Haftung bei Beteiligung an einem „Shitstorm“
- Originalsprache: Deutsch
- JBLBand 146
- Rechtsprechung, 9450 Wörter
- Seiten 660 -669
- https://doi.org/10.33196/jbl202410066001
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Sowohl der vom UrhG gewährte Bildnisschutz als auch die Bestimmungen über den Datenschutz sind Persönlichkeitsrechte; sie verbriefen der betroffenen Person höchstpersönlich zustehende Rechte.
Bei einem (Digital-)Foto, auf dem die Person erkennbar ist, handelt es sich nach den Legaldefinitionen in Art 4 Nr 1 DSGVO und § 36 Abs 2 Z 1 DSG um „personenbezogene Daten“.
Eine Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten kann neben einem physischen, materiellen, auch einen immateriellen Schaden nach sich ziehen. Ausdrücklich gewähren Art 82 DSGVO und § 29 Abs 1 DSG „immateriellen Schadenersatz“ für die nachteiligen ideellen Folgen einer Datenschutzverletzung; ebenso § 87 Abs 2 UrhG für jene einer Bildnisschutzverletzung.
Schadenersatz bei Verletzung des Bildnisschutzes wird nur bei einer ernsten Beeinträchtigung des Verletzten, die den mit jeder Zuwiderhandlung verbundenen natürlichen Ärger überschreitet, zuerkannt („empfindliche“ oder „schwere Kränkung“). Für Schadenersatz nach der DSGVO besteht dagegen keine „Bagatellgrenze“ oder Erheblichkeitsschwelle. Insoweit ist auch für niederschwelligere, aus der Rechtsverletzung resultierende Gefühlsbeeinträchtigungen wie Ängste, Stress oder Leidenszustände aufgrund einer erfolgten oder auch nur drohenden Bloßstellung, Diskriminierung oder Ähnlichem Ersatz zu leisten.
Setzen alle (wohl im Regelfall zumindest fahrlässig und damit schuldhaft handelnden) Poster eines Shitstorms ein – konkret gefährliches und daher mit dem Kausalitätsverdacht belastetes – Fehlverhalten, das bis auf den strikten Nachweis der Ursächlichkeit (des gesamten aufgetretenen Schadens) alle haftungsbegründenden Elemente enthält, ist das Unaufklärbarkeitsrisiko von ihnen und nicht vom Geschädigten zu tragen. Wer sich an einem Shitstorm beteiligt, muss damit rechnen, dass er den Gesamtschaden gegenüber dem Opfer (vorweg) leisten und sich in der Folge der Mühe der Aufteilung des Ersatzes unter den anderen Schädigern unterziehen muss. Die Schädiger – konkret jeder, der über den ihm im Verhältnis zu den anderen Schädigern zukommenden Anteil am Schaden hinaus geleistet hat – sind dann damit belastet, untereinander im Wege des § 896 ABGB Regress zu nehmen. Die einzelnen Poster, die zumindest teilweise untereinander vernetzt sind und wissen, an welche „Freunde“ sie den Beitrag weitergeleitet haben, können auch ungleich leichter die Anzahl der Schädiger eruieren und den Schaden im Regressweg untereinander aufteilen.
Zwischen den Ansprüchen aus §§ 78, 87 UrhG und den §§ 6 ff MedienG besteht keine Spezialität. Die „Anrechnung“ der im Medienverfahren für die erlittene Kränkung zugesprochenen Beträge auf den Anspruch nach dem UrhG ist ein Mittel, die Konkurrenz zwischen den Ansprüchen zu entschärfen und erfüllt einen mit der Konsumtion deckungsgleicher Ansprüche vergleichbaren Zweck. Sie stellt sicher, dass keine Mehrfachinanspruchnahme erfolgt. Anderes kann auch für den Ersatz nach Art 82 Abs 1 DSGVO iVm § 29 DSG (sowohl im Verhältnis zur Entschädigung nach dem MedienG als auch zum Ersatz für die in keinem Vermögensnachteil bestehenden Nachteile nach dem Bildnisschutz) nicht gelten, zumal es auch insoweit um den (zwar) vollständigen und wirksamen Schadenersatz für den erlittenen Schaden geht, nicht aber um die Verhängung von Strafschadenersatz, hat doch auch der Schadenersatz nach der DSGVO (und nach dem DSG) nur Ausgleichs-, aber keine abschreckende oder sogar Straffunktion. Der Ersatz darf daher nicht in einer Höhe bemessen werden, die über den vollständigen Ersatz hinausgeht.
- § 36 Abs 2 Z 1 DSG
- Art 4 Nr 1 DSGVO
- OGH, 26.04.2024, 6 Ob 210/23k
- OLG Linz, 06.07.2023, 4 R 66/23p
- LG Steyr, 23.03.2023, 4 Cg 50/21t
- JBL 2024, 660
- § 29 Abs 1 DSG
- § 78 UrhG
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