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Journal für Strafrecht

Heft 2, April 2023, Band 10

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  • ISSN Online: 2312-1920

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Inhalt der Ausgabe

S. 85 - 91, Aktuelle Gesetzesvorhaben

Tipold, Alexander

Der Ministerialentwurf zu einem Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz 2023

Zur Erfüllung des Regierungsprogramms als Reaktion auf die „Ibiza“-Affäre liegt nun ein Entwurf eines Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetzes 2023 vor: Mit einem neuen Tatbestand in § 265a StGB soll der „Mandatskauf“ strafrechtlich erfasst werden. Die §§ 304 und 307 StGB werden auf die Korruption künftiger Amtsträger erweitert. Änderungen in den Bundesgesetzen über die Wahl des Nationalrats und der Mitglieder des Europäischen Parlaments ergänzen diese Neuregelung. Auch werden die Strafdrohungen des Korruptionsstrafrechts für den Fall erhöht, dass der Vorteil mehr als 300.000 Euro beträgt. Im VbVG werden die Höchstbeträge der Tagessätze erhöht. Die Neuregelungen sollen mit 1.6.2023 in Kraft treten.

S. 92 - 97, Aufsatz

Wiesinger, Bernd/​Surböck, Dominik

Zur Verwendung von Privatsachverständigen im Strafverfahren

Insbesondere in komplexen Wirtschaftsstrafsachen basiert die Anklage idR auf einem Sachverständigengutachten. Essentieller Bestandteil der Verteidigungsstrategie ist daher regelmäßig der Versuch, Anklage und Sachverständigengutachten durch ein Privatgutachten zu entkräften. Nachdem lange Zeit umstritten war, ob Privatgutachten überhaupt eine (prozessuale) Bedeutung zukommt, ist spätestens seit dem Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2014 klar, dass solche „Stellungnahme(n) samt Schlussfolgerungen einer Person mit besonderem Fachwissen“ – wie sie das Gesetz nennt – einen Platz im gerichtlichen Strafverfahren haben. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, wie Privatgutachten von der Verteidigung im Einklang mit der hRspr sinnvoll verwendet werden können.

S. 98 - 103, Aufsatz

Hofbauer, Yara

Opferrechte – ein zahnloser Tiger?

Die Rechte von Opfern in Strafverfahren haben in Österreich in den letzten Jahrzehnten sukzessive Erweiterungen erfahren. Rechte können allerdings nur dann ihre Wirksamkeit entfalten, wenn sich die Rechtsinhaber:innen bei Nichteinhaltung auch effektiv dagegen wehren können. In vorliegendem Aufsatz wird die Ansicht vertreten und argumentiert, dass dies in Österreich derzeit insbesondere hinsichtlich des Schutzes der Opfer vor einer sekundären Viktimisierung unzureichend erfüllt ist.

S. 104 - 112, Aufsatz

Birklbauer, Alois/​Hirtenlehner, Helmut/​Schmollmüller, Lisa

Anwaltliche Vertretung im Entlassungsverfahren aus einer lebenslangen Freiheitsstrafe – empirische Ergebnisse und rechtspolitische Schlussfolgerungen

Der vorliegende Beitrag widmet sich der anwaltlichen Vertretung von zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilten Gefangenen im Verfahren über die bedingte Entlassung. Er basiert auf der sekundäranalytischen Auswertung einer empirischen Studie, welche sich der Entlassungspraxis und der Begründung der (Nicht-)Entlassungsentscheidungen bei „Lebenslangen“ in den vergangenen 20 Jahren widmete. Nach Darstellung der rechtlichen Voraussetzungen für eine anwaltliche Vertretung werden die zur Bedeutung juristischen Beistands erzielten Studienergebnisse berichtet, bevor in einem abschließenden Kapitel rechtspolitische Schlussfolgerungen gezogen werden.

S. 113 - 115, Wirtschafts- und Finanzstrafrecht Aktuell

Huber, Christian

Zur Zuständigkeitsabgrenzung innerhalb des Amtes für Betrugsbekämpfung und des Zollamts Österreich nach den jeweiligen Geschäftsverteilungen

Aufgrund des Umfangs wird der gegenständliche Beitrag in mehrere Teile aufgeteilt. Der erste Teil behandelt die Kompetenz des Vorstands / der Vorständin der beiden Finanzstrafbehörden zur Erlassung einer Geschäftsverteilung, die die Durchführung der von ihnen zu führenden Finanzstrafverfahren regelt. Dabei wird insbesondere auf die Unterschiede der beiden Geschäftsverteilungen eingegangen; diese unterscheiden sind teilweise erheblich voneinander, wobei auf Seiten des Amtes für Betrugsbekämpfung (ABB) insbesondere auf die teilweise besonders kasuistische Abgrenzung der Zuständigkeiten der einzelnen Teams Strafsachen sowie beim Zollamt Österreich (ZAÖ) auf die abweichende Zuständigkeit hinsichtlich der Verfahrensführung für die Verbände, eingegangen wird.

