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Im Interview: Susanne Kalss und Florian Haslwanter

Ein Plädoyer für die Privatstiftung

Mai 2025

Obwohl sie eine wichtige Funktion für die Volkswirtschaft hat, ist die Reputation der Privatstiftung aufgrund jüngster Ereignisse etwas angekratzt. Rund 3.000 gibt es davon in Österreich, viele im Besitz von Familienunternehmen. Laut Stiftungsverband haben 1.830 Stiftungen insgesamt rund 11.000 Unternehmensbeteiligungen, an denen 350.000 Arbeitsplätze hängen. Welche Reform der Privatstiftungen die neue Bundesregierung plant und welche rechtliche Verbesserung dem Privatstiftungsgesetz guttun würde, erörtern Susanne Kalss von der Wirtschaftsuniversität Wien, Mit-Herausgeberin des JEV Journal für Erbrecht und Vermögensnachfolge, und Rechtsanwalt Florian Haslwanter, Mit-Herausgeber der Zeitschrift für Stiftungswesen ZFS.

Interview: Roman Tronner

Foto: vlnr Florian Haslwanter und Susanne Kalss ©Florian Haslwanter

Sie befassen sich intensiv mit der Privatstiftung aus akademischer sowie rechtspraktischer Sicht. Was sind aus Ihrer Sicht die Vorzüge dieser rechtlichen Konstruktion?

Susanne Kalss: Die Privatstiftung spielt eine bedeutende volkswirtschaftliche Rolle, insbesondere durch ihre stabilisierende Wirkung und Dauerhaftigkeit. Sie sichert Eigentum, bietet rechtliche Sicherheit, verhindert Zersplitterung von Eigentum und erleichtert Übergänge in Unternehmen. Wir sehen viele Privatstiftungen, etwa die Leopold Museum Privatstiftung oder viele Häuser im ersten Bezirk, die im Eigentum von Privatstiftungen stehen, oder viele blühende Unternehmen. Ich denke hier an den Betrieb Manner. Wir müssen einfach die Privatstiftung und die Unternehmen, die von Stiftungen gehalten werden, viel positiver besetzen, viel stärker vor dem Vorhang bringen und zeigen, welche Bedeutung diese stabilisierende und auf Kontinuität ausgerichtete Rechtsform hat. Die Vorzüge dieser Rechtsform passieren im Hintergrund. Je weniger man eine Rechtsform sieht, desto besser wirkt sie.

Florian Haslwanter: Ich kann mich dem nur anschließen. Die Privatstiftung ist ein ganz wichtiger Rechtsträger in Österreich. Im europäischen Umfeld nicht einzigartig, aber doch besonders. Das Wesentliche an der Privatstiftung ist deren Eigentümerlosigkeit. Das unterscheidet sie von fast allen anderen Rechtsträgern. Vereine oder Sparkassen sind beispielsweise auch eigentümerlos, aber sie sind nicht in der gleichen Art gestaltbar wie eine Privatstiftung. Aufgrund dieser Eigentümerlosigkeit kann, das hat sich bestätigt, der Zusammenhalt von Unternehmenseinheiten gewährleistet werden. Natürlich sind einige der 3000 Privatstiftungen immer wieder in den Medien. Aber die allermeisten funktionieren ausgezeichnet und erfüllen auch ihren stiftungsrechtlichen Zweck.

Kalss: Ich habe kürzlich in Warschau einen Vortrag zur Österreichischen Privatstiftung gehalten. Polen hat seit drei Jahren ein neues Privatstiftungsgesetz, ähnlich wie unser Gesetz vor 30 Jahren, mit dem Ziel, Vermögen und Unternehmen innerhalb einer heimischen Rechtsordnung zu halten. Auch in Österreich wollte man damals Unternehmern und Vermögenden eine geeignete Rechtsform bieten, um Abwanderung zu verhindern. Es ist bemerkenswert, dass dies unter einer sozialdemokratischen Regierung mit einem neutralen Justizminister gelang, zum Wohl der Wirtschaft und Gesellschaft. Polen analysiert nun unsere Erfolge und Fehler, um davon zu lernen. Das zeigt, wie wir Vorbild für andere Länder sein können und wie sehr solche Rechtsformen der Gesellschaft helfen.

