Mit Beschluss vom 13. März 2024, V 62/2023, wies der VfGH einen Individualantrag auf Aufhebung der Nitrat-Aktionsprogramm-Verordnung des BMLRT aufgrund zumutbaren Umwegs zurück: Ein Antrag auf Erlassung (zusätzlicher) geeigneter Planungsmaßnahmen oder verstärkter Aktionen im Rahmen eines Nitrat-Aktionsprogramms sei immer bescheidmäßig zu erledigen, um den unionsrechtlich gebotenen Rechtsschutz sicherzustellen. Selbst bei Anpassungsbedarf der Verordnung seien konkrete Planungsmaßnahmen mit Bescheid anzuordnen. Durch die damit verbundenen „verordnungsersetzenden“ Rechtswirkungen und Rechtsschutzmöglichkeiten könnte der VfGH einen unionsrechtskonformen Weg zur Einräumung eines subjektiven Rechts auf Erlassung generell-abstrakter Planungsmaßnahmen (bei Untätigkeit des Verordnungsgebers) aufgezeigt haben, der in seiner Bedeutung weit über die Frage der Umwegsunzumutbarkeit iSv Art 139 Abs 1 Z 3 B-VG hinausgeht. Der vorliegende Beitrag untersucht die Eignung des „verordnungsersetzenden“ Bescheids zur effektiven Durchsetzung unionsrechtlicher subjektiver Rechte. Wir schlagen Lösungen für die damit verbundenen Herausforderungen für Behörden und Gerichte vor und diskutieren schließlich die Verallgemeinerungsfähigkeit dieses Lösungsansatzes für das Problem der Untätigkeit des Verordnungsgebers im Kontext unionsrechtlicher subjektiver Rechte.
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Inhalt der Ausgabe
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S. 55 - 55, Abhandlung
Georg Lienbacher / Michael Holoubek -
S. 56 - 71, Abhandlung
Sebastian Krempelmeier / Alfred Benny Auner -
S. 72 - 80, Abhandlung
Antonia BrunederDie vorliegende Analyse untersucht, inwieweit der Österreichische Rundfunk (ORF) zur Wahrung der Grundrechte verpflichtet ist. Dabei werden die Grundrechtsträgerschaft des ORF sowie eine mögliche Grundrechtsverpflichtung des öffentlich-rechtlichen Senders thematisiert. Ein Schwerpunkt der Untersuchung liegt auf § 10 Abs 1 ORF-G, der eine pauschale Achtung aller Grundrechte fordert. Am Beispiel der Kunstfreiheit werden die rechtsdogmatischen Herausforderungen dieser Regelung, insbesondere auch vor dem Hintergrund der Rundfunkfreiheit des ORF, aufgezeigt.
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S. 81 - 87, Abhandlung
Paul HahnenkampDas Eigentumsgrundrecht steht in einem Spannungsverhältnis zu eingriffsintensiven Klima- und Umweltschutzmaßnahmen. In den letzten Jahrzehnten wurde der grundrechtliche Schutzbereich durch die Rechtsprechung ausgeweitet. Eigentumsgrundrechtliche Theorien aus der rechtswissenschaftlichen Literatur tragen wesentlich zum Verständnis des aktuellen Schutzbereichs bei. Dieser Beitrag diskutiert – ausgehend von den Grundrechtstheorien zum eigentumsgrundrechtlichen Schutz der Nutzung und Verfügung, der Privatautonomie sowie zur möglichen Ausgestaltung des Schutzes durch den einfachen Gesetzgeber – die Rolle des Eigentumsgrundrechts und das dahinter liegende Normprogramm im Kontext zukünftiger Transformationsprozesse und erörtert schließlich Ansatzpunkte für eine Reflexion und Neuausrichtung des Eigentumsgrundrechts im Rahmen des Klima- und Umweltschutzes.
