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wirtschaftsrechtliche blätter

Heft 12, Dezember 2018, Band 32

Entscheidungspflicht und Mitwirkung der Parteien

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Zweck der Säumnisbeschwerde ist es, demjenigen, der durch die Untätigkeit einer Behörde beschwert ist, ein rechtliches Instrument zur Verfügung zu stellen, um eine Entscheidung in der Sache zu erlangen. Jedoch ist die Säumnisbeschwerde nach § 8 Abs 1 VwGVG abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist. Dieses Verschulden der Behörde ist nicht im Sinne eines Verschuldens von Organwaltern der Behörde, sondern „objektiv“ zu verstehen; es ist dann anzunehmen, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert war. Ein überwiegendes Verschulden der Behörde liegt vor, wenn diese die für die zügige Verfahrensführung notwendigen Schritte unterlässt oder mit diesen grundlos zuwartet.

Der in § 39 Abs 2 erster Satz AVG normierte Grundsatz der Amtswegigkeit beherrscht das Ermittlungsverfahren. Die Behörde hat danach von sich aus den vollständigen und wahren entscheidungsrelevanten Sachverhalt durch Aufnahme aller nötigen Beweise festzustellen, ohne in tatsächlicher Hinsicht an das Parteienvorbringen gebunden zu sein. Dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens korrespondiert die Pflicht der Parteien, an der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken. Die Mitwirkungspflicht der Partei ist gerade dort von Bedeutung, wo ein Sachverhalt nur im Zusammenwirken mit der Partei geklärt werden kann, weil die Behörde außerstande ist, sich die Kenntnis von ausschließlich in der Sphäre der Partei liegenden Umständen von Amts wegen zu beschaffen. Unterlässt eine Partei die ihr obliegende Mitwirkung trotz der ihr gebotenen Möglichkeit ist es nicht rechtswidrig, wenn die Behörde in diesem Fall keine weiteren Ermittlungen durchführt, sondern diese Unterlassung gemäß § 45 Abs 2 und § 46 AVG in die Würdigung der vorliegenden Ermittlungsergebnisse einbezieht. Die Verletzung der Mitwirkungspflicht enthebt die Behörde folglich nicht von ihrer Verpflichtung, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt überhaupt festzustellen, ebenso wenig wie ihrer Verpflichtung zur Gewährung von Parteiengehör sowie ihrer Begründungspflicht.

Vor diesem Hintergrund kann eine Unterlassung der Mitwirkung bzw eine Verletzung der Mitwirkungspflicht nicht dazu führen, dass die Behörde von ihrer Verpflichtung entbunden wird, über einen Antrag innerhalb der in § 73 AVG normierten Entscheidungsfrist einen Bescheid zu erlassen. Eine Mitwirkungspflichtverletzung ist daher nicht als schuldhaftes Verhalten im Rahmen der Abwägung des überwiegenden Verschuldens iSd § 8 Abs 1 VwGVG zu werten, welches die Behörde an der Entscheidung hindert. Vielmehr müsste die Behörde die unterlassene Mitwirkung des Revisionswerbers würdigen und ihre (aufgrund der fehlenden Mitwirkung allenfalls auch negativ ausfallende) Entscheidung innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Entscheidungsfrist treffen. Die Ansicht des Verwaltungsgerichts, der Revisionswerber habe durch die Unterlassung jeglicher Mitwirkung bei der Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts eine fristgerechte Entscheidung durch die belangte Behörde vereitelt, weshalb kein überwiegendes Verschulden der belangten Behörde iSd § 8 Abs 1 VwGVG vorliege, erweist sich daher als verfehlt.

  • VwGH, 19.06.2018, Ra 2018/03/0021
  • § 39 Abs 2 AVG
  • WBl-Slg 2018/232
  • Allgemeines Wirtschaftsrecht
  • § 73 Abs 2 AVG
  • § 8 Abs 1 VwGVG

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