S. 116 - 121, Europastrafrecht Aktuell

Zeder, Fritz

Unionsrechtliche Anforderungen an Verjährungsbestimmungen

Der Beitrag stellt einerseits ausdrückliche Vorgaben an Verjährungsbestimmungen im Sekundärrecht dar; andererseits zeichnet er die Rechtsprechung des EuGH nach, der aus sehr allgemein gehaltenen Sanktionsbestimmungen unter Anwendung unionsrechtlicher Grundsätze, vor allem des Grundsatzes der Effektivität, deutliche Anforderungen an Verjährungsbestimmungen entwickelt hat, die ein nationaler Gesetzgeber wie auch die Rechtsanwender binden.

S. 122 - 127, Judikatur

Strafbemessung, Änderung der Strafdrohung bei bestimmten Gewalttaten, Überschreitung der Anordnungsbefugnis durch das Erstgericht

Der Anwendungsbereich der Strafrahmenvorschrift des § 39a Abs 1 Z 4 2. Fall StGB („oder Drohung mit einer Waffe“) ist nach der ratio legis dahin zu reduzieren, dass bloße Drohungen mit dem Einsatz einer bei Tatbegehung gar nicht verwendeten Waffe nicht zur Anhebung der Mindeststrafdrohung führen. Tragen die Urteilsannahmen die Anwendung des § 39a Abs 1 Z 4 StGB in Wahrheit nicht, hat das Erstgericht seine Anordnungsbefugnis überschritten (§ 281 Abs 1 Z11 erster Fall StPO).

S. 127 - 130, Judikatur

Penetration einer „Gummivagina“ keine beischlafsgleichwertige Handlung, Abgrenzung Versuch – Vollendung, Rückfall

Der Begriff der „geschlechtlichen Handlung“ iS des § 207 StGB umfasst jede nach ihrem äußeren Erscheinungsbild sexualbezogene Handlung, die sowohl nach ihrer Bedeutung als auch nach ihrer Intensität und Dauer von einiger Erheblichkeit ist. Zu einer iS des § 206 StGB dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung zählt jede auf Befriedigung des Geschlechtstriebes gerichtete Form einer oralen, vaginalen oder analen Penetration. Eine Masturbation durch Penetration einer „Gummivagina“ (also einer künstlichen Nachbildung einer Vagina) ist nicht beischlafsgleichwertig, sehr wohl stellt sie aber eine sexualbezogene Verhaltensweise dar, die sowohl nach ihrer Bedeutung als auch nach ihrer Intensität und Dauer erheblich ist und solcherart dem Tatbestandsmerkmal der geschlechtlichen Handlung des § 207 Abs 2 StGB entspricht.

Der Einwand, es wäre noch zu keiner im Sinn des § 15 Abs 2 StGB ausführungsnahen Handlung gekommen, übersieht, dass Strafbarkeit nach dem zweiten Fall des § 207 Abs 2 StGB auf die Verleitung einer unmündigen Person zu einer geschlechtlichen Handlung an sich selbst abstellt. Die Verleitungshandlung – hier die Aufforderung, eine „Gummivagina“ zu penetrieren – ist demnach bereits eine Ausführungshandlung, womit das strafbare Versuchsstadium jedenfalls erreicht ist.

S. 130 - 133, Judikatur

Fälschlich bezeichnete Rechtsmittel, Bezugspunkt des erweiterten Vorsatzes beim Amtsmissbrauch, Vermögensbegriff bei §§ 144 und 302 StGB