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S. 88 - 99, Abhandlung
Nikolaus HandigDas Armenwesen, Heil- und Pflegeanstalten sowie das nicht unter Art 10 B-VG fallende Elektrizitätswesen sind seit 1. Jänner 2020 insofern die letzten ihrer Art, als BGBl I 14/2019 den Großteil der Tatbestände des Art 12 Abs 1 B-VG aufhob. Diese Kompetenzentflechtung bei Materien, in denen bis dahin eine Grundsatzgesetzgebung des Bundes und Ausführungsgesetze der Länder vorgesehen waren, betraf unter anderem die Jugendfürsorge, das Landarbeitsrecht und die Bodenreform. Dabei galt es auch das einfache Gesetzesrecht anzupassen, wofür Art 151 Abs 63 Z 4 B-VG die zentrale übergangsrechtliche Bestimmung war. Auf ihr liegt der Fokus dieses Beitrags, der die Bewerkstelligung der partiellen Abschaffung der Grundsatzgesetzgebung durch BGBl I 14/2019 unter Rückblick auf vergleichbare vergangene Übergänge erörtert und sich ausgewählten Fragen in diesem Zusammenhang widmet, etwa der Entstehung hybrider Gesetze und Verweisen auf außer Kraft getretene Normen.
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S. 100 - 111, Abhandlung
Michael HuberIn diesem Beitrag wird analysiert, ob Stellungnahmen der Länder, die außerhalb der IKL gefasst werden, als einheitliche Stellungnahmen der Länder im Sinne des Art 23d Abs 2 B-VG zu qualifizieren sind. Dazu werden die einschlägigen Rechtsvorschriften zur Erstattung von einheitlichen Stellungnahmen der Länder analysiert. Zudem wird die gelebte Praxis zur Abgabe einheitlicher Stellungnahmen der Länder beleuchtet und deren rechtliche Zulässigkeit eingehend bewertet.
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S. 112 - 126, Abhandlung
Jonas KaschkaWenngleich die überwiegende Mehrheit der Staaten dieser Welt zumindest ihren eigenen Bürgern Meinungsäußerungsfreiheit verspricht, ist ihr Verständnis von den damit einhergehenden Verpflichtungen sehr unterschiedlich. Als Jedermannsrecht ist die freie Meinungsäußerung auch in Österreich verfassungsrechtlich verankert. Doch welche konkreten Pflichten hat sich der Staat dadurch auferlegt, und inwiefern muss oder darf er die Ausübung der Meinungsäußerungsfreiheit gewährleisten? Der vorliegende Beitrag versucht, den staatlichen Verantwortungsbereich hinsichtlich der Meinungsäußerungsfreiheit in Österreich im Spannungsfeld unterschiedlicher Gewährleistungspflichten anhand der einschlägigen Handlungs-, Duldungs- und Unterlassungspflichten des Staates auszuleuchten.
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S. 127 - 135, Abhandlung
Miriam KlemaDer vorliegende Beitrag behandelt die Frage, ob die österreichische Staatsbürgerschaft eine bundesverfassungsrechtlich zwingende Voraussetzung für die Wählbarkeit zum Bürgermeister oder Mitglied des Gemeindevorstands ist, oder ob die Länder aufgrund ihrer Gesetzgebungskompetenz im Bereich der Gemeindeorganisation selbst entscheiden dürfen, ob sie auch nicht-österreichischen Staatsangehörigen, insbesondere Unionsbürgerinnen und -bürgern, das passive Wahlrecht zu diesen Ämtern einräumen. Im Ergebnis schränkt Art 3 Abs 2 StGG den Spielraum der Länder bei der Ausgestaltung der Bürgermeister- und der Gemeindevorstandswahl ein: Nach dieser Bestimmung sind öffentliche Ämter, zu denen das Bürgermeisteramt und die Mitgliedschaft im Gemeindevorstand gezählt werden können, österreichischen Staatsangehörigen vorbehalten.
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S. 136 - 158, Abhandlung
Anna Obereder / Bernhard KudererDer vorliegende Beitrag behandelt den verfassungsrechtlichen Rahmen für direkt-demokratische Instrumente. Dabei zeigt er, dass trotz der restriktiven Rsp des VfGH, insbesondere für die Landes- und Gemeindeebene verfassungsrechtliche Spielräume bestehen, die momentan durch die Landesgesetzgebung noch nicht zur Gänze ausgereizt werden. Zum Rechtsschutz vor dem VfGH wird vor allem iHa direkt-demokratische Verfahren, die vom Volk initiiert werden, die Differenzierung zwischen Akten, die der Anfechtung nach Art 141 B-VG unterliegen, und solchen, gegen die Beschwerde nach Art 144 B-VG erhoben werden kann, aufgezeigt und eine Alternative dazu diskutiert.
