Was ist neu im Verlag Österreich?
Erfahren Sie es zuerst!

Zeitschrift für Vergaberecht

Heft 3, Juni 2022, Band 22

Hofer, Kristina

Es bleibt dabei: Widerruf eines Vergabeverfahrens kann durch Anfechtung der Ausscheidensentscheidung nicht „erzwungen“ werden

eJournal-Artikel

20,00 €

inkl MwSt
Sofortiger PDF-Download

Eine Unterlassung des Auftraggebers ist nur dann als „Entscheidung“ zu qualifizieren, wenn diese als selbständiger Teilakt im Rahmen einer nachfolgenden gesondert anfechtbaren Entscheidung nach außen in Erscheinung tritt. Davon ist nur dann auszugehen, wenn gemäß § 863 Abs 1 ABGB die nachfolgende Entscheidung mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, übriglässt, dass der Auftraggeber dadurch eine konkrete Willenserklärung zum Ausdruck bringt.

Einer Ausscheidensentscheidung kann – im Gegensatz zu einer Zuschlagsentscheidung – kein hinreichend bestimmter Erklärungswert dahingehend beigemessen werden, der Auftraggeber wolle das Vergabeverfahren nicht wegen dagegen geltend gemachter Gründe widerrufen.

„Sache“ eines Nachprüfungsverfahrens ist immer die Prüfung der Frage, ob der Antragsteller durch die angefochtene oder eine ihr vorangegangene nicht gesondert anfechtbare Entscheidung des Auftraggebers in den im Nachprüfungsantrag geltend gemachten Rechten (Beschwerdepunkten) verletzt wurde. Das Vergabekontrollverfahren dient daher nicht der objektiven Rechtskontrolle, sondern der Überprüfung, ob der Antragsteller in den geltend gemachten subjektiven Rechten verletzt worden ist.

Im Falle der Anfechtung einer Ausscheidensentscheidung bildet alleine die Frage der Zulässigkeit des tatsächlich erfolgten Ausscheidens die Hauptfrage des Nachprüfungsverfahrens.

Die Unterlassung eines zwingend gebotenen Widerrufs des Vergabeverfahrens ist nur dann in Bezug auf eine angefochtene Ausscheidensentscheidung rechtlich relevant, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit des unterlassenen Widerrufs für sich die Rechtswidrigkeit der Ausschreibung bewirkt. Gründe, die sich ausschließlich gegen die Fortführung des Vergabeverfahrens an sich richten, reichen hierfür nicht hin.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des EuGH, dass einem rechtskräftig ausgeschiedenen Bieter der Zugang zur Nachprüfung später ergangener Entscheidungen des Auftraggebers verwehrt werden kann.

Ob ein Angebot einen zum Ausscheiden führenden Mangel aufweist, ist am Maßstab der Ausschreibungsbestimmungen zu messen. Die Überprüfung des Vorliegens des Ausscheidenstatbestandes erfordert somit die Auslegung der bestandsfesten Ausschreibungsbestimmungen und des vom betreffenden Bieter gelegten Angebotes. Dabei kommt es immer auf den objektiven Erklärungswert des Angebotes an und nicht darauf, wie der Bieter sein Angebot verstanden wissen will. Der Absicht des Erklärenden im Zusammenhang mit der Auslegung von Bietererklärungen kann nur insoweit Bedeutung zukommen, als sie sich in dem nach außen hin zum Ausdruck kommenden objektiven Erklärungswert niederschlägt.

Die Annahme, ein Bieter wolle ein den Ausschreibungsbedingungen widersprechendes Angebot legen, ist nur dann gerechtfertigt, wenn er dies nach dem objektiven Erklärungswert seiner Angebotsunterlagen – klar – zum Ausdruck bringt.

Gemäß § 2 Z 3 BVergG 2018 ist ein Angebot die Erklärung eines Bieters, eine bestimmte Leistung gegen Entgelt unter Einhaltung festgelegter Bedingungen erbringen zu wollen. Das vergaberechtliche Angebot ist eine mit ausreichendem Bindungswillen gegenüber dem Auftraggeber abzugebende empfangsbedürftige Willenserklärung gemäß den einschlägigen zivilrechtlichen Bestimmungen des ABGB. Das Angebot muss hinreichend bestimmt sein. Dies ist der Fall, wenn der Erklärung des Bieters die wesentlichen Punkte des mit dem Auftraggeber abzuschließenden Vertrages entnehmbar sind. Eindeutige Bestimmbarkeit genügt.

  • Hofer, Kristina
  • § 281 Abs 10 BVergG
  • § 347 Abs 1 Z 1 BVergG
  • RPA 2022, 147
  • § 2 Z 15 lit a BVergG
  • § 863 Abs 1 ABGB
  • VwGH, 14.12.2021, Ro 2021/04/0014Ra 2021/04/0081, „Rahmenvereinbarung Doppelstock-Elektrotriebzüge“
  • § 302 Abs 1 Z 5 BVergG
  • Auslegung des Angebotes
  • § 200 Abs 1 BVergG
  • Auslegung der Ausschreibung
  • Anfechtung der Ausscheidensentscheidung
  • Ausschreibungswidrigkeit
  • § 301 Abs 1 BVergG
  • § 302 Abs 1 Z 4 BVergG
  • Bestimmtheit des Angebotes
  • Vergaberecht
  • § 2 Z 3 BVergG
  • Unterlassung als anfechtbare Entscheidung
  • Geltendmachung von Widerrufsgründen gegen die Ausscheidensentscheidung

Weitere Artikel aus diesem Heft

20,00 €

20,00 €

RPA
Der Nachweis von Referenzen
Band 22, Ausgabe 3, Juni 2022
eJournal-Artikel

20,00 €

20,00 €