Das moderne Vertragsrecht ist durch immer bedeutsamere Internationalisierungstendenzen geprägt. Träger dieser Entwicklung ist in Europa in erster Linie die EU, über Europa hinaus sind es weniger offizielle Rechtsakte, wie vor allem das CISG, als vielmehr „autonome“ Entwicklungen der stark durch das Common Law geprägten „transnationalen“ unternehmerischen Vertragspraxis, welche die Szene beherrschen. Nach einer Einführung in diese und andere Charakteristika des modernen Vertragsrechts geht der Beitrag auf einzelne Hauptprobleme bei der Anwendung des CISG und der UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts (UPICC) sowie auf die neuesten Entwicklungen im EU-Vertragsrecht ein. Abschließend wird vor dem Hintergrund dieser internationalen Tendenzen auf einige Besonderheiten des schweizerischen Vertragsrechts eingegangen.
- ISSN Online: 1613-7639
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Inhalt der Ausgabe
S. 750 - 762, Aufsatz
Internationale, europäische und schweizerische Perspektiven des Vertragsrechts
Die Globalisierung des Rechts macht auch vor Verfassungen nicht Halt: Abendländische Verfassungen, darunter auch die österreichische, sind reich an kosmopolitischen Facetten, die ihre Teilhabe an der europäischen und Weltrechtsordnung bezeugen. In seinem rezenten Erkenntnis zur EU-Grundrechte-Charta (GRC) setzte der VfGH einen Meilenstein als „euro-kosmopolitisches“ Verfassungsgericht. Angesichts verschiedener diskussionswürdiger Fragen und Unvorhersehbarkeiten, die mit dieser Entscheidung verbunden sind, muss jedoch vor weiteren „kosmopolitischen“ Schritten durch die Rsp gewarnt werden.
Das Fehlen der Möglichkeit gerichtlicher Überprüfung im Gefolge der Anordnung des § 166 S 1 ABGB stellt eine den Schranken des Art 14 iVm Art 8 MRK unterliegende Ungleichbehandlung im Hinblick auf die Achtung des Familienlebens dar.
Eine unmittelbare Verpflichtung der Republik Österreich und ihrer Organe zur Befolgung eines endgültigen Urteils des EGMR (Art 46 MRK) erfließt diesbezüglich nur aus dessen Urteil vom 3.2.2011, 35.637/03 (Sporer/Österreich), nicht aus dem Urteil vom 3.12.2009, 22.028/04 (Zaunegger/Deutschland).
Die angefochtene Regelung wäre nur mit Art 14 iVm Art 8 MRK vereinbar, wenn dem Vater eines unehelichen Kindes die Möglichkeit eröffnet wäre, im Rahmen einer wirksamen gerichtlichen Überprüfung die Obsorge nicht nur in Fällen der Zustimmung der Mutter zu erlangen, sofern dies im Interesse des Kindeswohls läge. Eine solche Möglichkeit besteht nach geltendem Recht nicht. Insbesondere bietet § 176 Abs 1 ABGB keine Rechtsgrundlage für eine konventionskonforme Überprüfung und eine allfällige vom gesetzlichen Grundsatz des § 166 S 1 ABGB abweichende Regelung.
Durch die Bestimmung des § 166 S 1 ABGB kommt es zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung des Vaters eines unehelichen Kindes sowohl gegenüber der Mutter dieses Kindes als auch gegenüber Vätern ehelicher Kinder. Diese Bestimmung verstößt daher gegen Art 14 iVm Art 8 MRK.
S. 788 - 794, Rechtsprechung
Beweislast des durch Beratungsfehler bei der Vermögensanlage Geschädigten für Wahl und Entwicklung der hypothetischen Alternativanlage
Schon bei der Definition und Ermittlung des „realen Schadens“ des Anlegers ist die hypothetische Alternativanlage einzubeziehen. Den damit verbundenen Schwierigkeiten bei der Naturalrestitution kann der Kläger durch Erhebung einer Feststellungsklage ausweichen. Parallel zum umfassend verstandenen „realen“ Schaden ist als rechnerischer Schaden der zu einem bestimmten Termin bestehende Unterschied zwischen tatsächlichem und hypothetischem Vermögensstand unter Berücksichtigung der Alternativanlage anzusehen.
An der jüngeren Rsp, wonach die Behauptungs- und Beweislast für die Wahl und die Entwicklung der hypothetischen Alternativanlage – also des Minuenden bei der Ermittlung des rechnerischen Schadens – den Anleger trifft, wird festgehalten.
Da konkrete Angaben und (daher) Feststellungen zur hypothetischen Alternativanlage nur schwer möglich sind, wenn eine höhere Risikobereitschaft bestand, genügt die Feststellung, für welche Anlageart sich der Geschädigte bei ordnungsgemäßer Beratung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit entschieden hätte.
