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Heft 3, Juli 2024, Band 11

eJournal-Heft
  • ISSN Online: 2312-1920

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Inhalt der Ausgabe

S. 193 - 196, Aktuelle Gesetzesvorhaben

Alexander Tipold

Beitrag zu den Verteidigungskosten und Neuregelungen im Bereich des Rechts der Verteidigung

Ein Ministerialentwurf sieht eine Neugestaltung und Ausweitung des Verteidigerkostenbeitrages vor, und zwar im Fall des Freispruchs, aber auch bei Einstellung des Ermittlungsverfahrens. Bereits am 18.4.2024 in Kraft getreten ist eine Novelle der StPO, des JGG, des FinStrG und des VStG, die auf einem Initiativantrag beruhte. In diesem Sammelgesetz wurden kleine Korrekturen bei einzelnen Regeln betreffend die Verteidigung vorgenommen, um Kritikpunkten der Europäischen Kommission nachzukommen und Zweifel an der Umsetzung der RL Rechtsbeistand auszuräumen. Im Zuge des parlamentarischen Verfahrens wurde ein Abänderungsantrag zur Senkung des Strafmündigkeitsalters eingebracht, der abgelehnt wurde.

S. 197 - 204, Aufsatz

Laura Hauser

Schweigen als Täuschung: Gewerbsmäßiger Betrug durch Unterlassen der Aufklärungspflicht über längere Zeit?

Die Bezieher von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe sind verpflichtet, eine Änderung ihrer beruflichen Verhältnisse unverzüglich bei der zuständigen Stelle gem § 50 Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) zu melden. Werden die geänderten Umstände nicht bekanntgegeben, stellt sich die Frage, ob dieses Verschweigen eine Täuschung über Tatsachen darstellen kann, welches iS des §§ 2 iVm 146 StGB zu einer Strafbarkeit wegen Betrugs durch Unterlassen führen würde. Kommt der Bezieher dieser Aufklärungspflicht über längere Zeit hindurch nicht nach, ist fraglich, ob dieses andauernde Unterlassen auch eine wiederkehrende „Begehung“ und somit eine Gewerbsmäßigkeit iS des § 148 StGB begründen kann. Diese Fragen wurden in zwei jüngsten Entscheidungen des OLG Wien unterschiedlich gelöst und werden im vorliegenden Beitrag eingehend erörtert.

S. 205 - 218, Aufsatz

Florina Fischer

Strafbarkeit von Submissionsabsprachen nach der Wettbewerbs- und Kartellgesetznovelle 2002

Mit der Wettbewerbs- und Kartellgesetznovelle 2002 wurden die gerichtlichen Strafbestimmungen im KartG abgeschafft. Stattdessen wurde ein eigener Straftatbestand für wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Vergabeverfahren in § 168b StGB geschaffen. Seit Inkrafttreten der Novelle ist höchstgerichtliche Rspr zur Strafbarkeit von Submissionsabsprachen in weiten Teilen ausständig. Die letzte Entscheidung des OGH zum Submissionsbetrug erging vor nunmehr rund 20 Jahren. Der vorliegende Beitrag untersucht, wie Submissionsabsprachen aktuell strafrechtsdogmatisch zu beurteilen sind und legt hierbei den Fokus auf die umstrittene Frage der Betrugsstrafbarkeit.

S. 219 - 224, Aufsatz

Ingrid Mitgutsch

„Dürfen wir unsere Kinder einsperren?“ – Gedanken aus strafrechtlicher Sicht

Der Beitrag beruht auf einem Impulsreferat, das die Verfasserin am 21.3.2024 beim diesjährigen Vortragsabend des Vereins Jung zum Thema „Dürfen wir unsere Kinder einsperren? – Grenzen der Freiheitsentziehung von Minderjährigen“ an der Johannes Kepler Universität Linz gehalten hat. Diskutiert wurde die Frage dort nicht nur aus zivilrechtlicher (Univ.-Prof. Dr. Erika Wagner) und sozialarbeiterischer (Mag. FH Martin Hofer) Sicht, sondern auch aus strafrechtlicher Perspektive, welche an dieser Stelle geschildert wird.

