kommen. EEG können nicht nur bei der Stromversorgung, sondern auch im Bereich Wärme oder Mobilität relevant sein. Die BEG ist auf Strom beschränkt, egal ob aus erneuerbaren oder fossilen Energiequellen. Während EEG auf die Nieder- bzw Mittelspannungsebene in einem Netzgebiet beschränkt sind, kann bei BEG netzgebietsübergreifend, also österreichweit, Strom ausgetauscht werden. Beide gemeinschaftlichen Versorgungsmodelle wollen Bürger*innen für die Energiewende mit ins Boot holen. Da bieten sich PV-Anlagen an. Auf der lokalen Ebene funktioniert das schon sehr gut. Mit Stand September gibt es bereits 92 EEG in Österreich.

Laut E-Control-Monitoringbericht verkaufen viele Energiegemeinschaften aufgrund der hohen Strompreise lieber Richtung Markt, als an die eigenen Mitglieder. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Hodasz: Derzeit gibt es da ein Spannungsverhältnis. Im Vordergrund steht nach wie vor – und das ist ein Leitmotiv der gesetzlichen Grundlagen – der sozialgemeinschaftliche Aspekt. Die Gemeinden oder Nachbarschaften wollen sich selbst versorgen und energieautark sein. Dieser ideelle Gedanke muss im Vordergrund stehen.

Im Vordergrund steht – so sieht es das Gesetz vor – der sozialgemeinschaftliche Aspekt. Die Gemeinden oder Nachbarschaften wollen sich selbst versorgen und energieautark sein. Dieser ideelle Gedanke muss im Vordergrund stehen.

Marta Hodasz

Müssen die Mitglieder der EEG den Strom dann zum Marktpreis beziehen?

Hodasz: Nein. Das ist der Vorteil der Energiegemeinschaften. Im Hinblick auf das Innenverhältnis einer Energiegemeinschaft enthält das ElWOG nur wenige Vorgaben. Die Regelung des Innenverhältnisses obliegt daher im Wesentlichen der Privatautonomie der Mitglieder der Energiegemeinschaften. Wie kürzlich den Medien zu entnehmen war, sieht beispielsweise das Vorarlberger Energieinstitut darin die Chance für Gemeinden, einkommensschwache Haushalte zu unterstützen, indem sie mit Strom aus Photovoltaikanlagen der Gemeinde zu günstigeren Preisen versorgt und damit eben nicht zur Gänze dem Marktpreis ausgesetzt werden.

Denken wir zum Beispiel an Mieter*innen eines Altbaus aus dem Jahr 1900 in einer Wiener Schutzzone. Ist auch hier eine EEG passend?

Hodasz: Es gibt die Möglichkeit zur Errichtung einer gemeinschaftlichen Erzeugungsanlage, die 2017 mit der sog. „Kleinen Ökostrom-Novelle“ eingeführt wurde und für den urbanen Raum gedacht war. Ein Mehrparteienhaus kann sich damit zum Beispiel mit einer PV-Anlage selbst versorgen. Übrigens: Mit diesem Modell der gemeinschaftlichen Versorgung war Österreich Vorreiter in der EU. Die Eigentümergemeinschaft beschließt, gemeinsam eine PV-Anlage auf das Dach zu bauen und alle Parteien damit zu versorgen, ohne über die Grundstücksgrenzen hinaus zu gehen. Der nächste Schritt ist die EEG, die über die Grundstücksgrenzen hinausgeht. Im Regelfall wird die Unterstützung von Beratungsinstitutionen notwendig sein.

Seidl: Grundsätzlich war zu Beginn das Interesse bei gemeinschaftlichen Erzeugungsanlagen sehr groß. Die Umsetzung war aber gerade im urbanen Bereich bei Bestandsgebäuden aufgrund anderer Rechtsmaterien oftmals schwierig, beispielsweise aufgrund des Denkmalschutzgesetzes, des Mietrechts oder des Wohnungseigentumsgesetzes.

Ennser: Es zeigt sich an dem Beispiel gut, dass Regelwerke auf verschiedenen Ebenen ineinandergreifen müssen, damit der Ausbau der Erneuerbaren funktioniert. Es reicht nicht, ein sehr gutes und großzügiges Förderungssystem zu haben, wenn es beispielsweise im Baurecht oder im Denkmalschutz oder in anderen Genehmigungsverfahren Stolpersteine gibt. Es müssen alle zusammenwirken. Die aktuelle Energiepreissituation und die Diskussion um die Versorgungssicherheit befeuern dieses Zusammenwirken.

