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Lehrbuchreihe Bürgerliches Recht

Im Interview: Silvia Dullinger, Peter Bydlinski und Ferdinand Kerschner

November 2021

Die Autorin Silvia Dullinger und die Herausgeber der Lehrbuchreihe zum Bürgerlichen Recht Peter Bydlinski und Ferdinand Kerschner sprechen über Erfahrungen mit Video-Vorlesungen und Online-Prüfungen und wie aus ihrer Sicht die Vorbereitung auf die Prüfung im Bürgerlichen Recht gelingen kann.

Wie haben Sie das Lehren und Prüfen im digitalen Unibetrieb erlebt? Welchen Ausblick gibt es für die kommenden Monate? Was bleibt vom plötzlichen Digitalisierungsschub?

Silvia Dullinger: In der konkreten Situation war der digitale Lehr- und Prüfungsbetrieb zweifellos eine gute Notlösung, aber keinesfalls eine dem traditionellen Präsenzbetrieb gleichwertige Alternative. Ich selbst habe die Online-Lehre als deutlich anstrengender als das Unterrichten im Hörsaal und vor allem als ganz unlustig empfunden. Die digitalen Prüfungen verursachen einen – gegenüber gewöhnlichen Präsenzprüfungen – hohen administrativen Zusatzaufwand, und die Abwicklung erfordert wesentlich mehr Zeit, bei den schriftlichen Prüfungen auch mehr als doppelt so viel Aufsichtspersonal. Die didaktischen Nachteile der Online-Lehre hat Paul Oberhammer (Coronakrise und Rechtslehre, ecolex 2020, 569) sehr treffend und pointiert dargelegt. Auch wenn es sich – etwa im Fall von Livestreams – um keinen reinen Frontalunterricht handelt, so ist doch die Mitarbeit der Studierenden deutlich zurückgegangen. Den Grund dafür sehe auch ich (wie Oberhammer) darin, dass sich Studierende, die – meist mit abgeschalteter Kamera – zu Hause sitzen, nicht angesprochen fühlen. Es fehlt die Verbindlichkeit, die von der gleichzeitigen physischen Anwesenheit von Menschen im selben Raum ausgeht, die „Gefahr“, wahrgenommen und vielleicht sogar drangenommen zu werden, Teil einer Interaktion zu sein. Dass selbst den besten und engagiertesten Lehrenden die Motivation ausgeht, wenn sie zwei Stunden allein auf ihren Laptop einreden müssen, auf dem sie überwiegend nur schwarze Vierecke sehen, liegt auf der Hand.

Peter Bydlinski: Im Sommersemester 2020 wurden wir buchstäblich von einer Woche auf die andere ins kalte Wasser geworfen. Wir waren es den Studierenden aber schuldig, rasch umzustellen und dabei für Lehre und Prüfung noch mehr Arbeitszeit aufzuwenden: Ich habe zum Beispiel meine großen Vorlesungen sofort – für alle oder einen Teil der Hörer*innen – auch als Livestream aus dem Hörsaal angeboten, so lange ich die Uni noch betreten durfte. Danach habe ich zu den Vorlesungszeiten entweder Videos oder zumindest Audios auf unsere Lernplattform gestellt. Und das wurde uns auch vielfach gedankt. Im Vergleich dazu höre ich bis heute von verschiedenen Unis Klagen über das Angebotene: Häufig wird „Selbststudium“ propagiert oder werden nur Foliensätze zur Verfügung gestellt; Studierende müssen froh sein, wenn zumindest fallweise Online-Fragestunden angeboten werden. So billig darf man seine Lehrverpflichtungen nicht erfüllen! Allerdings wäre es für die Engagierten umgekehrt auch angenehm gewesen, wenn der deutliche Mehraufwand irgendwie honoriert worden wäre. Mit dem Prüfen in Graz waren ich und viele andere allerdings überhaupt nicht zufrieden. Uns wurde von der Universitätsleitung jede begleitende Kontrolle verboten, was sich rasch herumsprach. Erwischt haben wir dann allerdings nur die Ungeschicktesten und Plumpesten. Ich glaube, dass die letzten sieben (!) Prüfungstermine in diesem Modus abgelaufen sind. Die Ehrlichen waren die Dummen (mit schlechteren Noten); und der Ruf unserer Absolvent*innen wird in dieser langen Zeit – bisher eineinhalb Jahre – wohl nicht gestiegen sein.


So billig darf man seine Lehrverpflichtungen nicht erfüllen!
 

