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JURIDIKUM

Heft 3, November 2024, Band 2024

eJournal-Heft
  • ISSN Online: 2309-7477

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Inhalt der Ausgabe

S. 293 - 297, vor.satz

Antonia Reiss / Susanne Gstöttner

In der Satzung die Macht verteilt

Der Beitrag untersucht die innerparteiliche Demokratie in Österreich vor dem Hintergrund des sinkenden Vertrauens in politische Parteien und steigender Politikverdrossenheit in der wahlberechtigten Bevölkerung. Im Fokus steht die Novelle des Parteiengesetzes (PartG), welche ab 2024 in § 1 Abs 4 Z 1 erstmals eine demokratische Legitimation der Leitungsorgane in Parteisatzungen vorschreibt. Durch eine Analyse der Satzungen mehrerer österreichischer Parteien (ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grüne, NEOS, Bierpartei, KPÖ) wird aufgezeigt, in welchem Maße innerparteiliche Mitbestimmung umgesetzt ist. Dabei wird kritisch hinterfragt, ob die neuen gesetzlichen Vorgaben dazu beitragen, die inneren Strukturen der Parteien mehr zu demokratisieren. Der Beitrag beleuchtet Unterschiede in den Mitbestimmungsmechanismen, insb bei der Wahl von Leitungsorganen und der Erstellung von Wahllisten, und reflektiert über die Bedeutung der Reformen für die Stärkung der Demokratie.

S. 298 - 298, vor.bild

Pia Plankensteiner

Struktur

S. 301 - 304, merk.würdig

Alexander Teutsch

Hinter dem Vorhang der Einsprachigkeit

Der vorliegende Beitrag befasst sich mit dem Thema des Gebrauchs mehrerer Sprachen in einem Gerichtsverfahren. Dabei wird auf die sprachpolitisch stark aufgeladene Phase im Südtirol der 1920er-Jahre Bezug genommen, während der eine kompromisslose Italianisierungspolitik dieses vornehmlich deutschsprachigen Gebiets betrieben wurde. Der Beitrag skizziert den Gerichtsalltag nach 1925, dem Jahr, in welchem das Italienische gesetzlich als Verfahrens- und Urteilssprache eingeführt wurde. Ausgehend von den sprachlich gemischten Konstellationen, die sich in dieser Zeit in den Gerichtssälen zwischen einsprachigen und zweisprachigen Personen ergaben, wird ein derart gemischtes Verfahren dargestellt. Der methodische Zugang zur Darstellung dieses Verfahrens ist der im Forschungsbereich „law and theater“ gängige Ansatz des „theatricalising“. Darunter wird die theatralische Darstellung eines rechtlichen Problems zur Erlangung eines greifbareren Verständnisses für dasselbe verstanden.

S. 305 - 311, merk.würdig

Robert Nestler

Nur vermeintlich handlungsfähig – Zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems

Dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) es Anfang April 2024 durch das EP geschafft hat, hat niemanden mehr überrascht. Dennoch war die Erleichterung bei den Mitgliedstaaten groß. Die deutsche Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sah die Zeit, verlässliche Regelungen zu schaffen und Handlungsfähigkeit zu beweisen, für gekommen. Doch die Reform des GEAS bedeutet erhebliche humanitäre Rückschritte, besonders problematisch sind die Freiheitsentziehung im Grenzverfahren, Einschränkungen des Individualrechtsschutzes und die übermäßige Komplexität des Systems, die eine inkohärente Anwendung wahrscheinlich macht.

S. 312 - 319, merk.würdig

Sara Plimon-Rohm

Ein kleiner Schritt in Richtung Berufsgesetz?

Nicht nur innerhalb der Berufsgruppen der Sozialen Arbeit ist noch nicht abschließend ausdiskutiert, ob sie unter die gesetzlich geregelten Gesundheitsberufe fallen (sollen). Dies wäre eine Voraussetzung für die Normierung eines Berufsgesetzes samt Vollziehung durch die:den für das Gesundheitswesen zuständige:n Bundesminister:in. Mit dem kürzlich in Kraft getretenen SozBezG 2024 wurde nach dem Vorbild des § 4 Psychologengesetz ein sogenannter Titelschutz und Bezeichnungsvorbehalt erlassen, eventuell als erster Schritt in Richtung der Beschlussfassung eines umfassenden Berufsgesetzes für die beiden hier im Fokus stehenden Berufe.

