Die folgende Untersuchung widmet sich der Rechtsnatur und dem Inhalt des gerichtlichen Vergleichs. Insbesondere wird auf die hA eingegangen, die zwischen prozessualen und materiellen Fehlern des Prozessvergleichs differenziert und davon abhängig macht, ob das Ursprungsverfahren fortgesetzt oder ein neues Verfahren eingeleitet werden kann. Hier wird eine andere Lösung aufgezeigt.
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Inhalt der Ausgabe
S. 771 - 778, Aufsatz
Gesellschafterhaftung bei eingetragenen Personengesellschaften im Spannungsfeld von Unternehmens- und Insolvenzrecht
1. Art 4 Abs 1 lit c RL 2016/680/EU ist im Licht von Art 7 und 8 sowie von Art 52 Abs 1 GRC dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, die den zuständigen Behörden die Möglichkeit gibt, zum Zweck der Verhütung, Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von Straftaten im Allgemeinen auf die auf einem Mobiltelefon gespeicherten Daten zuzugreifen, nicht entgegensteht, wenn diese Regelung
die Art oder die Kategorien der betreffenden Straftaten hinreichend präzise definiert,
die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gewährleistet und
die Ausübung dieser Möglichkeit, außer in hinreichend begründeten Eilfällen, einer vorherigen Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle unterwirft.
2. Art 13 und 54 RL 2016/680/EU sind im Licht von Art 47 und von Art 52 Abs 1 GRC dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die es den zuständigen Behörden gestattet, zu versuchen, auf Daten zuzugreifen, die auf einem Mobiltelefon gespeichert sind, ohne die betroffene Person im Rahmen der einschlägigen nationalen Verfahren über die Gründe, auf denen die von einem Gericht oder einer unabhängigen Verwaltungsstelle erteilte Gestattung des Zugriffs auf die Daten beruht, zu informieren, sobald die Übermittlung dieser Informationen die den Behörden nach der Richtlinie obliegenden Aufgaben nicht mehr beeinträchtigen kann.
Mehrere Bestimmungen des Tiroler MindestsicherungsG (TMSG) verstoßen gegen die grundsatzgesetzlichen Vorgaben des Sozialhilfe-GrundsatzG (SH-GG) sowie des KlimabonusG (KliBG). Es erfolgte keine fristgerechte Anpassung des TMSG durch den Ausführungsgesetzgeber an die bundesgesetzlichen Bestimmungen betreffend die Berechnung der Höhe des Einkommens. Insbesondere sind Leistungen nach dem KliBG, dem Wohn- und HeizkostenzuschussG sowie dem Lebenshaltungs- und Wohnkosten-AusgleichsG (LWA-G), die der Deckung eines Sonder- und Mehrbedarfs dienen, nicht auf das Einkommen durch das TMSG anzurechnen. Die von einer Anrechnung ausgenommenen Leistungen müssen allerdings nicht ausdrücklich im Ausführungsgesetz bezeichnet werden.
S. 789 - 791, Rechtsprechung
Vorausvermächtnis des Wohnrechts erlischt mit Wiederverehelichung des Berechtigten
Das gesetzliche Vorausvermächtnis des Wohnrechts nach § 758 aF ABGB (nunmehr § 745 ABGB) resultiert ebenso wie der Unterhaltsanspruch des überlebenden Ehepartners (§ 747 ABGB idgF) aus dem Familienrecht und hat ebenfalls Unterhaltscharakter. Es erlischt wie das Recht auf Unterhalt bei Wiederverehelichung des Berechtigten (§ 747 iVm § 94 ABGB analog).
Ein einzelner Teilhaber, der ein gemeinschaftliches Gut ohne Auftrag der übrigen verwaltet, ist nach § 837 S 3 ABGB nur dann im Bereich der ordentlichen Verwaltung als bevollmächtigt anzusehen, wenn die übrigen Teilhaber den Verwaltungshandlungen nicht widersprechen, obwohl sie vom auftragslosen Handeln Kenntnis haben.
Im Fall der vom Gesetz als Normalfall angesehenen Selbstverwaltung, also der gemeinsamen Verwaltung durch alle Teilhaber, werden, wenn einzelne Wohnungseigentümer nur bestimmte Ausschnitte von Verwaltungstätigkeiten wahrnehmen, diese dadurch nicht zu „Verwaltern“ iS der §§ 19 f WEG und daher von den entsprechenden Verwalterpflichten des WEG in der Regel nicht erfasst (hier: Erfüllung bloß einzelner Verwaltungsagenden ohne faktische Verwaltungstätigkeit etwa im Zusammenhang mit dem zentralen Aspekt der Vorschreibung und Verwaltung von Rücklagenbeträgen; Verneinung der faktischen Verwalterstellung durch Vorinstanzen nicht zu beanstanden).