Wenngleich es bei der Anmeldung eines Rechtsmittels weder auf den Wortlaut noch auf die Einhaltung einer bestimmten Form ankommt, muss zur Rechtzeitigkeit und Beachtlichkeit einer Nichtigkeitsbeschwerde deutlich und bestimmt erklärt werden, ein bezeichnetes Urteil wegen des Vorliegens von Nichtigkeitsgründen anzufechten. Eine Erklärung, die Nichtigkeitsgründe nicht einmal ansatzweise behauptet, wird diesem Erfordernis nicht gerecht. Erklärt der Angeklagte erstmals in der Rechtsmittelausführung, somit nach Ablauf der Fristen der §§ 284 Abs 1 1. Satz und 294 Abs 1 StPO, Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung zu erheben, sind erstere gem §§ 285d Abs 1 Z 1 iVm 285a Z 1 StPO und letztere gem §§ 296 Abs 2 iVm 294 Abs 4 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Der wissentliche Verstoß gegen eine Verfahrensvorschrift begründet dann Missbrauch der Amtsgewalt, wenn der begleitende Schädigungsvorsatz nicht nur auf ordnungsgemäße Führung des Verfahrens, sondern auf die Vereitelung des von dieser Vorschrift verfolgten Schutzzwecks gerichtet ist. Mit Blick auf die festgestellte subjektive Ausrichtung eines Angeklagten, der die Retournierung (vorläufig) behördlich abgenommener Kennzeichentafeln und die Einstellung eines (noch nicht rechtskräftig beendeten) Verfahrens über die Aufhebung der Zulassung eines Kraftfahrzeugs, dessen Zulassungsbesitzer eine aufgelöste juristische Person ist, intendierte, kann etwa das Recht des Staates auf Richtigkeit der Zulassungsevidenz als Bezugspunkt des Schädigungsvorsatzes in Frage kommen.

Der staatliche Strafanspruch und damit im Verwaltungsstrafverfahren über den Angeklagten verhängte Geldstrafen unterliegen nicht dem Vermögensbegriff des § 144 Abs 1 StGB, weil mit der Einhebung einer Geldstrafe keine Vermögensinteressen verfolgt werden, sondern die Wirksamkeit der (im gegebenen Zusammenhang verwaltungsbehördlichen) Strafverfolgung sichergestellt wird.

S. 133 - 137, Judikatur

Wolm, Philipp/​Nagel, Rafael

Das Recht auf Achtung des Familienlebens als Auslieferungshindernis auch bei besonders schweren Straftaten

Das Wohl des leiblichen Sohns eines Betroffenen und dessen übergeordnetes Interesse, bei beiden Eltern aufzuwachsen bzw zumindest persönlichen Kontakt auch zu seinem leiblichen Vater ausüben zu können, stellen außergewöhnliche Umstände dar, die bewirken, dass – trotz der Art und Schwere der dem Betroffenen konkret angelasteten Taten und des unzweifelhaft bestehenden großen Interesses des ersuchenden Staates an der Verfolgung – die Auslieferung des in Österreich bislang unbescholtenen Betroffenen einen nicht durch ein dringendes gesellschaftliches Bedürfnis gerechtfertigten Eingriff in das Recht auf Achtung des Familienlebens nach Art 8 MRK darstellen würde.

S. 138 - 140, Judikatur

Schwaighofer, Klaus

Suchtgifthandel, kriminelle Vereinigung, Vorverurteilung, Rückfall

Die Qualifikation des § 28a Abs 4 Z 1 SMG ist erfüllt, wenn der im Rahmen einer kriminellen Vereinigung agierende Täter eine Straftat nach § 28a Abs 1 SMG begeht und bereits einmal wegen eines dem Grundtatbestand des § 28a Abs 1 SMG subsumierten Verhaltens verurteilt wurde, gleich ob dabei zusätzlich auch qualifizierende (Abs 2, 4 und 5) oder privilegierende (Abs 3) Umstände anzunehmen waren.

S. 140 - 141, Judikatur

Suchtgifthandel, Überlassen, Zusammenrechnung, gleichartige Realkonkurrenz, Additionsvorsatz, Restmenge

Wenn jeweils dasselbe Tatbild in gleichartiger Realkonkurrenz – wenn auch in unterschiedlichen Beteiligungsformen – verwirklicht und durch Zusammenrechnung das 25-Fache der Grenzmenge überschritten wird, wird nur ein Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1, Abs 4 Z 3 SMG begründet.

Bei Verwirklichung des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 SMG durch Überlassen von Suchtgift mit Additionsvorsatz ist das Überlassen über die Grenzmenge hinausgehender geringer Suchtgiftquanten nicht gesondert unter § 27 Abs 1 8. Fall SMG zu subsumieren.

S. 141 - 142, Judikatur

Suchtgifthandel; Erzeugen von Suchtgift; tatbestandliche Handlungseinheit

Wenn sich der Vorsatz des Angeklagten bei der Erzeugung von Suchtgift nicht auf die kontinuierliche Tatbegehung und den daran geknüpften Additionseffekt bezieht, sind die Tathandlungen nicht zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit verknüpft, sodass jedes Erzeugen eine selbständige Tat darstellt.

S. 142 - 143, Judikatur

Suchtgifthandel, Kokain, Weitergabe „harter“ Drogen, Erschwerungsgrund, Doppelverwertungsverbot, Verschlechterungsverbot.