S. 320 - 330, recht & gesellschaft

Antonia Werner / Christina Nagele / Maria Paulmichl

Novellierung des Abstammungsrechts

Der VfGH spielte ein weiteres Mal eine wichtige Rolle bei der Gleichstellung queerer Eltern im österreichischen Familienrecht. Mit dem infolge des Erkenntnisses VfGH 30.6.2022, G 230/2021-20 erlassenen AbAG 2023 kommt es für die Abstammung vom queeren anderen Elternteil nun nicht mehr darauf an, wie das Kind gezeugt wurde. Auch sprachlich wurden queere Lebensrealitäten mitberücksichtigt: Mit der Formulierung „anderer Elternteil“ sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass nicht nur lesbische Frauen, sondern auch Personen mitbedacht werden, die im rechtlichen Sinn weder als Frau noch als Mann eingeordnet sind. Diese Anpassung erfolgte aber leider nicht konsequent bei allen die Elternschaft betreffenden Bestimmungen. Auch die unterschiedliche Regulierung von medizinisch und nicht medizinisch unterstützter Fortpflanzung führt mitunter zu Rechtsunsicherheit.

S. 331 - 339, recht & gesellschaft

Felix Mayr

Die EU-Entwaldungsverordnung

Die Verordnung (EU) 2023/1115 über die Bereitstellung bestimmter Rohstoffe und Erzeugnisse, die mit Entwaldung und Waldschädigung in Verbindung stehen, soll ab 30. Dezember 2024 in allen EU-Mitgliedstaaten in Geltung treten. Angesichts einer zunehmenden Politisierung und Polarisierung der Verordnung soll der Artikel neben einer juristischen Aufbereitung einen Überblick über die österreichische Situation bieten und dabei auf einige Kritikpunkte eingehen.

S. 340 - 349, recht & gesellschaft

Florian Wenda

Bundesheereinsätze und das Legalitätsprinzip

Das Bundesheer unterliegt dem Legalitätsprinzip des Art 18 B-VG. Die Befugnisausübung im Rahmen von Bundesheereinsätzen bedarf grundsätzlich einer ausreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage. Im Bereich der militärischen Landesverteidigung ist eine Handlungsermächtigung durch Gesetz im formellen Sinn nach Ansicht des Gesetzgebers verzichtbar, wenn sich Befugnisse aus den Normen des Neutralitäts- oder des humanitären Völkerrechts ableiten lassen. Diese Befugnisse sollen den im innerstaatlichen Recht vorgesehenen Handlungsermächtigungen als leges speciales vorgehen. Bei Assistenzeinsätzen treten die Organe des Bundesheeres in die Befugnisse der anfordernden Einrichtung ein. In bürgerkriegsähnlichen Situationen könnte auch hier eine „völkerrechtsunmittelbare“ Befugnisausübung denkbar sein. Die Befugnisausübung während Auslandseinsätzen richtet sich nach dem jeweils geltenden völkerrechtlichen Rechtsrahmen, der durch Verordnung in die innerstaatliche Rechtsordnung transferiert wird.

S. 350 - 353, thema: Zeit und Recht

Leokadia Grolmus / Clara Maierhofer / Ines Rössl

Vorwort der Gastherausgeber:innen

Die Beiträge des juridikum-Schwerpunkts zu „Zeit und Recht“ reflektieren diverse Facetten des Verhältnisses von Zeit und Recht, wobei sie dies aus der Perspektive verschiedener Disziplinen (Rechtswissenschaften, Sozialwissenschaften, Philosophie) und mit Blick auf unterschiedliche Rechtsmaterien (ua Verfassungsrecht, Migrationsrecht, Strafrecht, Völkerrecht, Umwelt- und Klimaschutzrecht) tun. Das Vorwort skizziert den Bogen des Schwerpunkts und stellt die einzelnen Beiträge kurz vor.