S. 225 - 230, Aufsatz

Nikolai Schäffler

Neutrale Unternehmensaktivitäten versus Beihilfe zu völkerrechtlichen Verbrechen – eine Abgrenzung

Der Beitrag erörtert die Abgrenzung neutraler Unternehmensaktivitäten von strafrechtlich relevanter Beihilfe unter Heranziehung der Lehre von der objektiven Zurechnung. Konkret geht es um Beihilfestrafbarkeit im Rahmen globaler Lieferketten, als Bewertungsgrundlage fungiert das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs.

S. 231 - 236, Aufsatz

Rebecca Walter / Walter Hammerschick

Die Anwendung des EU Rahmenbeschlusses 2008/947/JI in Österreich: Von fast totem Recht zu zugänglichem Recht?

Der Rahmenbeschluss 2008/947/JI regelt die Überstellung von Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Tatsächlich ist er nicht nur wenig bekannt, sondern wird auch kaum angewendet. Auf der Basis von Ergebnissen und Beobachtungen aus dem EU-Projekt J-CAP erkundet der vorliegende Beitrag Qualitäten und Schwierigkeiten des Rahmenbeschlusses und stellt Überlegungen an, wie dem fast toten Recht etwas Leben eingehaucht werden könnte.

S. 237 - 240, Aufsatz

Adrian Eugen Hollaender

Der Fall O.J. Simpson – der wohl spektakulärste Strafprozess der Welt

Der (erstmals in der Justizgeschichte live im TV übertragene) Mordprozess gegen den amerikanischen Footballstar O. J. Simpson zog die Welt in ihren Bann. Dabei löste insbesondere der nach juristischem und forensischem Ringen zwischen Anklage und Verteidigung von letzterer überraschend erzielte Freispruch intensive Debatten nicht nur über den Fall selbst, sondern über das US-Rechtssystem überhaupt aus. Nunmehr ist der Protagonist jenes Verfahrens verstorben, was aktuellen Anlass dazu gibt, den kontroversen Prozess in Erinnerung zu rufen, dessen spannenden Verlauf darzustellen und bei der Gelegenheit auch einige Besonderheiten des US-amerikanischen Strafverfahrensrechts zu beleuchten.

S. 243 - 247, Judikatur

Betrug durch Unterlassen (I)

Auch wenn der Angeklagte das rechtlich Gesollte, nämlich die unverzügliche Anzeige der Aufnahme einer Beschäftigung, längere Zeit hindurch unterlässt und dadurch rund ein Jahr lang regelmäßig unrechtmäßig Einnahmen lukriert, bedeutet das nicht, dass ihm die Unterlassung beliebig oft als neue Täuschungshandlung angelastet werden kann. Bei der Aufnahme der Beschäftigung handelt es sich nämlich um den einzigen, die Anzeigepflicht im Tatzeitraum potenziell auslösenden Umstand, sodass daher bloß eine einzige Täuschung durch Unterlassung anzunehmen ist, weil eine über die Aufnahme der Beschäftigung hinausgehende maßgebliche Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorliegt.

S. 247 - 250, Judikatur

Betrug durch Unterlassen (II)

Unterlässt es der Angeklagte entgegen § 50 AlVG von Beginn an vorsätzlich, die Aufnahme einer Beschäftigung und jede andere für das Fortbestehen und das Ausmaß des Anspruchs maßgebende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse anzuzeigen, und belässt er dadurch die Geschäftsstelle trotz monatlicher Bezüge im Irrtum über seine tatsächlichen Einkünfte, so liegen darin (monatlich) wiederholte Unterlassungen der gebotenen Meldung.

S. 250 - 252, Judikatur

Gewerbsmäßigkeit beim Diebstahl

Neben der in § 70 Abs 1 StGB umschriebenen Absicht erfordert die rechtliche Annahme gewerbsmäßiger Begehung, dass der Täter – von der in casu nicht indizierten Variante des § 70 Abs 1 Z 2 StGB abgesehen – entweder unter Einsatz besonderer Fähigkeiten oder Mittel handelt, die eine wiederkehrende Begehung nahelegen (Z 1 leg cit), oder innerhalb der in § 70 Abs 3 StGB genannten Zeitspanne bereits zwei solche Taten begangen hat oder einmal wegen einer solchen Tat verurteilt worden ist (Z 3 leg cit).