Haslwanter: Aus der Wahrnehmung meiner Praxis kann ich berichten, dass viele Polen nach Österreich gekommen sind, um eine Stiftung zu errichten, noch bevor Polen das neue Stiftungsrecht eingeführt hat, das meiner Einschätzung nach sehr liberal ausgestaltet ist. Was das polnische Stiftungsrecht betrifft, bin ich gespannt, wie es sich im polnischen zivilrechtlichen Rahmen entwickelt und ob die Sphärentrennung gleich wie in Österreich anerkannt werden wird.

Kalss: Ja, es besteht großes Interesse an Österreichs Vorgehen, insbesondere hinsichtlich Vermögensopfer und Pflichtteilsrecht sowie der Entwicklung in der Judikatur. Polen, mit seiner Ein-Personen-Stiftung, möchte von Österreich lernen. Es gibt einen regen Austausch, wie etwa durch Treffen mit Kollegen aus Krakau und Warschau. Ich bin Teil einer europäischen Arbeitsgruppe für Unternehmensstiftungen, die an der Copenhagen Business University und dem European Law Institute arbeitet. Unternehmensstiftungen fördern langfristige, nachhaltige Anteilsinhaberschaften, was europaweit positiv gesehen werden sollte. Österreich hat ideale Voraussetzungen, um einen wertvollen Beitrag für Europa zu leisten.

Im aktuellen Regierungsübereinkommen findet sich das Vorhaben, neben höheren Steuersätzen für die Privatstiftung das Gesetz auch zu novellieren. Angeführt wird der volkswirtschaftliche Hintergrund und die Sicherung einer funktionierenden Governance. Können Sie schon erahnen, in welche Richtung diese Reform gehen wird?

Kalss: Nun, das Novellierungsvorhaben ist nichts Neues. Die Stiftung ist ein bedeutendes Instrument, trotz ihres Governance-Mangels. Das 30 Jahre alte Gesetz sollte re-evaluiert werden, um Kinderkrankheiten zu beheben. Das heißt jetzt nicht, dass das ganze Gesetz schwach oder schlecht ist, sondern dass einige wenige Dinge verbessert werden müssen. Im Regierungsprogramm – und das ist gut so – wird die Verbesserung der Kontrollorgane, wie des Beirats, angestrebt –, etwa durch ein wirksames Zustimmungsrecht, durch ein eventuell eingeschränktes Weisungsrecht und dadurch, dass der Beirat auch von der Stifterfamilie voll besetzt werden darf, um sie in die Kontrolle der Stiftung einzubeziehen. Mängel wurden vor allem durch die Judikatur hervorgerufen, deren Behebung der Gesetzgeber bereits bei der Novelle 2011 beabsichtigte, und nun beheben will. Flexibilität und Änderungsrecht sollten ebenfalls geprüft werden, um der Stifterfamilie länger Einfluss zu ermöglichen und die Stiftung langfristig funktionsfähig zu halten.

Haslwanter: Ich sehe das auch so. Die Governance-Novelle ist von der Stiftungscommunity schon lange gefordert, es gibt auch bereits Vorschläge. Es wäre wünschenswert, gerade dem Beirat wieder die Bedeutung beizumessen, die er ja eigentlich von der Gesetzeskonstruktion her haben könnte, wo aber der OGH vor allem seit einer Leitentscheidung im Jahr 2009 starke Schranken eingezogen hat.

Bleiben wir bei dem Thema Kontrollrechte. Diskutiert und immer wieder kritisiert wurden die zu geringen Mitsprachemöglichkeiten von Stifter*innen und Begünstigten. Die Einrichtung eines Aufsichtsgremiums ist nicht zwingend vorgeschrieben, auch ein Beirat ist fakultativ. Wie beurteilen Sie diese Ausgestaltung?

