Zum Hauptinhalt springen
JBL

Heft 11, November 2024, Band 146

eJournal-Heft
  • ISSN Online: 1613-7639

60,00 €

inkl MwSt

Sofortiger PDF-Download

Inhalt der Ausgabe

S. 689 - 698, Aufsatz

Lukas Herndl

Gesellschafterhaftung bei eingetragenen Personengesellschaften im Spannungsfeld von Unternehmens- und Insolvenzrecht

Die allgemeinen Regeln der Gesellschafterhaftung bei eingetragenen Personengesellschaften werden durch spezielle Haftungsbestimmungen in der IO modifiziert. Diese gehen auf eine ältere Rechtsschicht zurück und verankern ein bereits überwunden geglaubtes Haftungsmodell im geltenden Recht. Der vorliegende Beitrag erläutert die Funktionsweise dieser Bestimmungen und ihre Bedeutung für die Haftungsordnung von OG und KG.

S. 707 - 708, Aufsatz

Christian Kopetzki / Ewald Wiederin / Christoph Grabenwarter

Günther Winkler †

S. 710 - 715, Rechtsprechung

Ermächtigung zur kollektivvertraglichen abweichenden Regelung von Kündigungsfristen in Branchen mit (überwiegend) Saisonbetrieben weder unbestimmt noch gleichheitswidrig

Die Voraussetzungen der Ermächtigung zur kollektivvertraglichen Regelung abweichender Kündigungsfristen in Branchen, in denen Saisonbetriebe überwiegen, sind hinreichend bestimmt iS des Art 18 B-VG. Die mangelnde Bestimmtheit wird weder dadurch begründet, dass sich faktische Umstände rechtserheblicher Akte ändern können und es damit im Zeitverlauf zu einer Rechtswidrigkeit kommen kann, noch dadurch, dass faktische Schwierigkeiten bei der Erhebung und Auswertung des Datenmaterials zum Nachweis der Geltung der kollektivvertraglichen Abweichung bestehen können.

Vor dem Hintergrund der Zielsetzungen im kollektiven Arbeitsrecht, einheitliche Mindestbedingungen für die zu einer Branche gehörenden Betriebe zu erreichen, verstoßen die in einer Durchschnittsbetrachtung auf eine Branche in ihrer Gesamtheit abstellenden, an „Mehrheitsverhältnisse“ anknüpfenden Regelungen auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz.

S. 715 - 717, Rechtsprechung

Kosten der Erhaltung einer nur noch dem Nachbargebäude dienenden Wand im Rahmen einer Hausservitut

Die Kosten, die mit Herstellung und Erhaltung der zur Dienstbarkeit bestimmten Sache verbunden sind, hat grundsätzlich der Servitutsberechtigte zu tragen. Nur wenn die dienstbare Sache auch vom Verpflichteten oder weiteren Berechtigten benützt wird, haben alle Nutzer entsprechend dem quantitativ und qualitativ zu bemessenden Anteil ihrer Benützung den dazu nötigen Aufwand mitzutragen. Auch wenn der Dienstbarkeitsbelastete den Aufwand aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Vorschrift tätigt, kann er letztlich nach § 483 ABGB allein vom Servitutsberechtigten zu ersetzen sein.

Hat ein Dienstbarkeitsbelasteter den Aufwand, der nach den Grundsätzen des § 483 ABGB dem Berechtigten obliegt, allein getragen, kann er dafür nach § 1042 ABGB Ersatz fordern.

S. 717 - 718, Rechtsprechung

Analoge Anwendung von § 74 NO bei gerichtlichen schriftlichen Testamenten

Der letztwillig Verfügende selbst oder ein von diesem mit beglaubigter Spezialvollmacht ausgestatteter Bevollmächtigter kann die Rückgabe des gerichtlichen schriftlichen Testaments zu Lebzeiten des letztwillig Verfügenden verlangen. Über diese Rückgabe ist ein entsprechendes gerichtliches Protokoll anzufertigen, sodass eine persönliche Anwesenheit des letztwillig Verfügenden oder seines Bevollmächtigten, der die Spezialvollmacht im Original vorzulegen hat, bei Gericht erforderlich ist (hier: Ausfolgung des Testaments zu Lebzeiten des Testators).