S. 252 - 253, Judikatur

Unzulässiger Erkundungsbeweis; Zusatzfrage nach Schuldunfähigkeit

Wenn die Beschwerdeführerin in ihrem allein maßgeblichen Antrag in der Hauptverhandlung nicht substanziiert darlegt, worin ein formaler Mangel (§ 127 Abs 3 1. Satz StPO) im Sachverständigengutachten zu erblicken gewesen wäre, sondern sich, ohne auf die genannten Erläuterungen der Sachverständigen einzugehen, darauf beschränkt, einen solchen Mangel lediglich zu behaupten, so zielt der Antrag auf die Überprüfung des bereits erstatteten Sachverständigengutachtens und damit auf Erkundungsbeweisführung ab, weshalb er unabhängig von der diesbezüglichen Begründung sanktionslos abgewiesen werden kann.

Zusatzfragen nach allfälliger Schuldunfähigkeit sind nur zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse ernsthaft indiziert hätten, dass einer der in § 11 StGB genannten Zustände vorlag und hierdurch die Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit der Angeklagten ausgeschlossen wurde.

S. 253 - 256, Judikatur

Erhebliche Tatsachen; Verhältnis § 107b StGB zu seinen Anknüpfungsdelikten

Ein auf die Erschütterung der Glaubwürdigkeit des Opfers abzielender Beweisantrag ist zwar grundsätzlich auf erhebliche Tatsachen gerichtet, weil die Beweisführung zur Beweiskraft von schulderheblichen Beweismitteln ihrerseits für die Schuldfrage von Bedeutung ist. Berechtigt ist ein solcher Antrag aber nur dann, wenn sich aus dem Antragsvorbringen konkrete Anhaltspunkte für die Annahme ergäben, die betreffende Zeugin habe in Bezug auf eine entscheidende Tatsache die Unwahrheit gesagt. Erheblich sind Tatumstände, welche die – von den Tatrichtern als notwendige Bedingung für die Feststellung einer entscheidenden Tatsache bejahte Überzeugungskraft der Aussage eines Zeugen oder Angeklagten in Bezug auf diese entscheidende Tatsache ernsthaft in Frage stellen.

Entsprechend dem Gebot zu bestimmter, aber gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) ist das Gericht weder verpflichtet, den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen von Zeugen im Urteil zu erörtern und daraufhin zu untersuchen, inwieweit jede einzelne Angabe für oder gegen diese oder jene Darstellung spricht, noch ist es dazu verhalten, sich mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde konkret erhobenen Einwand im Voraus auseinanderzusetzen.

Die Verwirklichung des Qualifikationstatbestands des § 107b Abs 4 2. Fall StGB ist – ähnlich wie beim Grundtatbestand des § 107b Abs 1 StGB – anhand (nicht schematischer, sondern) einzelfallbezogener Betrachtung der Faktoren Art, Intensität und Anzahl der Angriffe zu beurteilen. Dabei können – wie vom Gesetzeswortlaut (arg „wiederholt“) vorgegeben – schon zwei im Rahmen einer fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 3 StGB begangene Straftaten gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung diese Qualifikation begründen, wenn sie von entsprechender Art und Intensität sind.

Delikte, die nicht von der Subsidiaritätsklausel des § 107b Abs 5 StGB umfasst sind, werden vom jeweiligen Tatbestand des § 107b StGB verdrängt (Spezialität).

S. 257 - 258, Judikatur

Suchtgift, Reinheitsgehalt, Cannabiskraut, Delta-9-THC, THCA, Berechnung der Grenzmenge, Begründungsmangel

Der Wahrscheinlichkeitsschluss vom Wirkstoffgehalt des sichergestellten Cannabiskrauts auf jenen des vom Beschwerdeführer (über mehr als zehn Jahre hinweg) erzeugten Cannabiskrauts widerspricht weder Gesetzen der Logik noch grundlegenden Erfahrungswerten.