Die aggravierende Bewertung der Inverkehrsetzung von „harten“ Drogen bei der Strafbemessung verstößt gegen das in § 32 Abs 2 1. Satz StGB verankerte Doppelverwertungsverbot.

S. 144 - 145, Judikatur

Elektronisch überwachter Hausarrest; res iudicata

Identität der Sache liegt vor, wenn sich gegenüber der früheren Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Begehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Eine bloße Änderung in der interpretativen Beurteilung einer Rechtsvorschrift bei unverändertem Normenbestand reicht alleine nicht hin, um das Vorliegen einer entschiedenen Sache im Sinne des § 68 Abs 1 AVG zu verneinen.

S. 145 - 145, Judikatur

Zuständigkeit, Aufsichtsbeschwerde

Die Frage der Zuständigkeit ist „eine stets notwendige verfahrensrechtliche Vorfrage eines Sachbegehrens“, die von Amts wegen wahrzunehmen ist. Anbringen, für die die Behörde nicht zuständig ist, sind an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder der Einschreiter an diese zu verweisen. (1)

Es besteht weder ein subjektives Recht auf Ausübung des Aufsichtsrechts oder auf Überprüfung durch das Vollzugsgericht nach §§ 16 Abs 3, 16a StVG noch auf eine Erledigung der Aufsichtsbeschwerde. (2)

S. 145 - 146, Judikatur

Anordnung des Vollzugsorts

Nach § 183 Abs 2 1. Satz StPO hat das Bundesministerium für Justiz (Generaldirektion für den Strafvollzug und den Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen) die Zuständigkeit einer anderen als der gem § 183 Abs 1 StPO zuständigen Justizanstalt anzuordnen, wenn dies zur Erreichung des Haftzwecks oder zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt notwendig ist. Dabei genügt, dass ein Verhalten des Strafgefangenen die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung abstrakt gefährden könnte.

S. 146 - 147, Judikatur

Elektronisch überwachter Hausarrest – Mitwirkung im Erhebungsverfahren

Bei der Entscheidung über den Antrag auf elektronisch überwachten Hausarrest ist (ua) von grundlegender Bedeutung, dass dieser nur bewilligt werden darf, wenn anzunehmen ist, dass der Betroffene diese Vollzugsform unter entsprechender sozialarbeiterischer Betreuung nicht missbrauchen werde. Von einem Verurteilten darf erwartet werden, aktiv am Erhebungsverfahren mitzuwirken. Der Umstand einer mangelnden Mitwirkung darf in das Kalkül der gem § 156c Abs 1 Z 4 StVG vorzunehmenden Prognoseentscheidung einfließen.

S. 152 - 153, Judikatur

Zeder, Fritz

Vorabentscheidungsersuchen der Corte suprema di cassazione (Italien) im Übergabeverfahren gegen G.N., C-261/22

1. Sind Art 1 Abs 2 und 3 sowie die Art 3 und 4 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI dahin auszulegen, dass sie es der vollstreckenden Justizbehörde nicht erlauben, die Übergabe einer Mutter von minderjährigen Kindern, die mit ihr zusammenleben, abzulehnen oder jedenfalls aufzuschieben?

2. Falls die erste Frage bejaht wird: Sind Art 1 Abs 2 und 3 sowie die Art 3 und 4 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI mit den Art 7 und 24 Abs 3 GRC, und zwar auch im Licht der Rechtsprechung des EGMR zu Art 8 EMRK sowie der gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten, vereinbar, soweit sie verlangen, dass die Mutter übergeben wird und dabei die Bindungen an die mit ihr zusammenlebenden minderjährigen Kinder ohne Berücksichtigung des ‚best interest of the child‘ (wohlverstandenes Kindesinteresse) durchtrennt werden?

S. 154 - 160, Judikatur

Verhängung einer Steuerstrafe unter Bezugnahme auf Bankunterlagen, die durch eine gerichtliche Anordnung unter Androhung von Zwangsgeldern erlangt wurden, verstößt nicht gegen den Nemo-tenetur-Grundsatz

Die Verwendung von Dokumenten, deren Herausgabe durch eine gerichtliche Anordnung unter Androhung von Zwangsgeldern erzwungen wurde, fällt nicht in den Schutzbereich des Nemo-tenetur-Grundsatzes, wenn es sich um bereits vorhandene Dokumente handelt und die Behörden Kenntnis von ihnen hatten. Wird in einer gerichtlichen Anordnung ausdrücklich angegeben, welche Unterlagen vorzulegen sind, kann davon ausgegangen werden, dass es sich um keine „fishing expeditions“ der Behörden handelt.

