Die Zunahme der politischen Macht von Großunternehmen, insbesondere in digitalen Märkten, gilt als eine mögliche Ursache für das sinkende Vertrauen der BürgerInnen in demokratische Prozesse. Dieser Beitrag stellt die Frage, ob und wie Marktmacht zur Verzerrung demokratischer Prozesse führen kann und welche Implikationen daraus für Wettbewerbspolitik und Regulierung resultieren. Großunternehmen agieren auf dem ökonomischen und politischen Markt, wobei diese beiden Märkte interdependent und positiv miteinander verkoppelt sind: Ökonomische Macht ermöglich politische Macht, die wiederum die ökonomische Macht stärken kann. Die Gefahr ist, dass Unternehmen hierdurch eine Machtposition erreichen können, die sich aus gesellschaftlicher Sicht als too-big-to-regulate erweist. Weil das Verhalten von Unternehmen auf politischen Märkten den politischen Prozess verzerren kann, sind anti-demokratische Effekte möglich. Demgegenüber kann Wettbewerbspolitik pro-demokratische Effekte haben, indem sie den Aufbau ökonomischer Machtpositionen erschwert und damit die Ausübung politischer Macht reduziert. In der kartellrechtlichen Entwicklung spielte dieses Argument eine zentrale Rolle und es stellt sich die herausfordernde Frage, wie eine zeitgemäße Aktualisierung dieser Traditionen gestaltet sein könnte.



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- 2309-7507
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Inhalt der Ausgabe
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S. 39 - 52, Abhandlung
Christian Reiner -
S. 53 - 59, Abhandlung
Alexander Reiter / Anna KohlmaierLaut § 37d Abs 2 KartG ist der Kartellschadenersatzanspruch gemäß § 1000 Abs 1 ABGB zu verzinsen. Bisher ungeklärt ist, ob bei einem aufrechten unternehmensbezogenen Vertragsverhältnis zwischen dem Kartellschädiger und dem Kartellgeschädigten der allgemeine deliktische Zinssatz (4% pa) oder der höhere unternehmerische Verzugszinssatz (9,2% über dem Basiszinssatz pa) zur Anwendung kommt. Der gegenständliche Beitrag analysiert die Systematik und die europäischen Vorgaben der relevanten Bestimmungen und erläutert, weshalb Kartellschadenersatzansprüche nach Ansicht der Autoren als deliktische Ansprüche zu qualifizieren sind und die Anwendbarkeit der unternehmerischen Zinsen für diese ausscheidet.
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S. 60 - 70, Abhandlung
Ina KapustaDas europäische Kartellschadenersatzrecht wird seit mehr als zwei Jahrzehnten maßgeblich durch die dynamische Rechtsprechung des EuGH geprägt. Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung war die Leitentscheidung in der Rs Courage und Crehan (C-453/99), welche erstmals einen unionsrechtlich fundierten Schadenersatzanspruch bei Kartellrechtsverstößen anerkannte. Dieser Anspruch wurde in der Folge sowohl hinsichtlich der materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen (vgl Rs Manfredi [C-295/04] zum Kausalzusammenhang) als auch hinsichtlich prozessualer Anforderungen an die Durchsetzung dieses Anspruchs konkretisiert (vgl insbesondere Rs Pfleiderer [C-360/09] zur Notwendigkeit einer Einzelfallentscheidung durch das Gericht und Rs Donau Chemie [C-536/11] zur Unzulässigkeit der notwendigen Zustimmung der Parteien). Durchgängiges Leitmotiv der Rechtsprechungslinie war der in Art 4 Abs 3 EUV primärrechtlich verankerte Effektivitätsgrundsatz.
Diese Rechtsprechungslinie wurde schließlich vor nunmehr zehn Jahren von dem Unionsgesetzgeber mit der Kartellschadensersatzrichtlinie (2014/104/EU, im Folgenden SE-RL) aufgegriffen, deren Ausgestaltung allerdings neue Spannungsfelder schuf – insbesondere durch das absolute Offenlegungsverbot des Art 6 Abs 6 SE-RL, das eine Einzelfallentscheidung durch das Gericht, wie sie der EuGH judizierte, in jedem Verfahrensstadium und absolut ausschließt. Der nachfolgende erste Teil von gesamt zwei (Teil-)Beiträgen untersucht daher die Vereinbarkeit des Art 6 Abs 6 SE-RL mit der Rechtsprechung des EuGH und dem ihr zugrunde liegenden primärrechtlichen Effektivitätsgrundsatz.
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S. 71 - 75, Entscheidung
Johannes Peter Gruber