S. 258 - 259, Judikatur

Suchtgifthandel, Marihuana, Kokain, Zusammenrechnung von Suchtgiftmengen

§ 28a Abs 4 Z 3 SMG stellt eine besondere Art von Zusammenrechnungsgrundsatz für jeweils große Mengen – vergleichbar dem für wert- und schadensqualifizierte Delikte geltenden § 29 StGB – dar. Daher war der Schuldspruch wegen des Vergehens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 2. und 3. Fall, Abs 3 1. Fall SMG neben dem Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 2. und 3. Fall, Abs 4 Z 3 SMG verfehlt.

S. 260 - 260, Judikatur

Haftort

Ein pauschaler Verweis auf „die Erreichung der Haftzwecke“ (§§ 182 Abs 2, 185 Abs 2 StPO) ist für eine Entscheidung nach § 183 StPO nicht ausreichend. Vielmehr sind die fallkonkreten Haftgründe, anhand derer die Haftzwecke zu prüfen sind, ebenso festzustellen wie die Personen, von denen eine Trennung vorgenommen werden muss.

S. 260 - 261, Judikatur

Behandlung und Betreuung

Ein subjektiv-öffentliches Recht auf eine den Vollzugszwecken nicht dienende Behandlung besteht nicht.

S. 261 - 262, Judikatur

Elektronisch überwachter Hausarrest – Kostenbeitrag

Der „zu einer einfachen Lebensführung notwendige Unterhalt“ (§ 156b Abs 3 StVG) ist ein zwischen dem „notdürftigen“ und dem „standesgemäßen“ Unterhalt liegender Betrag, der abstrakt zwischen dem statistischen Durchschnittseinkommen eines unselbstständig Erwerbstätigen und dem Existenzminimum liegt und unter Würdigung der Umstände des Einzelfalles eine die Bedürfnisse des Einzelnen berücksichtigende bescheidene Lebensführung gestattet.

S. 263 - 263, Judikatur

Zuständigkeit des Vollzugsenats gem § 16 Abs 3 StVG

Die Frage der Zuständigkeit ist „eine stets notwendige verfahrensrechtliche Vorfrage eines Sachbegehrens“. Wird diese verneint, ist das Anbringen gem § 6 AVG an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder die einschreitende Person an diese zu verweisen.

S. 266 - 266, Judikatur

Keine konkrete Wirkung bei nur das Adhäsionserkenntnis betreffender Gesetzesverletzung und bestehendem Vertrauensschutz des Opfers

Eine Durchbrechung der Rechtskraft von in einem Strafverfahren ergangenen Entscheidungen über zivilrechtliche Ansprüche in Stattgebung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ist wegen des damit verbundenen Eingriffs in eine durch Art 1 1. ZPMRK geschützte Rechtsposition dann nicht möglich, wenn die von der Nichtigkeitsbeschwerde aufgegriffene Gesetzesverletzung nur das Adhäsionserkenntnis betrifft (ohne den Schuldspruch zu tangieren) und das Opfer auf dessen Rechtskraft vertrauen darf (vgl RIS-Justiz RS0124740, RS0124838; Ratz, WK-StPO § 292 Rz 43/1).

Dieser Vertrauensschutz kommt zum Tragen, wenn der Zuspruch auch nicht mehr mit Erneuerungsantrag angefochten werden kann (RIS-Justiz RS0124798 [T2, T4]).

S. 266 - 267, Judikatur

Zur Anwendbarkeit auf bestellte Prüfungsgesellschaften und die für diese tätigen prüfungsverantwortlichen Personen

§ 163b StGB wurde durch das StrÄG 2015, BGBl I 2015/112, zur Schaffung eines einheitlichen Straftatbestands eingeführt (zuvor fanden sich die Tatbestände des Bilanzstrafrechts in den die jeweilige Gesellschaftsform regelnden Bundesgesetzen). In der Literatur wird jedoch im Fall der Bestellung einer Prüfungsgesellschaft – was in der Praxis freilich den Regelfall darstellt – eine Strafbarkeit sowohl der Gesellschaft als auch der natürlichen Personen, die für die Gesellschaft die Prüfung faktisch vornehmen, (teilweise) verneint (statt vieler Rohregger in WK2 StGB § 163b Rz 7 mwN)