S. 354 - 363, thema: Zeit und Recht

Sebastian-Manès Sprute

Zeit als soziale Institution

Der Artikel wirft eine soziokulturelle Perspektive auf die Entwicklungsgeschichte der Weltzeitordnung. Die Weltzeitordnung und das Zeitregime der Gegenwart sind eine kulturelle Ordnungsleistung des Menschen, die in der europäischen Geistesgeschichte und Gesellschaftsentwicklung gründet. Sie gehen aus einem langen historischen Entwicklungsprozess hervor, der durch ein stetiges Wechselspiel zwischen (zeit-)technologischen Innovationen, zeitspezifischen Handlungspraxen bzw zeitlichem Habitus und obrigkeitlicher Normierung gekennzeichnet ist. Die gegenwärtige gesellschaftliche Ordnung der Zeit ist insofern nicht naturgegeben, sondern das Resultat eines vielschichtigen Arrangements von temporalen Ordnungspolitiken, zeitorganisatorischen Regeln und Synchronisierungsanstrengungen wie auch eines langwierigen Prozesses der sozialen Disziplinierung und der Internalisierung von Zeitnormen.

S. 364 - 373, thema: Zeit und Recht

Alice Bertram

Ein Recht auf Zeit – Zeit als Ressource

Haben wir ein Recht auf Zeit? Diese Frage mögen sich viele von uns bereits gestellt haben, wenn zu wenig Zeit bleibt. Denn spürbar wird Zeit vor allem dann, wenn sie fehlt. Sie ist Voraussetzung jedes autonomen Handelns, so dass wir Zeitmangel oft als Autonomieverlust erleben. Das mag im Kleinen belanglos erscheinen, im Großen offenbaren Zeitkonflikte jedoch grundlegende Gerechtigkeitsfragen, die zu beschreiben, juristisch greifbar zu machen und normativ einzuordnen Gegenstand des Beitrags ist. Im Einzelnen wird dazu betrachtet, wie Recht (mit-)gestaltet, ob und wie viel Zeit wir zu unterschiedlichen Zwecken verwenden können, zB zum Arbeiten oder für Familie. Vorgeschlagen wird, Zeit als Ressource zu begreifen, die uns zunächst allen in gleichem Maße zur Verfügung steht („24h/Tag“). Erst äußere Einflussnahme reduziert verfügbare Zeit. Dass dies nicht grenzenlos erfolgen darf, lässt sich – mit Blick auf die deutsche Rechtslage – der Verfassung entnehmen, spezifisch dem „zeitlichen Existenzminimum“.

S. 374 - 383, thema: Zeit und Recht

Martijn Stronks

The Harm in Time

S. 384 - 387, thema: Zeit und Recht

Yara Hofbauer

Zeitdruck im anwaltlichen Berufsalltag

Fristen sind notwendiger Bestandteil eines Rechtssystems. Sie führen allerdings, gerade bei der Berufsgruppe der Rechtsanwält:innen, zu einem hohen Druck und der teils schwierigen Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben. Das bringt vor allem bei sogenannten „Einzelkämpfer:innen“ große Herausforderungen mit sich, die Jurist:innen mitunter abschrecken, den Beruf als Rechtsanwält:in anzustreben oder längerfristig auszuüben. Der Artikel beleuchtet die Faktoren Zeit und Fristen aus der persönlichen Perspektive einer selbstständigen Rechtsanwältin.

S. 388 - 394, thema: Zeit und Recht

Siân Beynon-Jones / Emily Grabham

Affect, action, and incommensurability

S. 395 - 403, thema: Zeit und Recht

Hanna Völkle

Sorgende Zeiten

Eine feministisch-ökologische Perspektive auf Zeit eröffnet eine Vielzahl von Zeitlichkeiten. Dieser Beitrag geht zunächst auf die Relevanz des Themas ein, die von aktuellen Zeitverwendungserhebungen bis hin zu einem integrativen Verständnis von zeitlichen Bedarfen reicht. Hiernach werden die sozioökonomischen Aspekte von Zeit(en) und Zeitlichkeiten verdeutlicht. Zeitfragen sind Machtfragen, die sich individuell zB als Zeitstress auswirken und strukturell zB durch das Unsichtbarmachen und gleichzeitige Voraussetzen unbezahlter Sorgearbeit begründet sind. Daran anschließend wird über die Erkenntnis, dass Zeit/en eingebettet in Mit-/Umwelten und durch Menschen selbst verkörperlicht sind, das Konzept der sorgenden Zeiten vorgestellt, um die Einführung in ein feministisch-ökologisches Zeitverständnis abzurunden.

