Die Bekanntgabe ist im Abgaben- und Finanzstrafrecht ein fundamentales Ereignis. Behördliche Erledigungen können nämlich vor deren Bekanntgabe keine Rechtswirkungen entfalten. Zugleich knüpfen zahlreiche Rechtsfolgen an die Bekanntgabe an. Schriftliche Erledigungen gelten grundsätzlich durch deren Zustellung als bekanntgegeben. Auch wenn auf den ersten Blick die Bekanntgabe bzw die Zustellung relativ einfach bewirkt werden kann, zumal dafür grundsätzlich genügt, dass die Erledigung in den Verfügungsbereich des Empfängers gelangt, so birgt der Zustellvorgang dennoch zahlreiche Fallstricke in sich. Abgabepflichtige und ihre steuerlichen Vertreter sollten sich insbesondere bei Bekanntgabe der Vollmacht und bei der Bescheidprüfung die Grundprinzipien des Zustellrechts immer vor Augen führen, zumal für gewöhnlich Zustellfehler die Erledigungen mit Nichtigkeit behaften. Dies führt dazu, dass Fehler im Zustellvorgang einerseits die Rechtssicherheit tangieren können, andererseits auch Umstände bilden, um „vereinfacht“ die Rechtswirksamkeit einer Erledigung zu beanstanden. Der nachfolgende Beitrag soll daher unter Bezugnahme auf aktuelle Judikatur aufzeigen, welche Bereiche des Zustellrechts sich in der Praxis als fehleranfällig herausgestellt haben und Aufschluss darüber geben, worauf Abgabepflichtige und ihre Vertreter besonders Acht geben müssen.
- ISSN Online: 2663-8428
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Inhalt der Ausgabe
S. 53 - 59, Abgabenverfahren
Aktuelle Praxisfragen und Judikatur aus dem Zustellrecht
Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die abgabenrechtliche Verjährungsfrist gemäß § 207 Abs 2 zweiter Satz BAO zehn Jahre. Tatbestandsvoraussetzung für die Verlängerung der Verjährungsfrist auf zehn Jahre ist, dass eine Abgabenhinterziehung vorliegt. Das Vorliegen einer Abgabenhinterziehung und damit die Frage, ob eine Abgabe hinterzogen ist, ist, sofern noch keine rechtskräftige Verurteilung vorliegt, eine Vorfrage, welche die Abgabenbehörde (bzw das Bundesfinanzgericht) zu beurteilen hat. Fraglich ist jedoch bei jenen Fällen, in denen eine rechtskräftige Verurteilung hinsichtlich einer Abgabenhinterziehung nicht vorliegt, welches Beweismaß für die Beurteilung der hinterzogenen Abgabe anzuwenden ist. Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist dazu divergierend. In einigen Entscheidungen hat der VwGH ausgesprochen, dass die Abgabenbehörde die „strengeren“ Beweisregeln des Strafrechts (Unschuldsvermutung und Zweifelsgrundsatz) anzuwenden hat. Aus anderen Entscheidungen kann wiederum abgeleitet werden, dass für die abgabenrechtliche Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen wurden, ein anderes Beweismaß als im (Finanz)Strafrecht gelten würde. Der nachfolgende Beitrag wird diese uneinheitliche Rechtsprechung des VwGH analysieren und soll Aufschluss darüber gegeben, ob es gegebenenfalls Gründe für die Divergenz gibt oder im Ergebnis die Frage nach dem anzuwendenden Beweismaß doch eindeutig ist.
Der VwGH hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wann der Fristenlauf für eine Beschwerde bei fehlender Begründung beginnt. Er hatte Gelegenheit mit einem verbreiteten Missverständnis aufzuräumen.
Unter welchen Voraussetzungen eine Selbstanzeige iSd § 29 Abs 6 FinStrG „anlässlich“ der Ankündigung einer abgabenbehördlichen Prüfung erstattet wird, ist nicht abschließend geklärt. Insbesondere ist strittig, ob die Prüfungsankündigung kausal für die Erstattung der Selbstanzeige gewesen sein muss. Wird dies bejaht, stellt sich die Frage der Ermittlungspflicht der Abgabenbehörde.
S. 74 - 78, Finanzstrafrecht
Anmerkungen zum Beitrag von Rainer Obermann „Nochmals Selbstanzeige laut gedacht – erste Überlegungen de lege ferenda“
Obermann hat im Rahmen seines Beitrages verdienstvollerweise grundlegende Änderungsvorschläge zur in § 29 FinStrG normierten Selbstanzeigebestimmung unterbreitet. Ziel ist es, eine legistische Sanierung anzustoßen, um Anwendungsschwierigkeiten der besonders praxisrelevanten Strafaufhebungsnorm einzudämmen. Die aus unserer Sicht zentralsten von Obermann selbst als Diskussionsvorschläge bezeichneten Anregungen sollen in gegenständlicher Anmerkung aufgegriffen werden, wobei eingangs noch ein kurzer Abriss in Bezug auf die Teleologie der Selbstanzeigebestimmung erfolgen soll, da dieser im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung der Norm entscheidende Bedeutung zukommt. Eine solche Querverbindung wurde im Rahmen des Beitrages von Obermann bedauerlicherweise nicht gezogen.
S. 79 - 87, Finanzstrafrecht
DAC 7 und CESOP als Quelle finanzstrafrechtlicher Ermittlungen
In jüngerer Vergangenheit wurden die bereits bestehenden Meldepflichten an die Finanzverwaltung auf Basis zweier EU-Richtlinien erweitert:
Mit DAC 7 (Richtlinie (EU) 2021/514), national umgesetzt durch das Digitale Plattformen-Meldepflichtgesetz (DPMG), werden Plattformbetreiber,
mit CESOP (Richtlinie (EU) 2020/284), national umgesetzt durch § 18a UStG, werden Zahlungsdienstleister
in die Pflicht genommen. Der folgende Beitrag stellt die beiden Rechtsgrundlagen überblicksweise dar, zeigt auf, in welcher Weise DAC 7 bzw CESOP potenzielle Datenquellen für die Einleitung eines österreichischen Finanzstrafverfahrens darstellen können und was dabei iZm Selbstanzeigen (die ggf in mehreren Staaten erfolgen) zu beachten ist.