Nach ha Auffassung ist aber auch bei der Bestellung einer Prüfungsgesellschaft als Prüfer – in Übereinstimmung mit der vom Bundesministerium für Justiz vertretenen Rechtsansicht (vgl den Erlass vom 4. November 2022, GZ 2022-0.669.158) und der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Wien (Beschluss vom 29. März 2016, AZ 23 Bs 109/15w) – Tatsubjekt des § 163b StGB die natürliche Person, die iSd § 77 Abs 9 WTBG 2017 die für die Erledigung entsprechende Berufsberechtigung besitzt und gemäß § 274 Abs 7 UGB den Bestätigungsvermerk unterschreibt. Nach dem Wortlaut der Bestimmung bezieht sich nämlich das Wort „bestellt“ lediglich auf die Generalklausel („sonst als aufgrund verbandsrechtlicher Bestimmungen bestellter Prüfer mit vergleichbaren Funktionen“). Zudem bliebe ansonsten – weil in der Praxis die Beauftragung einer Prüfungsgesellschaft den Regelfall darstellt – für diese Bestimmung nur ein geringer praktischer Anwendungsbereich (zum Ganzen Zeder, Bilanzstrafrecht: Die neuen Bestimmungen (§§ 163a–163d StGB) in Leitner/Brandl [Hrsg], Finanzstrafrecht 2016 [2017]; jüngst Altenberger/Brandstetter, „Bestellte Prüfer“ als Tatsubjekte iSd § 163b StGB, ZWF 2023, 106 ff).

S. 266 - 266, Judikatur

Zur Qualifikation der sog „ToSo“-Betrugsmasche („Tochter-Sohn-Trick“) als Datenbetrug

„Falsche Daten“ iSd § 147 Abs 1 Z 1 vierter Fall StGB bilden das Gegenstück zur „falschen Urkunde“ nach dem ersten Deliktsfall des § 223 StGB. Zentraler Ansatzpunkt für die Prüfung der Echt- bzw Unverfälschtheit eines Datums ist daher – unabhängig von dessen inhaltlicher Richtigkeit – die Erkennbarkeit des Ausstellers („personales Garantieelement“; siehe dazu bzw zu dagegen bloßen „Lugdaten“ RIS-Justiz RS0122091; Reindl-Krauskopf in WK2 StGB § 225a Rz 3 ff, 7 mwN; Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 147 Rz 28/24 f).

Während in den typischen Fällen der sog „ToSo“-Betrugsmasche („Tochter-Sohn-Trick“) schon in Ansehung der jeweils gezielten Verbreitung der schriftlichen Nachrichten über Messenger-Dienste (wie zB WhatsApp) sowohl deren Unterstellung unter den Datenbegriff des § 74 Abs 2 StGB als auch die Wertung deren elektronischer Übermittlung als „Benützen“ iS von „Zugänglichmachen“ (Kienapfel/Schmoller, Strafrecht BT II2 § 147 Rz 66 f; Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 § 147 Rz 14h) durchwegs ebenso unproblematisch sein wird wie die Feststellung der – von der hL (weiters) geforderten – Perpetuierungs- und Beweisfunktion (vgl dazu Reindl-Krauskopf in WK2 StGB § 225a Rz 8 ff und 12), bedarf die (Tat-)Frage der Erkennbarkeit des Ausstellers, insbesondere, ob aus dem (einzelnen) inkriminierten Datum heraus (bereits) eine bestimmte Person nach ihrer Individualität hervorgeht (vgl Kert, SbgK § 147 Rz 99 f, 102) oder der Erklärende (vorerst) nur der Gattung nach benannt werden kann („beschränkte Anonymität“, vgl hiezu auch die jeweiligen Beispiele bei Kienapfel/Schroll in WK2 StGB § 223 Rz 59 und 72), in der Regel der gesonderten Darstellung bzw Konstatierung eines entsprechenden Tatsachensubstrats.

Dabei ist nicht ausschlaggebend, ob der (vermeintliche) Aussteller wirklich existiert oder ob er ermittelt werden kann, sondern dass die Erklärung nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont zumindest den Anschein erweckt, es habe sich in ihr eine konkrete Person zur Urheberschaft bekannt. Dies kann sich aus dem Datensatz selbst, einer angefügten Datei oder dem physischen Datenträger ergeben und ist nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung deren Art, Form, Beschaffenheit und Inhalt, aber auch örtlichen, persönlichen, familiären und sonstigen begleitenden Umständen zu beurteilen. Dort indes, wo der Erklärende nur unter Zuhilfenahme von außerhalb des Datums liegenden Faktoren ermittelt werden kann, wird die Grenze hin zur „Anonymität“ überschritten (vgl Bugelnig SbgK § 223 Rz 53 ff; Thiele SbgK § 225a Rz 22 f mwN).