Kalss: Etwa 70 Prozent der Stiftungen haben einen Beirat, der oft als wichtiges Kontrollgremium angesehen wird. Während der Stifter oder die Stifterin lebt und aktiv Einfluss nimmt, ist die Governance meist stabil. Nach dem Tod des Hauptstifters oder der Hauptstifterin verschiebt sich das Machtgefüge und die Governance geht auf außenstehende Vorstandsmitglieder über. Daher ist es entscheidend, von Anfang an eine gute Governance mit möglichen Gremien wie einem Beirat vorzusehen, besonders für die Zeit nach dem Stifter. Das sollte nicht zwingend sein, aber Stiftenden sollte die Bedeutung klargemacht werden. Dies ist eine Aufgabe der Beratung und der gesetzlichen Ausgestaltung im Interesse der Stiftungen.

Haslwanter: Der Beirat ist in der Praxis das relevante Kontrollorgan. Ein Aufsichtsrat ist nur bei Privatstiftungen mit über 300 Arbeitnehmern oder bei Einfluss auf entsprechende Unternehmen gesetzlich vorgeschrieben. Da die meisten Privatstiftungen diese Voraussetzungen nicht erfüllen, gibt es kaum Anwendungsfälle, abgesehen von Sparkassen-Privatstiftungen. Der verpflichtende Aufsichtsrat wurde 1993 im letzten Moment ins Gesetz aufgenommen, unter anderem wegen der theoretischen Rolle der Arbeitnehmermitbestimmung, kommt aber in der Praxis selten vor. Freiwillige Aufsichtsräte werden ebenfalls selten eingerichtet, da - bis auf die erste - die Bestellung der Mitglieder vom Gericht erfolgt, was die Eigenbestimmung der Stifter einschränkt. Stattdessen bietet sich die Gestaltung eines Beirats an, dessen Rolle entsprechend gestärkt werden sollte – ein Punkt, den der Gesetzgeber berücksichtigen sollte.

Würden Sie aufgefordert werden, an der Novelle mitzuschreiben, wohin würden Sie den Fokus legen?

Kalss: Das ist ganz einfach. Es gibt viele konkrete Vorschläge, die in Gesprächen mit dem Bundesministerium für Justiz und dem Bundesministerium für Finanzen entstanden sind. Wir diskutieren ja diese Fragen seit 15 Jahren. Die legislatorische Aufgabe ist gut bewältigbar, hätte einen großen Impact und sollte neutral und sachlich erfolgen, um die Funktionsfähigkeit der Stiftung als Organisationsträger der Wirtschaft und Gesellschaft zu sichern. Deshalb ist es wichtig, dass dieses Vorhaben im Regierungsprogramm verankert ist.

Herr Haslwanter, Sie befassen mit dem Thema Family Offices. Die Steuern bei Privatstiftungen werden nun erhöht. Entsteht da auch mit Blick auf Nachbarländer wie Liechtenstein ein Wettbewerbsnachteil?

Haslwanter: Es gibt zwei Steuern, die laut Regierungsprogramm angehoben werden sollen, darunter die Stiftungseingangssteuer von 2,5 auf 3,5 Prozent. Dies betrifft einerseits die Neuerrichtung von Privatstiftungen und nachträgliche Vermögenswidmungen, auch an ausländische Stiftungen. Andererseits wirkt sich die Erhöhung auf Substiftungen aus, da Vermögenswidmungen von der Hauptstiftung an die Substiftung ebenfalls besteuert werden. Substiftungen sind oft teuer, besonders bei Immobilien, aber manchmal notwendig, wenn innerhalb von Stifterfamilien die Gesprächsbasis verloren geht. Die Anhebung der Stiftungseingangssteuer könnte die Hemmschwelle erhöhen, bleibt aber überschaubar.