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S. 159 - 167, Abhandlung
Petra LechnerDieser Beitrag beschäftigt sich mit der COFAG-Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes. Seiner Entscheidung hat der VfGH ein umfassenderes Verständnis des Begriffs „Verwaltung“ zugrunde gelegt als das bisher vielfach vertretene. Damit kam es zu einer Neudefinition des Verwaltungsbegriffs, die auch über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. Welche Folgen diese Neudefinition nach sich zieht, soll im Rahmen dieses Beitrages behandelt werden.
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S. 168 - 176, Abhandlung
Philipp Richter / Katharina LeithnerMit vorliegendem Beitrag soll die Rechtsnatur der Kundmachung von Amtsstunden und Zeiten für den Parteienverkehr iSd § 13 Abs 5 AVG untersucht und die in der Literatur uneinheitlich beantwortete Frage einer Klärung zugeführt werden, ob die kundgemachten Amtsstunden und Zeiten für den Parteienverkehr eine Verordnung oder demgegenüber eine generelle Weisung darstellen. Darüber hinaus wird auch beleuchtet, welche Rolle die in § 13 Abs 5 AVG normierte „Kundmachung“ bei dieser Einordnung spielt.
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S. 177 - 190, Abhandlung
Vanessa PichlerMit 1. September 2024 sind wesentliche Änderungen im justiziellen System der Europäischen Union in Kraft getreten. Diese Änderungen läuten eine neue Ära für die Institution „Gerichtshof der Europäischen Union“ ein. Als eines der sieben Unionsorgane setzt sich diese Institution aus dem Europäischen Gerichtshof und dem Europäischen Gericht zusammen. Mit Änderungen im Rechtsmittel- und im Vorabentscheidungsverfahren verteilen sich die innerinstitutionellen Rollen neu. Der Europäische Gerichtshof kann nunmehr bestimmte Verfahren entweder an das Europäische Gericht abtreten oder eine weitere Auseinandersetzung mit bestimmten Rechtssachen ablehnen. Der vorliegende Beitrag untersucht die neu entstandenen Rollen der beiden Unionsgerichte und das Verhältnis der Gerichte zueinander. Um diese Änderungen aufzuzeigen, wird zunächst auf die bisherige Rolle des Europäischen Gerichts eingegangen.
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S. 191 - 205, Abhandlung
Felix ReimannDer folgende Beitrag beleuchtet zentrale prozessuale und inhaltliche Aspekte der Entscheidung der Großen Kammer des EGMR in der Rs Verein KlimaSeniorinnen Schweiz and Others v Switzerland und skizziert mögliche Auswirkungen für die österreichische Rechtsordnung. Es werden vor allem Fragen der Klagelegitimation von Umweltorganisationen sowie die Perspektive, die die Entscheidung auf das österreichische Klimaschutzrecht, insbesondere das „materiell ausgelaufene“ nationale Klimaschutzgesetz wirft, behandelt. Die Beobachtungen sollen dabei den Kontext des europäischen Klimaschutzrechts, in welchem Österreich im Unterschied zur von der EGMR-Entscheidung unmittelbar betroffenen Schweiz steht, herausstellen.
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S. 206 - 220, Abhandlung
Lukas ReiterWettbewerb stellt ein Leitprinzip des öffentlichen Wirtschaftsrechts dar. Auch der VfGH greift im COFAG-Erkenntnis iZm der Abgrenzung ausgegliederter Tätigkeiten als Privatwirtschaftsverwaltung auf Wettbewerb zurück. Wettbewerbliche Ansätze vermögen insb im Zuge der teleologischen Auslegung bzw der wirtschaftlichen Betrachtungsweise in die Rechtsauslegung einfließen. Nach einem Überblick über die wettbewerbliche Anknüpfung des VfGH im COFAG-Erkenntnis sowie grundlegenden Überlegungen zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise wird am Beispiel des Gewerbsmäßigkeitsbegriffs erörtert, ob und inwieweit einer wettbewerbsorientierten Auslegung im Zuge der wirtschaftlichen Betrachtungsweise Raum zukommen kann.
