Die Abschätzung möglicher Konsequenzen von Gesetzgebung ist ein wichtiges Instrument zur Erhöhung der Transparenz und Bürgernähe des unionalen Rechtsetzungsprozesses und soll damit der Steigerung der Legitimität der Unionsrechtsordnung dienen. Die vorliegende Arbeit beleuchtet nach einer detaillierten Darstellung der einschlägigen Rechtsgrundlagen die praktische Durchführung, die Konsequenzen sowie die Möglichkeiten der gerichtlichen Durchsetzung von Gesetzesfolgenabschätzung bzw ihrer Ergebnisse. Trotz einer im Ganzen positiven Beurteilung des Instruments werden schließlich seine derzeitigen Defizite aufgezeigt, die das Ziel, die Legitimität der EU-Rechtsordnung zu erhöhen, letztlich in Frage stellen.
- ISSN Online: 1613-7663
160,00 €
inkl MwSt
Inhalt der Ausgabe
Vor dem Hintergrund der besonders in Deutschland anhaltenden Debatte darüber, ob die in den Krisenjahren 2010 bis 2012 zur „Euro-Rettung“ gefassten Beschlüsse vom erst kurz zuvor in Kraft getretenen Vertrag von Lissabon gedeckt sind oder eine weitere Vertragsänderung erfordern, diskutiert der vorliegende Beitrag ausführlich die bestehenden Primärrechtsnormen, insb Art 122 und 125 AEUV, ihre historischen Grundlagen sowie die einschlägige Judikatur des EuGH. Anschließend wird hergeleitet, dass der zur Errichtung des ESM neu eingefügte Art 136 Abs 3 AEUV lediglich eine Selbstverständlichkeit kodifiziert und eher der innenpolitischen Debatte in Deutschland als juristischer Notwendigkeit geschuldet ist. Obschon der Beitrag das bestehende Primärrecht für eine tragfähige Grundlage der „Euro-Rettung“ versteht, wird längerfristig die Notwendigkeit einer Vertragsreform nicht bestritten, jedoch darauf hingewiesen, dass Vertragsänderung nicht nur den politischen Handlungsrahmen erweitern und die europäische Integration stärken, sondern zugleich auch nicht zu unterschätzende zentrifugale Kräfte in der Union aktivieren können.
S. 319 - 352, Aufsatz
Österreich und die Europäische UnionAustria and the European Union
Der vorliegende Beitrag bietet nicht nur einen Überblick über den derzeitigen Stand der österreichischen Mitgliedschaft in der EU und ihrer Vorgeschichte, sondern zieht in einem rechts- und verfassungsvergleichenden Ansatz zahlreiche Parallelen zu den entsprechenden Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland.
Die Idee einer Zusammenarbeit zwischen dem Europäischen Parlament als Vertretung der Unionsbürger und der Parlamente der Mitgliedstaaten als Kontrolleure der Regierungsvertreter im (Europäischen) Rat erscheint unmittelbar plausibel und ist im EUV in Art 12f ausdrücklich vorgesehen.
Vor diesem Hintergrund diskutiert der vorliegende Beitrag am Beispiel des Deutschen Bundestages die Grundlagen für eine solche Zusammenarbeit, die sich aus dem Unionsrecht und dem deutschen Europaverfassungsrecht ergeben und ergänzt diese Perspektive um Mechanismen und Elemente informeller interparlamentarischer Kooperation.
Der Beitrag kommt zu dem Schluss, dass die Rechtsgrundlagen der Zusammenarbeit ausreichend sind. Insbesondere der primärrechtlichen Unterrichtungsverpflichtung der Unionsorgane gegenüber den nationalen Parlamente und der Verpflichtung, Vertragsänderungen im Regelfall im Konventsverfahren durchzuführen wird große Bedeutung zugemessen. Bei der Subsidiaritätskontrolle hingegen stehen Aufwand und Ertrag in einem ungünstigen Verhältnis. Insgesamt sind nationale Parlamente in der Unionspolitik Informationsempfänger, nicht Nebengesetzgeber.