Die Erhöhung der Zwischensteuer sehe ich nicht als Wettbewerbsnachteil, diese Angleichung an die Kapitalertragsteuer, auf die sie später angerechnet wird, hat eine gewisse Logik. Frühere Steuerstundungseffekte entfallen, bis auf jenen, dass stille Reserven bei Ersatzinvestitionen nicht sofort versteuert werden müssen. Es gibt also in Wahrheit keine großartigen steuerlichen Vorteile mehr. Und ich muss sagen, das ist vielleicht aus Sicht der Stiftungen und des Stiftungsstandorts nicht unbedingt ein Nachteil, weil sich der eigentliche Stiftungsgedanke wieder mehr in den Vordergrund schiebt.

Es gibt keine großartigen steuerlichen Vorteile mehr. Das ist vielleicht aus Sicht der Stiftungen und des Stiftungsstandorts nicht unbedingt ein Nachteil, weil sich der eigentliche Stiftungsgedanke wieder mehr in den Vordergrund schiebt. Florian Haslwanter 

Wie beurteilen Sie die österreichische Privatstiftung im Vergleich in Liechtenstein und der Schweiz? Diskutiert wird ja seit längerem zum Beispiel das Fehlen klarer Regelungen zur Anwendung der Schiedsgerichtsbarkeit für Privatstiftungen.

Kalss: Also ich sehe die Schiedsgerichtsbarkeit bei Stiftungen als gefährlich für die Beteiligten und als lukratives Geschäftsmodell für Anwälte und Berater, oft zulasten der Stifterfamilien und Begünstigten. Die Stiftung trägt die Kosten, und eine kleine Gruppe von Experten profitiert stark. In Österreich haben wir gut ausgebildete Richter und Richterinnen und eine funktionierende Justiz, die komplexe Fragen schnell und kompetent bearbeitet. Die Nachteile der Schiedsgerichtsbarkeit liegen in fehlender öffentlicher Kontrolle, hohen Kosten und möglichen Interessenkonflikten. Eine teure Parallelgerichtsbarkeit. Unter dem Deckmantel der Billigkeit werden Entscheidungen oft zulasten der Begünstigten getroffen. Ich lehne die Ausdehnung der Schiedsgerichtsbarkeit auf Stiftungen entschieden ab.

Ich lehne die Ausdehnung der Schiedsgerichtsbarkeit auf Stiftungen entschieden ab. Susanne Kalss

Sehen Sie das als Rechtsanwalt auch so?

Haslwanter: Ich sehe es als Rechtsanwalt genauso. Den Anwendungsbereich für eine Schiedsklausel bei Privatstiftungen halte ich für begrenzt, da Schiedsgerichtsbarkeit nur für vergleichsfähige Gegenstände geeignet ist. Viele gerichtliche Zuständigkeiten, wie Vorstandsabberufungen oder Auskunftsverfahren, liegen faktisch beim Firmenbuchgericht und können nach meinem Dafürhalten nicht durch Schiedsklauseln ersetzt werden. Dies würde in den meisten Fällen zu Rechtsunsicherheit, Verteuerung und einer Verkomplizierung der Durchsetzung rechtlicher Interessen führen.

Kalss: Es ist eine völlige Unfairness und Ungleichbehandlung. Die Gruppe der Begünstigten und Nicht-Hauptstifter ist benachteiligt, während die Gewinnergruppe ihr Recht und Geschäftsmodell aktiv fördert. Das ist zulässig, doch die Nachteile sollten offen benannt werden. Österreichs Justiz ist verlässlich, gut ausgebildet und in Stiftungsangelegenheiten erfahren, mit kompetenten Richtern und Richterinnen, die komplexe Fälle sachkundig bearbeiten.

Wenn jemand zu Ihnen kommt und eine Privatstiftung gründen möchten, zu welchem Land würden Sie daher raten? 