Das EAG lässt offen, welche Rechtspersönlichkeit eine EEG annimmt. Was ist eine optimale Konstruktion mit Blick auf den sozialgemeinschaftlichen Fokus?

Martin Seidl: Die Frage der Form einer EEG wurde im Gesetz bewusst offen gestaltet. Neben den neuen Möglichkeiten, die Energiegemeinschaften bieten, hat diese offene Ausgestaltung auch das große Interesse positiv unterstützt. Der andere Punkt: Es gibt dadurch eine große Bandbreite an möglichen Konstellationen. Der Einfamilienhausbesitzer mit einer bestehenden PV-Anlage hat bei den aktuellen Marktpreisen vermutlich wenig Interesse, Strom zu teilen. Teilnehmende einer EEG, die gemeinsam eine PV-Anlage anschaffen, sind vermutlich eher bestrebt Strom zu teilen, als zu vermarkten. Auch bei Gemeinden ist natürlich ein anderes Interesse da als bei Einzelnen. Nichtsdestotrotz sind die hohen Marktpreise, welche die OeMAG derzeit vergütet, natürlich interessant für Anlagen bis 500 kW.

Es gibt neben vielen kleinen EEGs aber mittlerweile auch eine große Genossenschaft mit hohem Professionalisierungsgrad. Ist das die Ausnahme?

Seidl: Das ist sozusagen ein eigenes Modell mit Peer-to-Peer-Handelsmöglichkeiten, an denen die oder der Einzelne als Erzeuger*in zum Beispiel in einer Genossenschaft teilnehmen und ihren oder seinen Strom zu bestimmten Preisen verkaufen kann, andere können infolge direkt von dieser Anlage Strom beziehen. Das läuft dann über Bilanzgruppenmodelle oder andere Formen. Das ist aber keine klassische EEG.

Hodasz: Es handelt sich hier gleichsam um Marktplätze, wo Ökostrom-Anbietende und Nachfragende zusammengebracht werden.

Das EAG schreibt in § 79 vor, Hauptzweck der EEG darf nicht im finanziellen Gewinn liegen. Bernd Rajal und Stefanie Orator-Saghy1 stellen die Frage, ob denn im Nebenzweck finanzieller Gewinn möglich ist. Was sagt der Kommentar dazu?

Hodasz: Mit Blick auf die unionsrechtlichen Vorgaben und auf die Materialien zum EAG lässt sich sagen: Weder dem EU-Gesetzgeber noch in der nationalen Umsetzung geht es darum, Gewinn zur Gänze auszuschließen. Er soll aber nicht der Hauptzweck einer Energiegemeinschaft sein.

Seidl: Oftmals fällt auch der Begriff der „Gemeinnützigkeit“, der jedoch im EAG nicht verwendet wird. Die Prüfung, ob eine Gemeinnützigkeit nach der Bundesabgabenordnung vorliegt, obliegt letztlich den Finanzbehörden. Das EAG schreibt nur vor, dass die Gewinnerzielung nicht das vorrangige Ziel sein soll. Gewinne zu erzielen ist in einem gewissen Rahmen natürlich möglich.

EAG – Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz

  • Wie funktioniert eine Energiegemeinschaft?
  • Was ist bei einer Förderung für die Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen zu beachten?
  • Welche Förderungen stellt das EAG zur Verfügung?

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Die EEG kann im Außenverhältnis Strom verkaufen. Was unterscheidet sie rechtlich von einem Elektrizitäts-Unternehmen qua ElWOG?

Ennser: Der Lieferanten-Begriff, den wir seit jeher im ElWOG haben, wird von mehreren Seiten in Frage gestellt. Eine der Herausforderungen durch das EAG sind die EEG. Die Lösung des Gesetzgebers ist hier, dass im Innenverhältnis der Gemeinschaft keine Lieferung im Sinne des ElWOG stattfindet. Der innergemeinschaftliche Austausch unterliegt also nicht dem ansonsten anwendbaren Regelwerk, das auf Lieferanten oder Stromhändler anwendbar ist, und ist auch hinsichtlich der Netzentgelte privilegiert. Wir reden bei der EEG ja nicht über die sonst typische Gefälle-Situation zwischen Haushalt und Lieferanten, sondern über eine Vereinbarung unter gleichberechtigten Mitgliedern. Eine Lieferanten-Eigenschaft kommt nur zu tragen, wenn die Gemeinschaft beschließt, mit ihrem Überschuss nach außen tätig zu werden und sich an einem Marktsegment zu beteiligen, wo sie dann tatsächlich in einem Konkurrenzverhältnis zu anderen Lieferanten steht. Aber da verlässt sie eigentlich schon den Kern dessen, was das EAG als EEG normiert.