Für die Zukunft erwarte ich mir daher wieder ein „normales“, kontrolliertes Prüfen an der Uni. Mit Beginn des Wintersemesters haben wir tatsächlich weitestgehend Präsenzprüfungen geplant. Die Lehre wird für alle Eventualitäten vorbereitet. Aber ich glaube, fast alle freuen sich auf volle Hör- und Lehrsäle sowie Seminarräume und die Diskussion Auge in Auge! Die Studierendenvertreter haben allerdings Blut geleckt und hätten nun am liebsten alles zugleich: Live gestreamte Lehrveranstaltungen an der Uni, deren Aufzeichnungen dann auch gleich auf eine Lernplattform gestellt werden, damit die Vorlesung zu jedem gewünschten Zeitpunkt konsumiert werden kann. Aber ein Lehrauftritt im Hörsaal muss nicht zuletzt spontan sein und ist daher aus meiner Sicht nicht zum Konservieren geeignet. Dafür müsste man schon eigene Präsentationen herstellen. Tatsächlich wurde ich bereits mehrmals mit dem Wunsch konfrontiert, eine Art Hörbuch zur Vorlesung bzw zu meinem AT-Lehrbuch zu „verfassen“.

Das Bürgerliche Recht ist äußerst komplex und besteht aus mehreren Teilbereichen. Es ist gibt zahlreiche Foren und Möglichkeiten, sich Lernund Prüfungstipps im Internet zu holen. Welche Tipps können Sie denn aus Ihrer Professorensicht und langjährigen Erfahrung den Studierenden mit auf den Weg geben?

Und welche Hilfestellungen kann die Lehrbuchreihe zum Bürgerlichen Recht, die Sie beide seit 2016 herausgeben, für das Studium bieten?

Bydlinski: Tipps hängen davon ab, was gewollt wird: Ein möglichst rasches Bestehen der zum Teil großen Prüfungen im Bürgerlichen Recht oder ein dauerhafter Erwerb von Fähigkeiten über die Universitätszeit hinaus. Mit Blick auf die berufliche Perspektive kann natürlich nur geraten werden, bleibendes Wissen, vor allem aber Grundverständnis, zu erwerben. Am wichtigsten ist wohl, dass jeder Studierende zum Beginn des Studiums möglichst viele verschiedene Lehrveranstaltungen besucht, zugleich erste Lehrbücher anliest und/oder Podcasts zu Zentralfragen anhört und dann für sich klärt, welcher Lerntyp sie oder er ist. Zur Erarbeitung des Prüfungsstoffs ist meiner Erfahrung nach die Nutzung zumindest zweier Angebote ideal. Das kann die Vorlesung in echter oder in digitaler Form sein. Daneben unverzichtbar wird aber dauerhaft das Lehrbuch bleiben: Es ist jederzeit verfügbar und man kann vor- und zurückspringen, sooft man will. Für das Bürgerliche Recht bietet sich insofern eben unsere nahezu ständig aktuell gehaltene Lehrbuchreihe an, die mit ihrem Band VIII auch der Falllösung großen Raum einräumt. Gibt es dann auch noch ein Forum, in dem Rückfragen zu unklaren Passagen – oder zu bloß individuell nicht (sicher) Verstandenem – möglich sind, wäre das Angebot perfekt.

Ferdinand Kerschner: Den Tipps von Peter Bydlinski kann ich mich nur anschließen. Ständige Praxis in der konkreten Falllösung (siehe unseren Band VIII Prüfungstraining, der bald in 6. Auflage erscheinen wird) macht institutionensicher. Solches ist in der Praxis gerade auch im neuen Gewährleistungsrecht, dabei besonders – aber natürlich nicht nur – im Konsumentenschutzrecht – enorm wichtig, wozu nun Kollegin Dullinger in der Neuauflage des Schuldrechts Allgemeiner Teil die erste und vertiefende Basis liefert. Besondere Praxis- und Prüfungsrelevanz bietet – aufbauend auf dem Allgemeinen Teil des Schuldrechts – dessen Besonderer Teil von Rabl/Herndl und Riedler, ebenso nun in neuer Auflage: Vor allem Kauf- und Werkvertrag, aber auch Schadenersatz- und Bereicherungsrecht sind zentrale Gebiete in jeder Prüfung.


Methodensicherheit ist wichtig, um nicht Spielball der gerade Mächtigen zu werden.

Aber vielleicht noch wichtiger für jede spätere juristische Tätigkeit ist es, ein Methodenbewusstsein zu gewinnen, um anhand der Regeln der Rechtsanwendung Gesetzestreue zu wahren und nicht Spielball der gerade Mächtigen zu werden. In der neuen Auflage des Allgemeinen Teils von Peter Bydlinski finden Sie dazu den entscheidenden Zugang. Das Lehrbuch soll aber nicht nur bis zum Studienende präsent sein, sondern auch darüber hinaus: Es bietet den Einstieg in diffizilere Einzelfragen. Ständig sollen aber das Lehrbuch unbedingt Diskussionen mit Kolleg*innen, in der Gruppe, im Team und mit Lehrenden in welcher Form auch immer begleiten.

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