Haslwanter: Der Ruf der österreichischen Privatstiftung ist bei ausländischen Stiftern positiv, da sie als etablierter und transparenter Rechtsträger gilt. Im Vergleich zu Liechtenstein gibt es strengere Anforderungen wie Eintragungen im Firmenbuch, Rechnungslegung mit Jahresabschluss und Lagebericht sowie einen verpflichtenden Stiftungsprüfer. Diese Vorgaben können Flexibilität einschränken und Kosten erhöhen, bieten jedoch auch einen Imagevorteil, da die österreichische Privatstiftung nichts verheimlichen kann, entgegen manch medialer Meinung.

Kalss: Ich unterstütze das. Wir haben Transparenz gegenüber dem Fiskus und dem wirtschaftlichen Eigentümerregister, das in den letzten Jahren verstärkt wurde. Zwei Drittel des Vermögens sind Beteiligungen, das übrige Drittel sind Liegenschaften. Dieses Vermögen ist in öffentlichen Registern eingetragen, einschließlich Kapitalgesellschaften und Grundbuch. Es ist zumutbar, diese Informationen bei Bedarf nachzuschauen und zusammenzutragen. Es ist jedoch nicht nötig, dass jeder weiß, wer was von einer Privatstiftung erhält – das ist Aufgabe des Fiskus, um eine ordnungsgemäße Besteuerung sicherzustellen. Ähnlich wie bei Testamenten sollte eine gewisse Privatheit respektiert werden, anstatt alles als Verheimlichung darzustellen. Behörden können bestimmte Informationen haben, aber andere Personen benötigen dafür keine Rechtfertigung.

Das Thema Transparenz wurde angesprochen. Es gibt zum Beispiel keine Offenlegungspflicht des Stiftungsvorstandes im Gesetz. Trotz Verständnis für die erforderliche Diskretion, wo sollte man bei Offenlegung und Transparenz nachschärfen?

Kalss: Man könnte über eine Übersicht des Vermögens aus den konsolidierten Jahresabschlüssen nachdenken, aber eine vollständige Transparenz des privaten und unternehmerischen Vermögens halte ich für falsch. Das unternehmerische Vermögen ist bereits transparent, und es besteht kein Bedarf, privates Vermögen offenzulegen. Niemand möchte sein gesamtes privates Vermögen öffentlich machen. Die Privatstiftung sollte nicht anders behandelt werden als andere Vermögensformen oder Rechtsträger.

Auch die Stiftungszusatzurkunden müssen nicht offengelegt werden, diese regeln oft die Begünstigungen. Aus Ihrer Sicht ist das so in Ordnung?

Haslwanter: Die Privatstiftung wird häufig mit Unternehmen assoziiert, da sie oft an der Spitze von Konzernen steht. Ursprünglich stammt sie jedoch aus einer erbrechtlichen Überlegung, nämlich jener, Vermögen mit einem bestimmten Zweck weiterzugeben – ein Konzept, das etwa bis in die Zeit der Kreuzritter und den Fideikommiss zurückgeht. Sie ist kein Unternehmensvehikel, sondern dient der privaten Zukunfts- und Nachfolgegestaltung mit erbrechtlichen Aspekten. Deshalb ist die Stiftungszusatzurkunde nur gegenüber dem Fiskus und nicht der Öffentlichkeit einsehbar. Die Inhalte der Stiftungszusatzurkunde ähneln oft letztwilligen Verfügungen. Es würde auch niemand verlangen, dass Testamente in irgendeiner Form veröffentlicht werden. Das wäre ein großer Aufschrei. 

Mangelt es dem Privatstiftungsgesetz an ausreichenden Regelungen hinsichtlich der Veranlagung des eingebrachten Vermögens? Hintergrund der Frage ist der hinlänglich bekannte Fall der Laura Privatstiftung. 

Kalss: Ich glaube nicht, dass wir einen Gesetzgeber dafür brauchen. Ein sorgfältiger Geschäftsführer oder Vorstandsmitglied einer Privatstiftung hält sich an das Verbot, Geschäfte zu führen. Starke Finanzierungsleistungen könnten schon nahe am Geschäftsführungsverbot sein. Privatstiftungen sind dazu angehalten, Anteile zu halten und sich nicht ins operative Geschäft einzufügen. Wiederholtes Überschreiten führt zu Gewerblichkeit und unternehmerischem Handeln, was klar geregelt und ausreichend verboten ist. Wir brauchen dafür keine neuen Gesetze, sondern müssen bestehende Regeln konsequent anwenden. Der Lackmustest liegt in der Praxis, ob unser Stiftungsrecht und Rechtssystem Umgehungsgeschäfte oder Regelverstöße effektiv verhindern kann. Geben wir der Anwendung eine Chance.

