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Glücksspielmonopol, Landesausspielungen und Unionsrecht

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Der Senat hat in der E 4 Ob 145/14y (= ÖBI 2015, 18 [Isak] – Landesausspielung) dargelegt, dass eine Unionsrechtswidrigkeit zur Abweisung der Klage und Bedenken in Bezug auf einen Verstoß gegen höherrangiges nationales Recht zu einer Anfechtung beim VfGH – allenfalls auch durch die in erster Instanz unterlegene Partei iSv Art 139 Abs 1 Z 4 oder Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B-VG („Gesetzesbeschwerde“) – führen müsste. Außerdem stellte er fest, dass die Unvereinbarkeit von Bestimmungen des Glücksspielgesetzes mit der primärrechtlichen Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit in rein nationalen Fällen nicht zur Unanwendbarkeit dieser Bestimmungen führte, sondern allenfalls eine verfassungsrechtlich unzulässige und daher vom Verfassungsgerichtshof wahrzunehmende Inländerdiskriminierung bewirken könnte. An dieser E, die grundsätzlich auch von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen wird und die aus unionsrechtlicher Sicht Zustimmung gefunden hat (Isak aaO), ist festzuhalten.

Grundlage für die mögliche Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols, die allenfalls eine verfassungsrechtlich unzulässige Inländerdiskriminierung bewirken könnte, ist nach dem Vorbringen des Beklagten – wie schon in 4 Ob 145/14y – die E des EuGH in der Rs C-390/12, Pfleger. Danach ist Art 56 AEUV „dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, sofern diese Regelung nicht wirklich das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung verfolgt und nicht tatsächlich dem Anliegen entspricht, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern oder die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen“. Damit macht der EuGH die (unionsrechtliche) Zulässigkeit des Glücksspielmonopols nicht nur von der Zielsetzung des Gesetzgebers, sondern auch von der tatsächlichen Wirkung der Regelungen abhängig. Der Staat hat dabei dem Gericht alle Umstände „darzulegen“, anhand deren „dieses Gericht sich vergewissern kann“, dass diese Bedingungen erfüllt sind. Die Vorlage einer empirischen Untersuchung sei aber nicht zwingend erforderlich.

Aus den gesetzlichen Bestimmungen als solchen ist – nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens – nicht abzuleiten, dass die Ausgestaltung des Glücksspielrechts nicht dem Ziel des Spielerschutzes und der Kriminalitätsbekämpfung diente. Insbesondere können die Regelungen über die Erforderlichkeit und die Voraussetzungen von Konzessionen für das „große“ Glücksspiel und die Beschränkungen für „Landesausspielungen“ (§ 5 GSpG) als erforderliche und verhältnismäßige Maßnahmen verstanden werden, um den offenbar bestehenden und sonst auf illegale Weise befriedigten Spieltrieb eines nicht vernachlässigbaren Teils der Bevölkerung in geordnete Bahnen zu lenken und so ein größeres Übel zu verhindern. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass auch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zuletzt keine Veranlassung für eine unionsrechtsbedingte Nichtanwendung, amtswegige Gesetzesprüfung oder Anfechtung der Verbotsbestimmungen des Glücksspielgesetzes gesehen haben (zB VfGH G 82/12, VfSlg 19.749; B 615/2013; VwGH Ro 2014/17/0120, 0121 und 0123; Ro 2014/02/0026; Z 2012/17/0440).

Die – eine Vorfrage für eine allfällige Verfassungswidrigkeit bildende – Unionsrechtskonformität des Glücksspielgesetzes hängt nach der Rsp des EuGH allerdings auch von tatsächlichen Umständen ab (C-390/12, Pfleger; 4 Ob 145/14y; nunmehr auch VwGH Ro 2014/17/0120, 0121 und 0123). Die einschlägigen Regelungen müssen in ihrer Gesamtheit dazu führen, dass die Gelegenheit zum Spiel verringert und die damit verbundene Kriminalität bekämpft wird. Diese Bedingung wäre etwa dann nicht erfüllt, wenn es trotz der vordergründig restriktiven Ausgestaltung des Glücksspielrechts in den letzten Jahren – auch unter Bedachtnahme auf Landesausspielungen iSv § 5 GSpG und die konkrete Geschäftstätigkeit von Konzessionären – zu einer Ausweitung der Spielsucht samt den damit verbundenen Problemen gekommen wäre. Dazu werden die Parteien in erster Instanz ein konkretes, mit Beweisanboten belegtes Vorbringen zu erstatten haben; dem Bund wird Gelegenheit zu geben sein, sich dazu in Form einer gutachterlichen Stellungnahme zu äußern (1 Ob 71/13t).

Aufgrund der dann zu treffenden Feststellungen wird das Erstgericht zu beurteilen haben, ob die Regelungen des Glücksspielrechts den Anforderungen des Unionsrechts entsprechen. Dabei können die vom EuGH zu Verwaltungs- bzw Strafverfahren getroffenen Aussagen über die Darlegungspflicht des Staates (zuletzt etwa C-390/12, Pfleger) in einem zivilrechtlichen Verfahren schon mangels Parteistellung des Staates nicht unmittelbar herangezogen werden (2 Ob 243/12t). Grundsätzlich ist die Vereinbarkeit von nationalem Recht mit Unionsrecht aber ohnehin als Rechtsfrage von Amts wegen zu prüfen, sodass sich Fragen zu einer derartigen Darlegungspflicht (Behauptungslast) nichtstellen. Können aber bei Regelungen, bei denen – wie hier – sowohl der Wortlaut als auch die erklärte Zielsetzung des Gesetzgebers (vgl etwa die Materialien zur GSpGNov 2010, BGBl I 2010/73: 657 BlgNR 24. GP 3 [RV], 784 BlgNR 24. GP 1 [AB]) gegen die Annahme eines Unionsrechtsverstoßes sprechen, ausnahmsweise tatsächliche Umstände zu einem anderen Ergebnis führen, so hat sich diese Prüfung grundsätzlich an diesbezüglichen Parteienbehauptungen zu orientieren.

  • OGH, 20.01.2015, 4 Ob 200/14m
  • Art 56 AEUV
  • Allgemeines Wirtschaftsrecht
  • WBl-Slg 2015/101
  • § 5 GSpG

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