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S. 221 - 231, Abhandlung
Fabian SaxlDie zum Jahreswechsel 2014/15 implementierte Reform des Rechtsrahmens für Untersuchungsausschüsse hat zu einer signifikanten Zunahme der Inanspruchnahme dieses parlamentarischen Kontrollinstruments geführt. Nicht selten wurden entsprechende Meinungsverschiedenheiten auch gerichtsanhängig. Während die Informationserteilung durch Verwaltungsorgane über einen langen Zeitraum den Schwerpunkt dieser Auseinandersetzungen darstellte, rückte in den vergangenen Untersuchungsausschüssen vermehrt die Frage in den Fokus, welche Angelegenheiten zulässigerweise untersucht werden dürfen. Der vorliegende Beitrag unternimmt den Versuch, das Verständnis der Tatbestandselemente des Art 53 Abs 2 B-VG punktuell nachzuschärfen, und rekapituliert die parlamentarische Praxis der vergangenen Dekade kritisch. Abschließend wird erörtert, welche Konsequenzen ein Verstoß gegen die verfassungsgesetzlichen Anforderungen an den Kontrollgegenstand hat und wie etwaige Abweichungen geltend gemacht werden können.
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S. 232 - 240, Abhandlung
Florian Alexander SchlintlDie herrschende Lehre sieht in der Gesetzesprüfung nach Art 140 B-VG ein streitiges Parteienverfahren. Allerdings ist die Gesetzesprüfung kein homogenes Verfahren. Je nach Verfahrensart und Antragstellung stehen sich unterschiedliche Parteien und Organe vor dem VfGH gegenüber. Außerdem ist der Verfahrensgegenstand – das einfache Gesetz – eine Besonderheit. All diese Umstände machen Anpassungen der Verfahrensgrundsätze notwendig, die es veranlassen die Einordnung als streitiges Verfahren differenziert zu sehen.
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S. 241 - 245, Abhandlung
Sebastian ScholzIn seiner zu verbindlichen Unionsakten geprägten Foto-Frost-Rechtsprechung beansprucht der EuGH das Verwerfungsmonopol für Sekundärrecht. Demnach sind sämtliche (auch nicht letztinstanzliche) Gerichte iSd Art 267 AEUV verpflichtet, Gültigkeitsvorlagen an den EuGH zu stellen, wenn sie Sekundärrecht als primärrechtswidrig erachten und unangewendet lassen wollen. Der Beitrag geht der umstrittenen Frage nach, ob diese Vorlagepflicht auch für EU-Soft Law gilt, das nicht zwingend befolgt, aber berücksichtigt werden muss.
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S. 246 - 250, Abhandlung
Michaela SpringerMit der Entscheidung des VfGH vom 6. März 2024 zu G 237/2022ua wurden erstmals die Grenzen der Organbestellung hinsichtlich des Erfordernisses der Organbestellung aus dem Kreis der Mitglieder gem Art 120c Abs 1 B-VG abschließend geregelt und klargestellt, dass eine Bestellung durch oberste staatliche Organe verfassungswidrig ist und in diesem Kernbereich der Selbstverwaltung den Mitgliedern eine autonome Willensbildung zu ermöglich ist. Ein Absehen von diesem Merkmal ist abweichend zu dem Erfordernis der Mitgliedeigenschaft von Organwaltern auch bei Vorliegen einer sachlichen Begründetheit nicht zulässig. Dies ist insofern von Bedeutung, da es zahlreiche vergleichbare Zusammensetzungen von Kollegialorganen der sonstigen Selbstverwaltungskörper gibt, deren Regelungen somit ebenfalls als verfassungswidrig zu erachten sind.
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S. 251 - 258, Abhandlung
Sophie WittichIm Zuge der Abschaffung der Amtsverschwiegenheit und der Einführung einer an deren Stelle tretenden Informationsfreiheit erfolgte auch eine Änderung des parlamentarischen Fragerechts, indem ein neuer Abs 3a in Art 52 B-VG eingefügt wurde. In vorliegendem Beitrag werden die Änderungen, die das Interpellationsrecht hierdurch erfahren hat, dargelegt und damit zusammenhängende Auslegungsfragen aufgeworfen und beantwortet. Im Fokus steht dabei das Verhältnis der neu geschaffenen Bestimmung des B-VG zur einfachgesetzlichen Ausgestaltung des Fragerechts in der Geschäftsordnung des Nationalrates.
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S. 259 - 261, Dokumentation Europa
Michael Erhart -
S. 262 - 263, Dokumentation Österreich
Günther Schefbeck