S. 718 - 721, Rechtsprechung

Pflichtteilsbemessung bei Tod eines Eigentümerpartners und reduziertem Übernahmspreis

Die Anwachsung der Hälfte der Eigentumswohnung ist, soweit der überlebende Wohnungseigentumspartner keinen Übernahmspreis zu zahlen hat, wie sonstige Zuwendungen auf den Todesfall in dessen allfälligen Pflichtteil gemäß § 780 Abs 1 ABGB analog einzurechnen. Dies bedeutet im Anwendungsbereich des § 14 Abs 3 S 2 WEG, dass der Anwachsungsberechtigte sich die ihm ohne zu leistenden Ausgleich zugutekommende Anwachsung in Höhe von einem Viertel des Werts des (gesamten) Mindestanteils auf seinen Pflichtteil einrechnen lassen muss. Eine Einbeziehung des gesamten Übernahmspreises in die Pflichtteilsberechnungsgrundlage ist aus methodischen Gründen nicht zulässig.

S. 721 - 723, Rechtsprechung

Schlüssiger Vertragsschluss mit Betreiber einer Impfstraße

Bei Impfstraßen kann ein ärztlicher Behandlungsvertrag über eine Covid-Schutzimpfung zwischen dem Betreiber einer Impfstraße und der zu impfenden Person schlüssig zustande kommen. Dies ist zu bejahen, wenn sich der Betreiber um den Ablauf kümmert, die Infrastruktur zur Verfügung stellt, die Impfärzte im Namen des Betreibers auftreten und gegenüber der zu impfenden Person klargestellt wird, dass der Betreiber die Impfstelle ist. Das Zustandekommen hängt nicht davon ab, ob einer der Vertragspartner dabei wegen (oder im Rahmen) vertraglicher Beziehungen zu einem Dritten handelt.

S. 723 - 727, Rechtsprechung

Rudolf Reischauer

Keine Abwehr der Preisminderung durch Berufung auf gemeinsamen Irrtum

Hat der gewährleistungsberechtigte Käufer von seinem Wahlrecht nach § 932 Abs 4 ABGB Gebrauch gemacht und fordert er vom gewährleistungsverpflichteten Verkäufer Preisminderung, kann der Verkäufer diesem Anspruch nicht die Einrede des gemeinsamen Irrtums entgegenhalten.

S. 727 - 728, Rechtsprechung

Zurückbehaltungsrecht bei Ratenplan nach § 10 BTVG

Das Zurückbehaltungsrecht des Erwerbers nach § 1052 ABGB in Hinblick auf einen Ratenplan nach § 10 BTVG kann sich auch auf frühere als die letzte der Raten erstrecken. Die Zahlung entsprechend einem Ratenplan ist zwar an das Zug-um-Zug-Prinzip angelehnt, aber dennoch stehen die einzelnen Leistungen nicht in funktionellem Synallagma zu den Raten.

Vorrangiges Ziel des BTVG ist das Vorauszahlungsrisiko des Erwerbers durch Sicherungspflichten des Bauträgers weitgehend auszuschalten und so den Konsumentenschutz in einem speziellen Bereich der Immobilienbranche zu stärken

S. 728 - 735, Rechtsprechung

Stefan Königshofer / Gernot Murko

Zur Substitution im Notariat

Der Notarsubstitut übernimmt – im Gegensatz zum Notariatssubstituten und unabhängig von der Bestellungsform – neue Aufträge im Namen und auf Rechnung des Notars (§ 123 Abs 1 letzter Satz NO idF Art I Z 24 BRÄG 2008); dies gilt auch für die Tätigkeit des Notarsubstituten im Rahmen von „Altaufträgen“, die der Notar vor Eintritt des Substitutionsfalls übernommen hat. Die dem Notar erteilten Vollmachten gelten gemäß § 123 Abs 1 S 2 NO auch für den „Substituten“; diese Vorschrift ist im Wesentlichen nur für Notarsubstituten relevant, weil die Aufträge mit der Verwaisung der Notarstelle jedenfalls erlöschen.