Haslwanter: Ich sehe das auch so. Ich glaube nicht, dass wir hier andere gesetzliche Regelungen bräuchten. Und was die Veranlagung des Stiftungsvermögens betrifft: Da besteht schlichtweg, wie bei vielen anderen Punkten des Privatstiftungsgesetzes eine Gestaltungsfreiheit, die von der Stifterin oder dem Stifter mit entsprechender Gestaltung der Stiftungserklärung umzusetzen ist.

Kalss: Der große Vorteil der österreichischen Privatstiftung liegt in der Gestaltungsfreiheit, die auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Stifter zugeschnitten ist – im Gegensatz zum starren deutschen Stiftungsrecht. Dort sind Maßnahmen oft von der Zustimmung der Stiftungsaufsicht abhängig, was stark einschränkt. Das österreichische Modell erlaubt es, privates Vermögen flexibel zu nutzen, wie bei einer GmbH. Diese Freiheit sollte auch bei der Privatstiftung unbedingt erhalten bleiben.

Andreas Exenberger von der Universität Innsbruck meint, in Österreich habe man immer noch die Situation, dass Privatstiftungen einen vollständig eigennützigen Zweck verfolgen können. Im internationalen Vergleich sei das eher ungewöhnlich. Was entgegnen Sie dieser Aussage?

Kalss: Ein großer Vorzug ist die freie Gestaltungsmöglichkeit – ob gemeinnützig oder eigennützig. Österreich ist dabei nicht einzigartig: In Ländern wie der Schweiz, Liechtenstein, Dänemark oder Schweden gibt es ähnliche Regelungen. Oft fehlt nur die Kenntnis vergleichbarer Strukturen im Ausland. Es ist zudem kein Nachteil, wenn Privatstiftungen nur bestimmte Personen fördern – dies betrifft privates Vermögen, das einer bestimmten Organisationsform unterliegt. Die Offenheit, Privatstiftungen für eigennützige, gemeinnützige oder gemischte Zwecke zu nutzen, ist ein wesentlicher Vorteil des österreichischen Rechts. Häufig wählen selbst gemeinnützige Stiftungen dieses Instrument, da es durch Erfahrung, Gestaltungsmöglichkeiten, das Firmenbuchgericht und die Vertrautheit überzeugt. Die Offenheit bleibt ein klarer Pluspunkt.

Sie haben die gemeinnützige Stiftung angesprochen, die auch nach dem Bundesstiftungs- und Fondsgesetz errichtet werden kann. Braucht es beide rechtlichen Grundlagen parallel?

Kalss: Das Modell in Österreich erkannte lange Zeit nur gemeinnützige Stiftungen an, was bis in die 90er Jahre als Mangel empfunden wurde. In einer Zeit des Aufbruchs nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und der Berliner Mauer schuf eine große Koalition die Privatstiftung, um sowohl gemeinnützige als auch eigennützige Zwecke zu ermöglichen. Die Gemeinnützigkeit blieb bestehen, doch das Bundesstiftungsgesetz war stark reguliert und weniger flexibel als das Privatstiftungsgesetz. Eine Neugestaltung würde vermutlich die Privatstiftung als universelles Instrument bevorzugen, doch bestehende Strukturen und Regelungen erschweren Änderungen. Der österreichische Kompromissweg mit mehreren Stiftungsgesetzen ist zwar nicht ideal, aber auch nicht gravierend problematisch. Aber würde ich heute gefragt werden, welchen Stiftungstyp ich auch für eine gemeinnützige verwenden würde, ich würde klar für die Privatstiftung votieren.

