Der Begriff des „Prakademikers“ ist ein aus dem Englischen importierter Neologismus, der einen Fachmann beschreibt, der in sich zwei professionelle Identitäten vereinigt: einerseits als Praktiker in ein Berufsfeld eingebunden, andererseits als jemand mit ausgewiesenen akademischen Interessen und Meriten (vgl. Posner 2009). Der kürzlich verstorbene Strafrechtler, Kriminologe, Polizeijurist, Polizeiwissenschaftler, Mentor und Dozent Dr. János Fehérváry hat sowohl im polizeipraktischen als auch im wissenschaftlichen Feld reüssiert und war in der zweiten Hälfte seiner beruflichen Karriere ein überaus signifikanter Akteur in der Entwicklung grenzüberschreitender sowie europaweiter polizeilicher Kooperation, vor allem im Aus- und Weiterbildungsbereich. Mit breitem fundiertem Wissen, unnachlässiger Disziplin und verbindlichem Geschick im kollegialen Umgang hatte er sich im heimatlichen Österreich sowie auf verschiedenen europäischen Bühnen hohes Ansehen und breite Anerkennung erarbeitet. Zusammenarbeit, Kooperation war sein ureigenstes Credo und in seinen beruflichen Stationen hat er sich immer auch als Mentor für seine unmittelbaren Mitarbeiter und nachrückende Talente unabhängig des Geschlechts ausgezeichnet.
- ISSN Online:
- 2410-745X
Inhalt der Ausgabe
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S. 3 - 3, Editorial
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S. 4 - 13, Beitrag
Detlef Nogala -
S. 14 - 32, Beitrag
Corinna Obermaier / Alexandra HeisDer Artikel präsentiert die Ergebnisse einer österreichweiten Befragung der Bediensteten polizeilicher Dienststellen und Organisationseinheiten. Auf Grund fehlender Definition clanbasierter Polykriminalität und der komplexen Datenlage, auf die in Debatten und Analysen zur Clankriminalität oftmals zurückgegriffen wird, wurden mit der vorliegenden Befragung der Exekutive polizeiliche Wahrnehmungen zu diesem Thema erhoben und empirisch ausgewertet. Die Ergebnisse geben die Erfahrungen der Polizeibediensteten wieder und zeigen somit, welche Herkunftsgruppen, Delikte und Netzwerkstrukturen diese mit Clankriminalität in Verbindung bringen. Die Befragung bietet nicht nur einen Einblick in die Wahrnehmung von clanbasierten Täterstrukturen durch Polizistinnen und Polizisten, sondern auch, was sie unter Clankriminalität verstehen und wie sie diesbezüglich die Lage in Österreich einschätzen. Die Ergebnisse der Befragung werfen zudem weitere sicherheitspolitisch relevante Fragen auf, etwa warum manche Nationen stärker mit Clankriminalität in Verbindung gebracht werden als andere oder welche Beziehungen tatsächlich für solche Gruppierungen konstitutiv sind.
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S. 33 - 45, Beitrag
Florian HartlebDer 7. Oktober 2023 stellt einmal mehr eine Zäsur im Nahost-Konflikt dar, mit Folgen für Europa. In diesen illiberal gewordenen Zeiten kann nicht oft genug betont werden: Antisemitismus ist als Ideologie der Vorurteile und des Hasses mit den Grundwerten Europas unvereinbar. Antisemitismus stellt nicht nur eine Bedrohung für jüdische Gemeinden und das jüdische Leben dar, sondern auch für eine offene Gesellschaft, für die Demokratie und die europäische Lebensweise. Daher ist Antisemitismus ein besorgniserregender Trend, der sich gerade manifestiert, auch an Universitäten und auf den Straßen. Er zeigt sich in allen Phänomenbereichen des Extremismus, ebenso in den neuen virtuellen Welten. Als besondere Herausforderung gilt gerade die Militanz im islamistischen Terrorismus, die das Risiko von Anschlägen in Europa weiter steigen lässt. Und in Zukunft wird die Vervielfältigung von antisemitischem Material durch generative Künstliche Intelligenz (KI) neue Herausforderungen an die Forschung stellen.