Zur zweiten großen Säule des EAG, den Förderungen. Wie grenzen sich Marktprämie und Investitionszuschuss ab?

Seidl: Auch beim Vorgänger des EAG, dem Ökostromgesetz, gab es schon diese Förder-Dualität: Betriebsförderung über einen langen Zeitraum und eine einmalige Investitionsförderung. Das hat sich angesichts unterschiedlicher Konstellationen als sehr praktisch erwiesen. Sei es zum Beispiel ein Gewerbebetrieb, der den mit seiner Ökostrom-Anlage erzeugten Strom selbst zur Gänze vor Ort nutzt und dabei das Stromnetz für die Einspeisung kaum, vielleicht am Wochenende, benötigt. Hier bietet sich die Investitionsförderung an, weil Betriebsförderungen, die an die Einspeisung in das öffentliche Netz anknüpfen, nicht in Frage kommen. Es gibt also einen großen Unterschied zwischen dieser einmaligen Förderung und der „Dauerförderung“ Marktprämie, die 20 Jahre lang gewährt wird. Die Förderung hängt also von der konkreten Betriebsweise der Ökostromanlage ab.

Wie gut funktionieren die beiden Förderinstrumente?

Seidl: Zu der Marktprämie gibt es noch keine Erfahrungen, die entsprechende Verordnung ist erst Anfang Oktober 2022 in Kraft getreten, jene zu den Investitionszuschüssen im April. Die Vergabe der Marktprämien erfolgt über wettbewerbliche Ausschreibungen, ebenso wie bei den Investitionszuschuss-Fördercalls zu bestimmten Photovoltaikanlagen. Man hat gesehen, der Wettbewerb wirkt. Der vorgegebene Höchstwert bei großen Anlagen (Kategorie D) war 170 Euro/kWp, zugeschlagen wurden dann im 3. Fördercall dieses Jahres noch Anlagen mit 114 Euro/kWp. Es wurde also deutlich unterboten, offenbar gab es genug Wettbewerb. Dadurch steigt die Fördereffizienz und man kann mit den zur Verfügung gestellten Fördermitteln mehr fördern. Man sieht, die neuen Förderinstrumente werden angenommen. Durch das EAG wird der Ausbau von Ökostromanlagen deutlich beschleunigt werden und der große Andrang stellt aber natürlich eine Herausforderung für Förderwerber, Fördergeber und die Abwicklungsstelle dar.

Auswirkung auf die Marktprämie haben die momentanen hohen Strompreise. Laut E-Control Monitoringbericht werden deshalb Marktprämien kaum genutzt.

Seidl: Mit den auf 20 Jahre ausgelegten Marktprämien sichert ein Förderungsvertrag einen gewissen anzulegenden Wert ab. Und ich traue mich nicht zu sagen, wie die Preise in den nächsten 20 Jahren aussehen. Es ist eine Frage der Abwägung, Abrechnungssystematik, eine Bewertungsthematik. Einige sagen, diese Absicherung für 20 Jahre habe einen eigenen Wert. Die momentane Hochpreisphase ist wohl einmalig. Sie wird dazu führen, dass es in den ersten Monaten einer in Anspruch genommenen Marktprämienförderung zu keiner Auszahlung von Prämien kommen kann bzw wird.

Ennser: Zu den Rückzahlungen ab einer gewissen Höhe der Marktpreise: Diese Regelung ist angelehnt an einen „Contract for Difference“. Bei Verabschiedung des Gesetzes hatte der Gesetzgeber die aktuelle Preissituation gar nicht im Auge und es war nicht vorstellbar, dass eine solche Situation sofort nach Einführung des Instruments eintreten könnte. Die Regelung war eher als Notfall-Mechanismus bzw als Deckelung in außergewöhnlichen Preissituationen gedacht. Sie führt effektiv zu einer Art Preiskorridor, der aus Gründen der Förderungseffizienz sowohl eine Absicherung gegen hohe, als auch niedrige Preise darstellt. Dieses Modell ist in Europa noch kaum verbreitet, wird aber derzeit stark im Zuge des Nachdenkens über ein neues Strommarktdesign diskutiert. Dabei wird überlegt, ob man nicht grundsätzlich für alle erneuerbaren Erzeugungstechnologien eine Art Preis-Korridor schaffen und damit eine Art „Contract for Difference“ etablieren könnte. Damit würde ein Mindestmaß an Erlösen garantiert, zugleich aber Erlöse gedeckelt werden. Zufallsgewinne und damit das nachträgliche Abschöpfen von Erlösen könnten verhindert werden. Ich weiß nicht, ob es dem Gesetzgeber bewusst war, aber das EAG ist mit seinem Ansatz hier schon ein wenig Vorreiter.