Der Mechanismus zur Kontrolle des Subsidiaritätsprinzips, an dem die nationalen Parlamente aufgrund des Vertrags von Lissabon beteiligt sind, führt unmittelbar zu keiner bedeutenden Verbesserung der Subsidiaritätskontrolle oder der Stellung der nationalen Parlamente und wurde in der Praxis erst einmal betätigt. Die Kommission hat jedoch im Vorfeld und im Umfeld des Vertrags von Lissabon Maßnahmen bei der Ausarbeitung von Gesetzesentwürfen ergriffen, die die Beachtung des Subsidiaritätsprinzips stärken und den nationalen Parlamenten die Möglichkeit geben, ihren Standpunkt zu Gehör zu bringen. Durch die Abgabe von begründeten Stellungnahmen in ausreichender Zahl können die nationalen Parlamente außerdem frühzeitig unterstreichen, dass ein Gesetzesentwurf Probleme aufwirft. Darin liegt allerdings nicht der eigentliche Zweck des Mechanismus.
Der vorliegende Beitrag behandelt die Frage der Zulässigkeit der völkerrechtskonformen Auslegung von Unionsrecht. Während die völkerrechtskonforme Auslegung von Sekundärrecht idR geboten erscheint – dies spiegelt sich auch in der Judikatur des EuGH wider – ist fraglich, inwieweit dies auch für Unionsprimärrecht gilt, das ja selbst völkerrechtliche Wurzeln hat. Es wird die Ansicht vertreten, dass die völkerrechtskonforme Auslegung von Unionsprimärrecht aus normhierarchischen Gründen nur eine untergeordnete Rolle spielen kann.
S. 417 - 439, Aufsatz
Wann muss ein Gericht die Aufhebung eines Gesetzes beim VfGH beantragen?When Must a Court Submit an Abolishment of a Law to the Constitutional Court?
Die folgende, auf die österreichische Verfassungsrechtslage bezogene Untersuchung geht der Frage nach, wann ein Gericht die Aufhebung eines Gesetzes beim VfGH zu beantragen hat. Eine Sichtung der Literatur, vor allem aber der Rechtsprechung, zeigt, dass die Antwort auf diese scheinbar leicht zu beantwortende Frage umstritten ist. In engem Zusammenhang mit den unterschiedlichen Auffassungen steht die verfassungspolitische Diskussion um die Einführung einer sogenannten „Gesetzesbeschwerde“ und die methodologische Diskussion um die Zulässigkeit der verfassungskonformen Interpretation von Gesetzen. Wie zu zeigen sein wird, ist die verschiedentlich vertretene Meinung, die österreichische Bundesverfassung ermächtige die ordentlichen Gerichte zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit einfacher Gesetze, irrig und beruht auf einem Missverständnis über die Auslegung des Art 89 B-VG, das (mindestens) so alt ist wie das B-VG selbst. Abschließend wird versucht, ein Schema zu entwickeln, anhand dessen in konkreten Gerichtsverfahren die Frage, ob ein Vorgehen nach Art 89 Abs 2 B-VG angezeigt ist, beantwortet werden kann.
Dieser Aufsatz analysiert die Rechtmäßigkeit des Einsatzes des Abstimmungsverfahrens mit umgekehrter Mehrheit, das in den Rechtsakten des sogenannten „Six-Pack“ zur europäischen Wirtschaftsregierung an verschiedenen Stellen vorgesehen ist. Nach einer detaillierten Darstellung der Konsequenzen des Verfahrens für unterschiedliche Abstimmungsszenarien wird es ausführlich rechtlich gewürdigt um zu dem Schluss zu kommen, dass die Abstimmung mit umgekehrter Mehrheit sich im Rahmen des EU-Primärrechtes befindet.
Weitere Hefte aus dieser Zeitschrift