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S. 46 - 55, Beitrag
Richard Wallenstorfer„Es ist Teil unserer Verantwortung, all jener zu gedenken, die in den beiden Weltkriegen ihr Leben lassen mussten. Wir erinnern uns daher heute der österreichisch-ungarischen Soldaten jüdischen Glaubens im Ersten Weltkrieg als Ausdruck einer modernen und zeitgemäßen Gedenkkultur“, waren die Worte des Bundesministers für Inneres, Mag. Gerhard Karner, bei der Wiedereröffnung der jüdischen Kriegsgräberanlage am Wiener Zentralfriedhof. Mit dieser Rede brachte der Minister eine Verantwortung des Bundesministeriums für Inneres zum Ausdruck, die neben brisanten Sicherheitsthematiken in der öffentlichen Wahrnehmung meist in den Hintergrund rückt. Es handelt sich um die Verpflichtung der Republik Österreich, die Kriegsgräber der beiden Weltkriege in würdiger Weise zu erhalten und zu pflegen. Wenngleich dies wenig bekannt sein mag, ist jene Verpflichtung von so großer Bedeutung, dass diese im Staatsvertrag verankert wurde und eine Abteilung des Innenministeriums permanent mit der Sanierung von bestehenden Anlagen, der Recherche und Ausforschung noch nicht gefundener Gräber sowie einem diesbezüglichen internationalen Austausch betraut ist. Der Wiedereröffnung der jüdischen Kriegsgräberanlage, im Gedenken an 110 Jahre Ausbruch Erster Weltkrieg, durch den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, den Innenminister und die Verteidigungsministerin ging eine umfassende Sanierung und intensive historische Aufarbeitung der Anlage voraus. Zweck hiervon war es, nicht nur die dort beigesetzten gefallenen jüdischen Soldaten zu würdigen, sondern auch die Lebenswelt derselben in der k.u.k. Armee und deren weitgehend unbekannte besondere Bedeutung im Ersten Weltkrieg in das Licht der Gegenwart zu rücken.
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S. 59 - 65, Beitrag
Mario BreussDie Covid-Pandemie hat dazu geführt, dass auch Polizeibeamtinnen und -beamte privat an Versammlungen teilgenommen und gegen die einschränkenden Maßnahmen demonstriert haben. Während die rein private Teilnahme von Seiten der Disziplinarbehörden nicht als problematisch beurteilt wurde, traten mit Fortgang der Pandemie Gruppen von Polizeibeamtinnen und -beamten bei solchen Versammlungen auf, die sich aktiv einen Sticker mit der Aufschrift „Kritischer Polizist“ auf ihre Oberkleidung hefteten und sich zudem der Öffentlichkeit gegenüber mit einem über den Köpfen weithin sichtbar getragenen Banner als Polizistinnen und Polizisten zu erkennen gaben. Die Frage der disziplinären Verantwortlichkeit eines solchen Verhaltens wurde von mehreren Behörden und Gerichten unterschiedlich beurteilt. Erst ein Erkenntnis des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) nach eingebrachter Revision durch den Disziplinaranwalt brachte abschließend Klarheit. Es handelte sich bei dieser Verhaltensweise nicht mehr um eine zulässige sachliche Kritik, sondern um einen unsachlichen (da unnötigen) Hinweis auf die dienstliche Stellung der privat demonstrierenden Polizeibeamtinnen und -beamten, der bei objektiver Betrachtung geeignet war, Bedenken an der Unparteilichkeit, Korrektheit und Uneigennützigkeit des Amtes auszulösen, zumal Polizeibeamtinnen und -beamte die Einhaltung der Pandemiebeschränkungen sicherzustellen hatten. Ein solches Verhalten ist somit als Dienstpflichtverletzung zu werten, das disziplinäre Folgen nach sich zieht.