S. 794 - 795, Rechtsprechung
Schutzzweck der Bestimmungen der StPO über die Untersuchung von Leichen
Für die Folgen eines unrichtigen Gutachtens haften gerichtlich bestellte Sachverständige nach den allgemeinen Regeln persönlich und zwar nicht nur den Parteien, sondern auch Dritten, wenn deren Interessen vom Schutzzweck der gerichtlichen Bestellung erfasst werden. Nicht alle Normen der StPO dienen auch dem Schutz des durch eine Straftat Geschädigten. Vielmehr ist bei jeder einzelnen Norm der StPO nach dem Normzweck zu fragen, der sich aus der wertenden Beurteilung des Sinns der Vorschrift ergibt.
§ 127 Abs 1 StPO idF vor dem StPRG (BGBl I 2004/19) ordnete die Vornahme von Leichenbeschau und -öffnung an, wenn bei einem Todesfall zweifelhaft war, ob der Tod durch ein Verbrechen oder ein Vergehen verursacht worden ist. Das Interesse naher Angehöriger eines Getöteten, Gewissheit zu haben, ob dieser Opfer einer Straftat war, ist ohne Zweifel legitim. Der vorrangige Zweck des Strafverfahrensrechts liegt aber grundsätzlich in der Durchsetzung des dem Staat vorbehaltenen Strafverfolgungsanspruchs, nicht aber darin, nahen Angehörigen Aufwendungen zu ersparen, die ihnen durch Privatermittlungen entstehen. Vor diesen Schäden sollen die Bestimmungen der StPO über die Untersuchung von Leichen daher nicht schützen.
Anhaltende Zweifel von Eltern am Ergebnis eines Obduktionsgutachtens, das die Ursache des Todes ihres Kindes nicht klärte, sind bei objektiv-typisierender Betrachtung in ihrer Eignung, einen „Schockschaden“ herbeizuführen, mit den Fällen eines unerwarteten Todes-/Verletzungsfalls nicht gleichzusetzen.
S. 795 - 800, Rechtsprechung
Abgrenzung von verbundenen Kreditverträgen, Zahlungsaufschüben und Teilzahlungsverträgen über wiederkehrende Leistungen nach neuem Verbraucherkreditrecht
Unter Zahlungsaufschub iSd § 25 VKrG wird das vertragliche Hinausschieben der Fälligkeit oder der Durchsetzbarkeit der gegen den Verbraucher gerichteten (Geld-) Forderung zu seinen Gunsten durch Vereinbarung eines vom dispositiven Recht abweichenden Fälligkeitszeitpunkts oder Modifikation sonstiger dispositiver Leistungsmodalitäten, verbunden mit der Begründung einer Vorausleistungspflicht des Unternehmers oder der Abbedingung einer gesetzlichen Vorausleistungspflicht des Verbrauchers verstanden. Auch der Zahlungsaufschub muss „entgeltlich“ sein.
Vom Anwendungsbereich des § 25 VKrG sind Teilzahlungsverträge über wiederkehrende Leistungen ausgenommen, weil ihnen keine Kreditierungsfunktion zukommt. Voraussetzung ist, dass der Verbraucher für die Dauer der Erbringung oder Lieferung Teilzahlungen für diese Dienstleistungen oder Waren leistet. Beträgt die Lehrgangsdauer 18 Monate, der „Zahlungsplan“ hingegen 27 Monate, so kann nicht davon gesprochen werden, dass der Verbraucher für die Dauer der Erbringung der Dienstleistung Teilzahlungen leistet.
Bei fehlender oder mangelhafter Belehrung über das Rücktrittsrecht wird die Rücktrittsfrist des § 12 VKrG nicht in Gang gesetzt und kann daher auch nicht ablaufen. Dies gilt auch, wenn wesentliche Punkte, deren Kenntnis die Entscheidung des Verbrauchers über die Ausübung oder Nichtausübung des Rücktrittsrechts potentiell beeinflussen kann, fehlen.
S. 800 - 804, Rechtsprechung
Parteien des Schiedsrichtervertrags bei institutionellem Schiedsverfahren nach den „Wiener Regeln“
Für die Beurteilung, ob trotz Einschaltung einer Schiedsinstitution eine direkte Vertragsbeziehung zwischen den Schiedsrichtern und den Schiedsparteien zustande kommt, ist die konkrete Ausgestaltung der Schiedsordnung maßgebend. Ein wesentliches Element dafür, ob die Schiedsrichter im Auftrag der Parteien oder der Institution handeln, ist der Einfluss der Institution auf deren Bestellung.
Wurde die Zuständigkeit des Internationalen Schiedsgerichts der Wirtschaftskammer Österreich vereinbart, so kommt der Schiedsrichtervertrag nach der Schiedsordnung dieser Institution (Schieds- und Schlichtungsordnung des Internationalen Schiedsgerichts der Wirtschaftskammer Österreich = „Wiener Regeln“) zwischen den Schiedsparteien und dem oder den Schiedsrichter/n zustande.
S. 804 - 808, Rechtsprechung
Anfechtung eines „Gläubigerwechsels“; Beweislast für die Nachteiligkeit
Die Anfechtung eines Gläubigerwechsels ist nur dann befriedigungstauglich, wenn der neue Gläubiger zur Deckung seiner (Rückgriffs-)Forderung aus einer besseren Rechtsstellung heraus auf das Vermögen des Schuldners zugreifen kann als der von ihm befriedigte Altgläubiger.