S. 267 - 268, Judikatur

Differenzierte Zulässigkeit der Anordnung der Veröffentlichung einer Mitteilung über das eingeleitete Verfahren im Strafverfahren und im selbständigen Verfahren im Fall der Strafbarkeitsverjährung

Die Veröffentlichung einer Mitteilung über das eingeleitete Verfahren kann in Strafverfahren (Privatanklageverfahren) wegen eines Medieninhaltsdelikts (§ 37 Abs 1 erster Fall MedienG [„auf Antrag des Anklägers“]), in selbständigen Verfahren auf Einziehung nach § 33 Abs 2 MedienG oder auf Urteilsveröffentlichung nach § 34 Abs 3 MedienG (§ 37 Abs 1 zweiter Fall MedienG [„auf Antrag des Antragstellers in einem selbständigen Verfahren“]) und in selbständigen Verfahren auf Entschädigung nach den §§ 6, 7, 7b oder 7c MedienG (§ 8a Abs 5 MedienG) begehrt werden.

Auch wenn eine Antragstellung nach § 37 Abs 1 MedienG (bzw § 8a Abs 5 MedienG) nicht an eine Antragstellung nach § 34 Abs 1 oder Abs 3 MedienG (bzw § 8a Abs 6 MedienG) gekoppelt ist, so soll doch (vgl § 37 Abs 3 MedienG und den zuvor dargestellten Regelungstelos) eine Veröffentlichung einer Mitteilung über die Verfahrenseinleitung nur dann in Betracht kommen, wenn am Ende des in Rede stehenden Verfahrens auf Veröffentlichung des Urteils erkannt werden könnte (vgl Brandstetter/Schmid, MedienG2 § 37 Rz 2).

Sinngemäße Geltung des § 34 MedienG für Anordnungen nach § 37 MedienG bedeutet, dass auf Mitteilungen in Strafverfahren (§ 37 Abs 1 erster Fall MedienG) die Regelungen über die Urteilsveröffentlichung im Strafverfahren (insbes § 34 Abs 1 MedienG), auf Mitteilungen in selbständigen Verfahren (§ 37 Abs 1 zweiter Fall MedienG) aber die Regelungen über die Urteilsveröffentlichung im selbständigen Verfahren (insbes § 34 MedienG) anzuwenden sind.

Eine Urteilsveröffentlichung in einem selbständigen Verfahren kann – wie vom Gesetzgeber mit BGBl I 2020/148 (HiNBG) ausdrücklich klargestellt wurde (vgl auch EBRV 481 BlgNR 27. GP 3, 22) – gemäß § 34 Abs 3 MedienG auch angeordnet werden, wenn die Strafbarkeit der Tat verjährt ist. Somit kann gemäß § 37 Abs 3 iVm § 34 Abs 3 MedienG auch eine Veröffentlichung einer Mitteilung über die Einleitung eines selbständigen Verfahrens (§ 37 Abs 1 zweiter Fall MedienG) auf Einziehung nach § 33 Abs 2 MedienG und/oder Urteilsveröffentlichung nach § 34 Abs 3 MedienG auch im Fall der Verjährung der Strafbarkeit des Medieninhaltsdelikts angeordnet werden (vgl nunmehr auch 15 Os 12/24i).

In Strafverfahren hingegen kann gemäß § 34 Abs 1 MedienG eine Urteilsveröffentlichung nur im Fall eines Schuldspruchs angeordnet werden; im Fall eines Freispruchs, etwa wegen Verjährung, kommt eine Urteilsveröffentlichung im Strafverfahren nicht in Betracht (zumal § 34 Abs 1 MedienG nur verurteilende Erkenntnisse erfasst und – anders als § 33 Abs 1 zweiter Satz MedienG – auch keinen Verweis auf § 446 StPO enthält; vgl hiezu ausführlich und mwN: Gw 1/23i).