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S. 66 - 75, Beitrag
Rifat BüyükyorulmazDer Artikel beleuchtet die Herausforderungen und rechtlichen Rahmenbedingungen, die mit der modernen Öffentlichkeitsfahndung, insbesondere der Internetfahndung, verbunden sind. Öffentlichkeitsfahndung bedeutet die aktive Einbindung der Bevölkerung bei der Suche nach Personen oder Gegenständen. In der heutigen Zeit nimmt die Nutzung digitaler Plattformen und sozialer Medien bei der polizeilichen Fahndung eine zentrale Rolle ein. Diese Methode ermöglicht eine schnelle und weiträumige Verbreitung von Informationen, birgt jedoch auch erhebliche Risiken für den Schutz der Persönlichkeitsrechte. Der Beitrag untersucht die rechtlichen Grundlagen der Internetfahndung in Österreich, die durch verschiedene Gesetze wie die Strafprozessordnung (StPO), das Datenschutzgesetz (DSG) und das Sicherheitspolizeigesetz (SPG) geregelt sind. Ein besonderer Fokus liegt auf dem Schutz personenbezogener Daten und der Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und dem Schutz der betroffenen Personen. Die Veröffentlichung von Bildern oder persönlichen Informationen darf nur dann erfolgen, wenn sie für die Fahndung notwendig und verhältnismäßig ist. Zudem wird die Bedeutung von datenschutzkonformen Maßnahmen wie der „Link-Lösung“ betont, um die Kontrolle über die Verbreitung sensibler Informationen zu behalten. Der Artikel fordert eine sorgfältige Planung und strenge Einhaltung rechtlicher Vorgaben, um eine Balance zwischen der Effektivität der Fahndung und dem Schutz der individuellen Rechte zu gewährleisten.
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S. 78 - 91, Beitrag
Rebecca Hof / Najwa Duzdar / Helmut Sax / Katharina Beclin / Claudia Neururer / Maryam AlemiDie FORMA-Studie liefert eine umfassende Analyse des Phänomens Zwangsverheiratungen in Österreich und untersucht, in welchen Kontexten dem Phänomen bzw. potentiell Betroffenen mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte. Im Fokus stehen die (migrations-)rechtlichen, sozialen und persönlichen Herausforderungen, denen Betroffene gegenüberstehen. Neben der Auswertung des nationalen und internationalen Rechtsrahmens wurden über 300 Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts analysiert, die Zwangsheirat als Fluchtgrund thematisieren. Einen bedeutenden Teil der Studie stellt die Aktenanalyse von rund 130 Fallakten des Vereins Orient Express dar, die Beratungsfälle von betroffenen Frauen und Mädchen dokumentieren. Aus dieser Aktenanalyse wurden wichtige Erkenntnisse über spezifische Warnsignale und Ursachen von Zwangsverheiratungen abgeleitet. Die Ergebnisse zeigen auf, dass Zwangsverheiratungen häufig mit sozialen und familiären Macht- und Abhängigkeitsverhältnissen verknüpft sind, und verdeutlichen den Bedarf nach effektiveren Schutz- und Präventionsmaßnahmen. Der vorliegende Artikel fasst die wichtigsten Erkenntnisse und daraus abgeleitete Empfehlungen zusammen, die sowohl legistische Maßnahmen als auch die praktische Umsetzung von Opferschutz und Prävention betreffen. Dazu zählen die Sensibilisierung und Schulung von Behörden sowie ein stärkerer Fokus auf multiprofessionelle Ansätze im Schutzsystem.
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S. 94 - 95, Autoren
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S. 98 - 99, Rezension
Ludwig Zwickl -
S. 100 - 101, Rezension
Armin Pfahl-Traughber -
S. I - VII, Beilage
Mathias Vogl / Gregor Wenda / Theodor Thanner