Über den aus der Abrechnung des verwaltenden Miteigentümers resultierenden Ersatzanspruch betreffend den anteiligen Aufwand der mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Liegenschaft unmittelbar zusammenhängenden Lasten gegenüber einem anderen Miteigentümer ist im Verfahren außer Streitsachen iS des § 838a ABGB zu entscheiden.
Wenn in einem Beatmungsgerät, das über lange Zeit jede Nacht für viele Stunden verwendet werden soll, ein Material enthalten ist, das sich zersetzen und in die Lunge geraten und/oder Chemikalien freisetzen kann, wodurch jeweils Gesundheitsschädigungen eintreten können, genügt das Gerät nicht den berechtigten Sicherheitserwartungen eines durchschnittlichen Anwenders (dies ungeachtet eines Verstoßes gegen besondere Sicherheitsvorschriften für Medizinprodukte).
In jedem Fall, in dem die Ersatzpflicht für künftige Schäden festgestellt wird, kann sich die Feststellung notwendigerweise nur auf die des haftungsbegründenden Verhaltens, nicht aber auf die eines in Zukunft mit Sicherheit konkret zu erwartenden Schadens und des Bestehens des Kausalzusammenhangs beziehen. Sollte in Zukunft tatsächlich eine Erkrankung auftreten, müsste der Geschädigte – ungeachtet eines Feststellungsurteils – im Leistungsprozess den Kausalzusammenhang zwischen dem Schadensereignis und der Erkrankung unter Beweis stellen.
Bei bloßen Angst- und Unlustgefühlen steht kein immaterieller Schadenersatz nach dem PHG bzw ABGB zu.
S. 802 - 808, Rechtsprechung
Keine Stufenklage auf Grundlage von AuskunftspflichtG, BStMG und WegekostenRL
Das AuskunftspflichtG ist als öffentlich-rechtliche Norm jedenfalls ungeeignet, einen Rechnungslegungsanspruch nach Art XLII Abs 1 erster Fall EGZPO zu stützen. Auch allfällige aus dem BStMG und der WegekostenRL abgeleitete Ansprüche auf Transparenz der Eingangsparamater sind im Verwaltungsweg nach dem AuskunftspflichtG durchzusetzen; sie sind ebenfalls keine tauglichen Grundlagen für die Bejahung eines zivilrechtlichen Rechnungslegungsanspruchs.
Art 7b WegekostenRL idF RL 2011/76/EU ist unmittelbar anwendbar und steht jeder nicht unerheblichen Überschreitung der Infrastrukturkosten des betreffenden Verkehrswegenetzes entgegen.
Um jene Informationen zu erlangen, die zur Überprüfung der Gesetzes- und Unionsrechtskonformität der Mauttarifverordnungen notwendig sind, steht der Verwaltungsweg nach dem AuskunftspflichtG zur Verfügung. Sollte dies erfolglos sein, steht auch für die ordentlichen Gerichte bindend fest, dass das belangte Organ diese Informationen nicht offenbaren muss. Diese Entscheidungskompetenz der zuständigen Verwaltungsbehörden und -gerichte darf nicht durch eine Beweislastverschiebung umgangen werden.
S. 808 - 816, Rechtsprechung
Keine Bestätigung des Sanierungsplans bei bloßer Stundung der Entlohnung des Insolvenzverwalters
Die Forderungsfeststellung nach § 109 IO selbst ist unbekämpfbar und kann grundsätzlich nicht wirkungslos gemacht werden, weil die IO keine Rechtsbehelfe gegen festgestellte Insolvenzforderungen vorsieht. Ab dem Anerkenntnis des Insolvenzverwalters ist die Forderungsfeststellung unwiderruflich und unanfechtbar; damit kommt bereits innerhalb des Insolvenzverfahrens der Forderungsfeststellung ab Unwiderruflichkeit des Anerkenntnisses des Insolvenzverwalters die Funktion eines Entscheidungssurrogats zu, von der bindende Wirkung ausgeht. Ordentliche Rechtsmittel sind unstatthaft; allenfalls können außerordentliche Rechtsbehelfe, wie etwa die Wiederaufnahme (vgl § 530 Abs 1 Z 7 ZPO), die Berichtigung des Anmeldungsverzeichnisses (vgl etwa § 419 ZPO) oder die Zurücknahme der Forderungsanmeldung abhelfen.