Das BRÄG 2008 ordnet keine Rückwirkung des dadurch geänderten § 123 Abs 1 NO an. Die Materialien zum BRÄG 2008 in Bezug auf die dadurch abgeänderte Bestimmung des § 123 Abs 1 NO sind auch keine rückwirkende authentische Interpretation.

Ein rechtliches Interesse ist (materielle) Voraussetzung jedes Feststellungsbegehrens. Es besteht, wenn ein aktueller Anlass zur präventiven Klärung des strittigen Rechtsverhältnisses vorliegt, so unter anderem bei objektiver Ungewissheit über den Bestand eines Rechts, etwa wenn dieses vom Beklagten ernsthaft bestritten wird (hier: Feststellung der Haftung eines Notar[-Substitut]s dafür, dass eine Vorausvereinbarung über die Aufteilung ehelicher Ersparnisse oder der Ehewohnung nicht in Notariatsaktform geschlossen wurde).

S. 735 - 740, Rechtsprechung

Schutzgesetzeigenschaft von § 100 Abs 2 StPO und § 6 Abs 1 Z 2 PStSG, § 22 SPG

Die Regelungen zur Abwehr konkreter Gefahren durch Maßnahmen der Sicherheitspolizei und zur Berichterstattung nach § 100 Abs 2 StPO dienen auch dem Schutz von Personen, die aufgrund der Verletzung dieser Pflichten einen Schaden an absolut geschützten Rechten und Rechtsgütern erlitten haben.

S. 740 - 741, Rechtsprechung

Örtliche Zuständigkeit bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet nach § 92b JN

Der Gesetzgeber wollte mit § 92b JN eine innerstaatliche Parallelnorm zu Art 7 Nr 2 Brüssel Ia-VO (EuGVVO 2012) für jene Fälle schaffen, die nicht in den Anwendungsbereich der Brüssel Ia-VO fallen.

Nach § 92b JN kann eine Person eine Klage wegen behaupteter Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet (hier: Facebook-Seite) auf Ersatz des gesamten entstandenen Schadens sowie auf Widerruf unwahrer und beleidigender Äußerungen einschließlich deren Veröffentlichung entweder vor dem (sachlich zuständigen) Gericht des Ortes, an dem der Urheber dieser Inhalte seinen Wohnsitz oder Sitz hat, oder vor dem (sachlich zuständigen) Gericht des Ortes, an dem sich der Mittelpunkt ihrer Interessen befindet, erheben.

S. 741 - 743, Rechtsprechung

Wiederholte Strafverfolgung durch Einstellung des „Strafverfahrens“

Eine von der StA unbekämpft gebliebene Nichterledigung der Anklage kommt einem Freispruch gleich. Ein Beschluss auf vorläufige Einstellung des „Strafverfahrens“ gemäß §§ 35 ff SMG betreffend insoweit nichterledigte Taten verletzt den in § 17 Abs 1 StPO normierten Grundsatz des Verbots wiederholter Strafverfolgung.

S. 743 - 744, Rechtsprechung

Raub: Einsatz „räuberischer Mittel“ nach Herauslocken der fremden Sache

Eine Tat ist bei von vornherein auf die Anwendung räuberischer Mittel zum Zweck der Wegnahme oder des Abnötigens einer Sache gerichtetem Tätervorsatz als Raub zu beurteilen, wenn der Täter dem Opfer die Beute unter einem Vorwand herauslockte und die unmittelbar nachfolgende Anwendung der räuberischen Mittel gegen den zu erwartenden Widerstand des Opfers einkalkulierte.