S. 160 - 160, Judikatur

Rechtsprechungsübersicht EGMR – Kurzinfo

Der Bf kämpfte im Jahr 2016 und 2017 in Syrien auf Seiten der kurdischen YPG gegen den Islamischen Staat. Im Jahr 2019 verurteilte ihn das dänische Höchstgericht zu einer sechsmonatigen Haftstrafe, da er gegen das dänische Strafgesetz verstoßen hatte, wonach dänischen Staatsangehörigen ein Aufenthalt in der betreffenden Region vorübergehend verboten war. Der EGMR kam zu dem Ergebnis, dass das Urteil nicht gesetzlos iS des Art 7 EMRK ergangen war, da die einschlägige strafrechtliche Bestimmung zwar zum Zeitpunkt der Verurteilung nicht mehr in Kraft, während des Aufenthalts des Bf aber zweifellos noch gültig gewesen war. Der EGMR stellte auch keine Verletzung des Rechts auf Freizügigkeit fest, da das innerstaatliche Gericht auf Grundlage der dänischen Regelung eine verhältnismäßige Interessensabwägung vorgenommen hatte. Insbesondere bezog sich das betreffende Gesetz auf eine kleine, klar abgegrenzte Region und sah eine regelmäßige Evaluierung der Reiseverbotszonen sowie eine Reihe von Ausnahmetatbeständen vor.

Im innerstaatlichen Verfahren stand die Zurechnungsfähigkeit der Bf in Frage, die schließlich wegen des versuchten Mordes an ihrem Ehemann verurteilt wurde. Die Bf starb jedoch, nachdem sie Beschwerde beim EGMR eingelegt hatte, worauf ihr Ehemann das Beschwerdeverfahren an ihrer statt fortsetzte. Der EGMR kam zu dem Ergebnis, dass das Landesgericht konventionswidrig die Anordnung eines entscheidenden psychiatrischen Gutachtens unterlassen hatte. Das Landesgericht hatte das erste Gutachten für nicht eindeutig befunden und daher ein zweites in Auftrag gegeben, das dem ersten jedoch widersprach. Die Abweisung des Antrags der Bf sowie der Staatsanwaltschaft auf Einholung eines dritten Gutachtens durch das Gericht stellte für den EGMR ein Überraschungselement dar, das die Verteidigungsrechte der Bf erheblich beeinträchtigt und somit die allgemeine Fairness des Verfahrens untergraben hatte.

Der Bf war in Ungarn wegen doppelten Mordes zu einer reduzierbaren lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden und wurde anschließend in ein ukrainisches Gefängnis überführt, um dort den Rest seiner Strafe zu verbüßen. Der EGMR kam zu dem Ergebnis, dass die Strafe durch die Überstellung des Bf in die Ukraine de facto in eine lebenslange Freiheitsstrafe ohne Bewährungsmöglichkeit umgewandelt wurde. In Anwendung seiner ständigen Rechtsprechung stellte er daher eine Verletzung von Art 3 EMRK fest. Die faktische Umwandlung der Strafe verstieß außerdem gegen das Verbot gem Art 7 EMRK, eine höhere Strafe als die im Zeitpunkt der Begehung der strafbaren Handlung angedrohte Strafe zu verhängen.

Der Bf fischte unter bulgarischer Flagge in der ausschließlichen Wirtschaftszone Rumäniens. Die Behörden stellten fest, dass er keine rumänische Fischereilizenz besaß und Netze zum Einsatz brachte, die nach der rumänischen Rechtslage verboten waren. Die Europäische Kommission wies die Behörden jedoch darauf hin, dass die rumänische Rechtslage und deren Anwendung im konkreten Fall gegen mehrere EU-Verordnungen verstieß, die im Rahmen der gemeinsamen Fischereipolitik erlassen worden waren. Wegen der unionsrechtswidrigen Rechtslage waren zudem bereits Nichtigkeitsklagen gegen Rumänien anhängig. Der EGMR stellte fest, dass es sich bei der Anwendung der rumänischen Vorschriften unter Nichtbeachtung der einschlägigen EU-Verordnungen um einen offensichtlichen Rechtsfehler vonseiten der Behörden handelte, und bemängelte, dass die nationalen Gerichte allenfalls ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH hätten richten können. Daher kam der EGMR zu dem Ergebnis, dass der Bf Opfer einer Rechtsverweigerung (denial of justice) war und bejahte einen Verstoß gegen Art 6 EMRK.

S. 165 - 169, Neuerscheinungen zum Wirtschaftsstrafrecht – eine Literaturauslese

Neuerscheinungen zum Wirtschaftsstrafrecht – eine Literaturauslese

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