Die Deckungsanfechtung erfordert kumulativ den vom Masseverwalter zu erbringenden Nachweis einer – zumindest mittelbaren – Gläubigerbenachteiligung und der Befriedigungstauglichkeit des Anfechtungsanspruchs.
Die Maßnahme nach § 21 Abs 1 StGB ist auch anzuordnen, wenn eine stationäre Anhaltung zur Verhinderung der Prognosetat nicht erforderlich ist, die Unterbringungsanordnung jedoch nach Maßgabe der (normativ verstandenen) Gefährlichkeit, wie sie sich nach den gesetzlich abgegrenzten Erkenntnisquellen darstellt, gerechtfertigt ist. Wird eine bestehende Gefährlichkeit durch eine medikamentöse oder andere Behandlung lediglich hintangehalten, aber nicht dauerhaft beseitigt, und verlangt deren weitere Eindämmung die Fortsetzung der Behandlung, steht die solcherart durch Therapie lediglich unter Kontrolle gebrachte Gefährlichkeit einer Anwendung der Bestimmung des § 21 Abs 1 StGB nicht entgegen.
Nur wenn zwischen Anlasstat und Hauptverhandlung ein (von den Behandlungsaussichten zu unterscheidender) Behandlungserfolg eintritt, der die Gefährlichkeit in einem Maß reduziert erscheinen lässt, dass von einer Unterbringung im Maßnahmenvollzug Abstand genommen werden kann, so liegt gar kein Fall einer Unterbringung nach § 21 StGB vor.
S. 809 - 809, Rechtsprechung
Voraussetzungen für die Aussetzung des Vollstreckungsverfahrens nach Art 23 EuVTVO
Maßgebend für die Ermessensentscheidung nach Art 23 EuVTVO (Aussetzung des Vollstreckungsverfahrens) sind die Erfolgsaussichten des im Ursprungsmitgliedstaat eingelegten Rechtsbehelfs sowie die Wahrscheinlichkeit, dass eine bedingungslose Zwangsvollstreckung einen nicht wieder gutzumachenden Schaden verursachen würde. Die Verpflichtete hat entsprechend §§ 42 ff EO in ihrem Antrag auf Aussetzung alle für dessen Bewilligung maßgebenden tatsächlichen Behauptungen aufzustellen und auch zu bescheinigen.
S. 809 - 809, Rechtsprechung
Anspruch auf „Bestätigung bzw Feststellung der Pflegeelterneigenschaft“?
Die Pflegeelterneigenschaft nach § 186 ABGB ist kraft Gesetzes gegeben, wenn die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale, nämlich die geforderte persönliche, emotionale Beziehung einerseits und die tatsächliche (gänzliche oder teilweise) Besorgung der Pflege und Erziehung andererseits vorliegen. Maßgebend sind die faktischen Verhältnisse. Ein Anspruch auf „Bestätigung bzw Feststellung der Pflegeelterneigenschaft“ kann weder aus § 186 ABGB noch aus § 186 AußStrG abgeleitet werden.
Zukünftige Schäden aufgrund eines vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetretenen Ereignisses sind als Insolvenzforderung geltend zu machen. Eine Klage auf Feststellung (§ 228 ZPO), dass die (allgemeine) Masse für solche Schäden hafte, ist nicht zulässig. Behauptet der Kläger aber ein Absonderungsrecht nach § 157 VersVG, so kann er die Feststellung begehren, dass der Insolvenzverwalter für zukünftige Schäden mit dem Deckungsanspruch hafte.
Nach § 119 S 3 AußStrG endet die Vertretungsbefugnis des Verfahrenssachwalters nicht bereits mit dem Zeitpunkt, in dem die Bevollmächtigung eines von der betroffenen Person selbst gewählten Vertreters dem Gericht angezeigt wird. Der Beschluss des Gerichts, mit dem der Verfahrenssachwalter enthoben wird, wirkt konstitutiv.
S. 810 - 812, Rechtsprechung
Versuch und Vollendung der Abgabenhinterziehung; Doppelverwertungsverbot
Die aggravierende Wertung des Zusammentreffens mehrerer Finanzvergehen verstößt nicht gegen das – gem § 23 Abs 2 letzter Satz FinStrG auch im Finanzstrafverfahren zu beachtende – Doppelverwertungsverbot des § 32 Abs 2 S 1 StGB. Die Summe der Verkürzungsbeträge, nicht jedoch der Umstand des Zusammentreffens bestimmt die Strafdrohung.
Werden bescheidmäßig festzusetzende Abgaben durch Nichtabgabe von Jahressteuererklärungen verkürzt, ist die Tat grundsätzlich mit dem Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist vollendet. Kommt es danach zur bescheidmäßigen Abgabenfestsetzung in der richtigen Höhe, prävaliert § 33 Abs 3 lit a Fall 1 FinStrG, womit die Tat ins Versuchsstadium zurücktritt. Bescheidmäßige Abgaben sind (erst) mit Rechtskraft des diesbezüglichen Bescheids festgesetzt.
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