Demnach kommt die Veröffentlichung einer Mitteilung über die Einleitung eines Strafverfahrens (§ 37 Abs 1 erster Fall MedienG) nicht in Betracht, wenn die Strafbarkeit des zugrundeliegenden Medieninhaltsdelikts bereits durch Verjährung erloschen ist und solcherart im Strafverfahren nicht auf Urteilsveröffentlichung erkannt werden könnte (§ 37 Abs 3 iVm § 34 Abs 1 MedienG).

S. 267 - 267, Judikatur

Ort des Erfolgseintritts bei (Online-)Warenkauf unter unbefugter Verwendung eines fremden PayPal-Kontos

Ort des Erfolgseintritts beim betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauch ist jener Ort, an dem der effektive Verlust an Vermögenssubstanz eingetreten ist, an dem sohin das (Gesamt-)Vermögen des Geschädigten als unmittelbare Folge der tatbildlichen Beeinflussung des Ergebnisses einer automationsunterstützten Datenverarbeitung verringert worden ist (vgl Kirchbacher/Sadoghi in WK2 § 148a Rz 4 iVm § 146 Rz 66, 77 f).

Gibt der Täter im Zuge eines Warenkaufs im Internet – ohne dazu befugt zu sein – die PayPal-Zahlungsdaten eines Dritten ein und ist das (kein Guthaben aufweisende) PayPal-Konto mit einem Girokonto als Zahlungsquelle verknüpft, so tritt der Schaden zufolge der Verknüpfung gleichsam „automatisiert“ und folglich unmittelbar (vgl RIS-Justiz RS0094395; Komenda/Madl, SbgK § 148a Rz 71) im Vermögen des Kontoinhabers am Sitz der kontoführenden Bank ein (vgl RIS-Justiz RS0130479 [T1]).

Ob der Schaden letztlich (etwa nach einer Reklamation des Kontoinhabers) von PayPal (auf Grundlage des von diesem Unternehmen gewährten Käufer-/Verkäuferschutzes) oder der Verkäuferin getragen wird, ist – weil dies lediglich eine allfällige nachträgliche (für die Deliktsverwirklichung irrelevante; vgl RIS-Justiz RS0094502 [T8]) Schadensüberwälzung betrifft und die unmittelbar eingetretene Vermögensverminderung keine dauernde sein muss (vgl Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 146 Rz 60, 74; RIS-Justiz RS0094383) – für den Ort des (tatbestandsmäßigen) Erfolgseintritts ohne Belang.

Im Anlassfall war ein unmittelbar durch die Tat herbeigeführter Schaden im Vermögen der Verkäuferin (eines Notebooks) anhand der Aktenlage nicht begründbar, zumal keine Anhaltspunkte vorlagen, dass die (als Forderung gegen PayPal zu beurteilende) Gutschrift auf dem PayPal-Konto der Verkäuferin wirtschaftlich wertlos gewesen wäre. Es konnte daher auch dahingestellt bleiben, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang in den Bestellvorgang auf Seiten der Verkäuferin – für die Abgrenzung zum Betrug relevant (vgl Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 148a Rz 6, 32) – eine natürliche Person involviert war.

Der zur Erfüllung des Tatbestands des § 148a Abs 1 StGB erforderliche funktionale Zusammenhang zwischen Vermögensschaden und angestrebter Bereicherung (vgl Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 148a Rz 25 iVm § 146 Rz 6; Komenda/Madl, SbgK § 148a Rz 79; Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 § 148a Rz 24) war aufgrund der Verwendung zur Zahlung des Kaufpreises für die bestellte Ware (nach der Verdachtslage) ebenfalls zu bejahen.