Was raten Sie Ihren Klient*innen?

Haslwanter: Nun, auch für die gemeinnützige Ausgestaltung ist die Privatstiftung attraktiv, da sie weniger kompliziert ist. Im Gegensatz zur Bundesstiftung, die unter staatlicher Aufsicht steht und mehrere behördliche Verfahren erfordert, ist die Privatstiftung, wie der Name schon sagt, ein privater Rechtsträger mit flexibleren Gestaltungsmöglichkeiten. Die volkswirtschaftliche Bedeutung von Privatstiftungen, wie sie das Regierungsprogramm anspricht, zeigt sich eben etwa durch Unternehmensbeteiligungen im Stiftungsvermögen, die in gemeinnützigen Stiftungen oft nicht vorhanden wären.

Kalss: Es ist nichts Böses, Gewinne zu erzielen und, dass die, die verantwortlich sind für eine positive Wertentwicklung, auch ihren Anteil davon bekommen. Darauf beruht unsere gesamte Wirtschaft. Darauf beruhen 95 Prozent aller GmbHs und aller Aktiengesellschaften. Ich kann auch eine GmbH gemeinnützig gestalten, von solchen gibt es aber nur wenige. Man sollte also die Eigennützigkeit als Vorzug sehen. Darauf beruht unsere Wirtschaft, unsere freiheitliche und auf eigene Leistungserzielung aufbauende Gesellschaft.

Haslwanter: Und was weniger bekannt ist, weil es meistens in der Stiftungszusatzurkunde steht und auch nicht in die Öffentlichkeit getragen wird: Es gibt bei großen Privatstiftungen oft einen gemeinnützigen Nebenzweck, also wo die Privatstiftungen neben dem privatnützigen Zweck auch gemeinnütziges Engagement verfolgen.

Abschließend ein Ausblick auf ihre nächsten Ausgaben: Welche Themen planen Sie als Mit-Herausgeber*innen in Ihrer Zeitschrift bzw Ihrem Journal? 

Kalss: Wir planen einen Vergleich zwischen Verfahren des Erbrechts und Gestaltungen des Stiftungsrechts, um verfahrensmäßige Parallelüberlegungen darzustellen und praktische Hilfestellungen für fachkundige Leserinnen und Leser zu bieten. Der Übergang des Vermögens lässt sich mit Privatstiftungen parallel zum Verlassenschaftsverfahren gestalten, wobei Aspekte wie Zeitpunkt des Todes und der Weitergabe analysiert werden. Die Zeitschrift fokussiert ja auf die Schnittstelle von Stiftungs- und Erbrecht und blickt immer in beide Richtungen. Außerdem wird die Ausgabe internationale Beispiele wie Polen und Dänemark einbringen, um Perspektiven über den deutschsprachigen Raum hinaus zu erweitern und die Qualität des österreichischen Rechts hervorzuheben.

Haslwanter: Die Zeitschrift für Stiftungswesen feiert heuer ihr 20-jähriges Bestehen mit einem umfassenden Jubiläumsheft im Herbst, das grundlegende, aber beispielsweise auch rechtsvergleichende Themen des Stiftungsrechts behandeln wird, etwa die Schnittpunkte mit Liechtenstein. Außerdem wird eine Reform des Stiftungsrechts, so sie kommt, eingehend analysiert werden.

Univ.-Prof.in Dr.in Dr.in h.c. Susanne Kalss, LL.M. (Florenz) ist Vorständin des Instituts für Unternehmensrecht an der Wirtschafsuniversität Wien und Mit-Herausgeberin des JEV Journal für Erbrecht und Vermögensnachfolge. Sie ist weiters Mitglied im Vorstand des Stiftungsverbands.

Rechtsanwalt Mag. Florian Haslwanter ist Partner bei Eiselsberg Rechtsanwälte, spezialisiert auf Privatstiftungen. Er fungiert als Mit-Herausgeber der Zeitschrift für Stiftungswesen ZFS. 

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