Erst mit dem Eintritt der Rechtskraft einer (nicht im Insolvenzverfahren zu treffenden) Feststellungsentscheidung wäre das Anmeldungsverzeichnis gegebenenfalls entsprechend zu ändern.
Die Bestätigung eines Sanierungsplans ist zu versagen, wenn die Entlohnung des Insolvenzverwalters entgegen § 152a Abs 1 Z 1 IO in Verbindung mit § 153 Z 2 IO weder gezahlt noch beim Insolvenzverwalter sichergestellt ist, sondern dieser dem Schuldner die Bezahlung der rechtskräftig bestimmten Entlohnung bloß stundet und auf die Sicherstellung verzichtet.
Wenn die fristgebundene Erfüllung der Voraussetzungen des § 152a Abs 1 IO auch im angenommenen Sanierungsplan selbst nach § 152a Abs 1 Z 3 IO zur Bedingung seiner Bestätigung gemacht wurde, ist die Setzung einer über das Fristende hinausgehenden richterlichen Nachfrist iS des § 153 Z 2 IO zur nachträglichen Erfüllung der Bedingung weder erforderlich noch zulässig.
S. 816 - 819, Rechtsprechung
Kein Schutzgesetzcharakter von Kontroll- und Anzeigepflichten nach dem GSpG
Strafbestimmungen des Glücksspielgesetzes, die die Einhaltung der Regelungen dieses Gesetzes absichern sollen, bezwecken nicht den Schutz der (Vermögens-)Interessen einzelner Spieler.
Ein allenfalls mangelhafter Vollzug dieser Bestimmungen steht daher nicht im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit Schäden, die ein Spieler durch die Teilnahme an einem verbotenen Spiel erlitten hat.
S. 819 - 819, Rechtsprechung
Schädigungsvorsatz beim Amtsmissbrauch und unterlassene Zustellung von Briefstücken
Das Recht der jeweiligen (behördlichen) Absender auf ordnungsgemäße postalische Behandlung und Zustellung behördlicher Schriftstücke bringt bloß den für die Tatbestandserfüllung nicht ausreichenden (staatlichen) Anspruch zum Ausdruck, dass sich der Beamte den Vorschriften entsprechend verhält. Ein subjektives Recht der Adressaten gegenüber Postbediensteten auf Zustellung behördlicher Schriftstücke kommt ebenso wenig als Bezugspunkt in Frage. Anderes gilt, wenn sich der Schädigungsvorsatz auch darauf erstreckt, den Anspruch der jeweiligen Adressaten auf Teilnahme an den jeweiligen (behördlichen) Verfahren zu beeinträchtigen und diese an weiteren subjektiven (absoluten) Rechten (etwa am Vermögen) zu schädigen.
S. 820 - 820, Rechtsprechung
Abgrenzung der Unterfälle der Sanktionsrüge voneinander und deren Verhältnis zur Strafberufung
Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 Fall 2 StPO bezieht sich nur auf die Strafzumessung im engeren Sinn (§§ 30–41 StGB). Hat das Erstgericht bei der Strafzumessung im weiteren Sinn (§§ 43–56 StGB) Erwägungen angestellt, die mit dem Gesetz schlechthin unvereinbar sind, so ermöglicht § 281 Abs 1 Z 11 Fall 3 StPO deren Aufgreifen. Bezugspunkt ist dabei nicht die Unvertretbarkeit der Unrechtsfolge; es kommt darauf an, dass die zur Begründung herangezogenen Kriterien den Strafbemessungsvorschriften unvertretbar widersprechen.
Wurde die Revision an einen Botendienst, nicht einen Zustelldienst iS des § 2 Z 7 ZustG (Universaldienstbetreiber iS des § 3 Z 4 PMG oder Zustelldienst nach dem 3. Abschnitt des ZuStG), der als „verlängerter Arm“ der Behörde (des Gerichts) fungieren würde, übergeben (vgl zur Differenzierung VwGH 05.07.2000, 2000/03/0152), ist das „Postlaufprivileg“ insoweit nicht zu berücksichtigen (vgl – zu „Irrwegen“ des Schriftstückes im Zuge des „Postlaufes“ – VwGH 14.09.2004, 2004/10/0097).
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