S. 268 - 268, Judikatur

Betrug im Fall abgeirrter (weiterer) Pensionszahlungen (nach dem Tod des Anspruchsberechtigten)

Die Verpflichtung zur Anzeige von Änderungen in den für den Fortbestand der Bezugsberechtigung maßgebenden Verhältnissen kann sich aus § 40 Abs 1 ASVG ergeben. Eine solche Verpflichtung trifft aber jedenfalls bloß den Zahlungsempfänger (§ 106 Abs 1 ASVG). Zahlungsempfänger kann neben dem Anspruchsberechtigten selbst auch dessen gesetzlicher Vertreter (§ 1034 Abs 1 ABGB) – etwa ein Erwachsenenvertreter (Z 3 leg cit) – sein. Ein am Konto des Anspruchsberechtigten bloß Zeichnungsberechtigter ist aber nicht Zahlungsempfänger. Damit kommt in Ermangelung einer Garantenstellung (§ 2 StGB) des Zeichnungsberechtigten Betrug durch Unterlassen der Anzeige geänderter Verhältnisse (hier des Eintritts des Todes des Anspruchsberechtigten) gegenüber dem Sozialversicherungsträger nicht in Betracht.

Soweit aber etwa infolge Todes des Kontoinhabers die Zeichnungsberechtigung erlischt (was regelmäßig der Fall ist), ist bei Abhebungen (der irrtümlich weiterhin überwiesenen Beträge aus der Pensionsversicherung) vom Konto des Verstorbenen Betrug durch Verschweigen des Todeseintritts und damit konkludente Täuschung (durch aktives Tun) der Angestellten der kontoführenden Bank über die (tatsächlich nicht mehr) aufrechte Verfügungsbefugnis über das Konto möglich, wenngleich eine Verfügung über Kontogutschriften nach einer Fehlüberweisung durch den Kontoinhaber selbst nicht als Betrug zu qualifizieren ist (vgl dazu RIS-Justiz RS0094687; Schmoller, Fehlüberweisung und Fehlbuchung im Strafrecht, in FS Ulrich Weber [2004] 251 [253 f]).

S. 269 - 272, Judikatur

Fritz Zeder

Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale di Bologna (Italien) im Strafverfahren gegen „Kinsa“, C-460/23

1. Steht die GRC, insbesondere der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aus Art 52 Abs 1 in Verbindung mit dem Recht auf persönliche Freiheit und dem Eigentumsrecht aus den Art 6 und 17, dem Recht auf Leben und Unversehrtheit aus den Art 2 und 3, dem Asylrecht aus Art 18 und dem Recht auf Achtung des Familienlebens aus Art 7, den Bestimmungen der Richtlinie 2002/90/EG zur Definition der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt und des Rahmenbeschlusses 2002/946/JI betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt (der mit Art 12 des Testo unico delle disposizioni concernenti la disciplina dell’immigrazione e norme sulla condizione dello straniero – TUI, Einheitstext der Bestimmungen über die Regelung der Einwanderung und die Rechtsstellung des Ausländers, in italienisches Recht umgesetzt worden ist) entgegen, soweit diese die Mitgliedstaaten verpflichten, strafrechtliche Sanktionen gegen jeden vorzusehen, der vorsätzlich Handlungen unterstützt oder vornimmt, die darauf gerichtet sind, die unerlaubte Einreise von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Union zu unterstützen, auch wenn dieses Verhalten ohne Gewinnerzielungsabsicht erfolgt, ohne gleichzeitig die Verpflichtung der Mitgliedstaaten vorzusehen, die strafrechtliche Relevanz von Beihilfehandlungen zur unerlaubten Einreise auszuschließen, die darauf gerichtet sind, Ausländern humanitäre Unterstützung zu leisten?

2. Steht die GRC, insbesondere der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aus Art 52 Abs 1 in Verbindung mit dem Recht auf persönliche Freiheit und dem Eigentumsrecht aus den Art 6 und 17, dem Recht auf Leben und Unversehrtheit aus den Art 2 und 3, dem Asylrecht aus Art 18 und dem Recht auf Achtung des Familienlebens aus Art 7, einem Straftatbestand wie Art 12 TUI entgegen, soweit dieser das Verhalten von Personen sanktioniert, die Handlungen vornehmen, die darauf gerichtet sind, einem Ausländer die unerlaubte Einreise in das Hoheitsgebiet des Staates zu ermöglichen, auch wenn dieses Verhalten ohne Gewinnerzielungsabsicht erfolgt, ohne gleichzeitig die strafrechtliche Relevanz von Beihilfehandlungen zur unerlaubten Einreise auszuschließen, die darauf gerichtet sind, Ausländern humanitäre Unterstützung zu leisten?

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