Durch das EAG wird der Ausbau von Ökostromanlagen deutlich beschleunigt werden. Man sieht, die neuen Förderinstrumente werden angenommen.

Martin Seidl

Ist dem Gesetzgeber egal, wie die 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien bis 2030 erreicht werden, oder ist eine Symmetrie der Erzeugungsarten angepeilt?

Ennser: Der Gesetzgeber sieht im EAG spezifische Ausbauziele vor. Für das Gesamtziel, 100 Prozent des Bedarfs aus erneuerbarem Strom zu decken, bedarf es eines Zuwachses von 27 Terawattstunden bis 2030, der sich auf mengenmäßige Ausbauziele für jede Technologie herunterbricht. Der größte Beitrag wird von Photovoltaik und Wind erwartet, nämlich elf bzw zehn Terawattstunden. Da über den Zeitraum von acht Jahren nicht punktgenau geplant werden kann, gibt es flexible Instrumente. Beispielsweise kann ein Teil des Förderbudgets zwischen Investitionszuschuss und Marktprämie in derselben Technologie umgeschichtet werden. Wenn eine Technologie das Ziel erreicht hat, können die Mittel für eine andere Technologie herangezogen werden. Zur Zielerreichung müssen jedenfalls alle Technologien ausgebaut werden, daher gibt es technologiespezifische Ziele und Budgets.

Daher auch der Auftrag des EAG eines Monitorings an die E-Control.

Ennser: Ja. Monitoring ist ein Aspekt, den man mit dem EAG grundlegend erneuert und deutlich erweitert hat. Das Monitoring soll ja letztendlich dazu dienen, das System justier- und steuerbar zu machen. Das war im Ökostromgesetz nur sehr eingeschränkt möglich. Dort gab es eigentlich nur durch die Höhe der Investitionszuschüsse und der jeweiligen Einspeisetarife eine Steuerungsmöglichkeit; Reporting und Monitoring waren beschränkt auf einen jährlichen Bericht der E-Control. Den gibt es jetzt auch, aber deutlich erweitert. Zusätzlich gibt es einen Bericht nach jedem Förder-Call und es gibt erstmalig eine Evaluierung. Nach drei Jahren wird das Förderungssystem einem Review unterzogen und allfälliger Anpassungsbedarf auf Verordnungs- oder sogar Gesetzesebene erhoben. Diese Art von strukturierter und systematischer Evaluierung und Ableitung von Schlussfolgerungen ist neu im EAG.

Bis 2030, dem Zieljahr, sind es acht Jahre. Wird das EAG dann überflüssig sein?

Ennser: Es wird voraussichtlich noch bestehen, so wie jetzt das Ökostromgesetz noch besteht, um Altverträge abzuwickeln. Da braucht es noch ein Mindestmaß an Rechtsrahmen. Man wird auch 2030 noch Marktprämienverträge auf 20 Jahre abschließen. Aus beihilfenrechtlicher Sicht sollte das Fördersystem eine temporäre Unterstützung sein. Irgendwann sollten die Erneuerbaren ohne Förderung im Markt reüssieren können.

Hodasz: Der Ausbaubedarf ist enorm. Ich erinnere an die erforderlichen 27 Terawattstunden. Die Zielerreichung wird noch von vielen Faktoren abhängen, vor allem von den Standorten, sie sind der Knackpunkt beim Ausbau der Photovoltaik und Windkraft. Aber ja, wir sind zuversichtlich. Und ich glaube, dass die Erneuerbaren ohne die Krücke Förderung am Markt bestehen können. In der derzeitigen Situation funktioniert dies ja bereits. Natürlich kann sich die Situation wieder ändern. Dann wird eine Förderung auch Sinn machen und notwendig sein.

 

1 Rajal, Bernd, Orator-Saghy, Stefanie, Die Rolle der Energiegemeinschaften im österreichischen Energierecht, NR 2021, 34–42.

Dr. Benedikt Ennser
leitet die Abteilung Rechtskoordination und Energie Rechtsangelegenheiten im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK).

Dr.in Marta Hodasz
ist Juristin und arbeitet als stv Leiterin der Abteilung Rechtskoordination und Energie Rechtsangelegenheiten ebenfalls im BMK.

Dr. Martin Seidl
ist Jurist und Geschäftsführer der connesso energy GmbH sowie Leiter der Rechtsabteilung Energy3000 solar GmbH. Er berät Unternehmen und Organisationen im Bereich der erneuerbaren Energien.