S. 744 - 751, Rechtsprechung

Meinungsäußerung auf einer Hotelbewertungsplattform

Die Wahrnehmung des Rechts auf Meinungs- und Informationsfreiheit kann ein berechtigtes Interesse iS des Art 6 Abs 1 lit f DSGVO darstellen. Die Meinungsäußerungsfreiheit erfasst sowohl das Recht von Empfängern von Dienstleistungen, ihre Meinung zur Qualität von Dienstleistungen und damit in Zusammenhang stehend auch zum Verhalten der für die Leistungserbringung verantwortlich zeichnenden natürlichen Personen zu äußern, als auch das Recht von potenziellen zukünftigen Empfängern derartiger Dienstleistungen, von diesen Meinungsäußerungen Kenntnis zu nehmen. Eine die Abgabe von Meinungsäußerungen sowie eine strukturierte Suche danach ermöglichende Plattform dient der Ausübung der Meinungsäußerungsfreiheit; die damit verbundene Verarbeitung personenbezogener Daten ist somit grundsätzlich zur Wahrung eines berechtigten Interesses (iS des Art 6 Abs 1 lit f DSGVO) erforderlich. Es ist keine sachliche Rechtfertigung dafür ersichtlich, das Recht auf Ausübung der Meinungsäußerungsfreiheit auf solche Plattformen zu beschränken, über die die zu bewertenden Leistungen gebucht worden sind (und damit eine Meinungsäußerung auf reinen Bewertungsplattformen nicht als berechtigtes Interesse anzuerkennen).

Nach der Rsp des EuGH stellt das Kriterium der Schwere der Beeinträchtigung der Rechte und Freiheiten der betroffenen Person einen wesentlichen Gesichtspunkt der Abwägung im Einzelfall dar; dabei ist der Art der in Rede stehenden personenbezogenen Daten und ihrer möglicherweise sensiblen Natur Rechnung zu tragen. Der OGH hat wiederum anerkannt, dass im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen ist, in welche Sphäre der Persönlichkeit eingegriffen wird, und dabei der Sozialsphäre, in welcher der Betroffene als in Gemeinschaft stehender Mensch in Kommunikation mit Außenstehenden tritt, keinen so weitgehenden Schutz zuerkannt wie dem höchstpersönlichen Lebensbereich.

Der VwGH schließt sich dieser Auffassung an. Auf einer Bewertungsplattform abgegebene Bewertungen betreffend das Auftreten der Hotelbetreiber sind der Sozialsphäre (der beruflichen Sphäre) und nicht der privaten oder häuslichen Sphäre der Betroffenen zuzuordnen.

Zwar kann das Interesse am Schutz personenbezogener Daten, die das Auftreten am Markt zum Inhalt haben, herabgesetzt sein, dennoch besteht ein großes Interesse an der Richtigkeit der veröffentlichten Daten. An der Verarbeitung unrichtiger Daten kann nämlich kein berechtigtes Interesse bestehen. Zwar kann eine Meinung als solche nicht am Maßstab der (Un-)Richtigkeit gemessen werden, allerdings ist ein Schutz vor „fiktiven Bewertungen“ (ohne tatsächliche Inanspruchnahme der Dienstleistung) anzuerkennen.

Der Umstand, dass die Verantwortliche die Identität der Nutzer vor Abgabe einer Bewertung nicht überprüft, ist bei der Interessenabwägung nach Art 6 Abs 1 lit f DSGVO in Anschlag zu bringen. Ein genereller Ausschluss anonymer Bewertungen wäre aber unzulässig. Ausgehend davon kann aber auch das Fehlen einer Prüfung der Bewertung vor ihrer Veröffentlichung – und damit der Umstand, dass eine betroffene Person möglicherweise für eine gewisse Zeit auch die Bereithaltung missbräuchlicher Bewertungen hinnehmen muss – für sich allein noch nicht die Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung nach sich ziehen.