S. 404 - 413, thema: Zeit und Recht

Sarah Stutzenstein

Die Verjährung von systemischem Unrecht in Österreich

Werden Straftaten von mächtigen Systemen und ihren Angehörigen unterstützt oder zumindest gedeckt, ist die Gefahr der Verjährung dieser Taten überdurchschnittlich groß. Opfer werden Opfer in mehrfacher Hinsicht, einerseits des:der individuellen Täters:Täterin, andererseits eines Systems, das die Straftaten ermöglicht und die Opfer nicht ausreichend geschützt hat. Der Wille, sich mit den Taten sowie dem Versagen des Systems, des strukturellen und gesellschaftlichen Umfelds, in dem die Taten begangen wurden, zu befassen, ist oft erst lange Zeit nach der Tatbegehung vorhanden, wenn die Straftaten bereits verjährt und strafrechtlich nicht mehr verfolgbar sind.

S. 414 - 420, thema: Zeit und Recht

Karina Theurer

Der völkerrechtliche Grundsatz der Intertemporalität aus dekolonialer Perspektive

Im Mai 2021 ist ein „Versöhnungsabkommen“ zwischen Deutschland und Namibia ausgehandelt worden, mit dem Deutschland zwar eine moralische, aber keine rechtliche Verantwortung für den Völkermord an den Ovaherero und Nama zwischen 1904 und 1908 übernimmt. Die deutsche Regierung betont, dass es sich um Verbrechen „aus heutiger Sicht“ handelt, und beruft sich dabei auf den völkerrechtlichen Grundsatz der Intertemporalität, um eine Verpflichtung zu Reparationen von sich zu weisen. Der Beitrag, der auf dem redigierten Transkript eines Podcast-Gesprächs basiert, führt in die damit verbundenen Kontroversen ein und und plädiert für eine dekoloniale Perspektive.

S. 421 - 426, thema: Zeit und Recht

Florian Graber

Klimaklagen und die gläserne Decke der Temporalität

Die zeitlichen Aspekte der Klimakrise stellen die Rechtswissenschaft vor ungeahnte Herausforderungen. Das zeitliche Auseinanderfallen der Ursachen der Klimakrise und ihrer desaströsen Folgen bewirkt, dass vor allem jüngere und zukünftige Generationen den Hauptteil der damit verbundenen Lasten tragen müssen. In der (Grund-)Rechtsordnung findet dies jedoch bisher kaum Berücksichtigung. Durch verschiedene Klimaklagen wird das bestehende System allerdings hinterfragt und beginnt sich, langsam, aber stetig, durch innovative Gerichtsentscheidungen anzupassen. Der Beitrag umreißt die temporalen Aspekte der Klimakrise und ihre wachsende Beachtung durch die Rechtsprechung in der Praxis.

S. 427 - 437, thema: Zeit und Recht

Lukas Meyer

Bedürfnisbasierte Suffizienzauffassung

Programmatisch wird die bedürfnisbasierte Suffizienzauffassung als plausible und anderen Auffassungen überlegene Theorie intergenerationeller Gerechtigkeit im Kontext des Klimawandels vorgestellt. Wird der Vorrang der Suffizienzansprüche schwach und die Suffizienzansprüche gemäß der Vorrangsicht gedeutet, eignet sich die Auffassung zur Bewertung von Risiken des Umgangs mit dem Klimawandels.

S. 438 - 441, nach.satz

Lisa Chi

Both Sides Now

Dieser Beitrag stellt zwei philosophische Zugänge vor, über queere Autonomie zu sprechen. Queere Autonomie steht für die geschlechtliche und sexuelle Selbstbestimmung queerer Menschen. Auf der einen Seite steht Judith Butler mit einer materiellen Sprache, die dem Wert von Autonomie auf körperlich und emotional nahetretende Weise Ausdruck verleiht. Auf der anderen Seite findet sich Elisabeth Holzleithner mit einer normativen Konzeption von Autonomie, die ihre Ermöglichungsbedingungen ausbuchstabiert. Es lohnt sich, beide Autor:innen gemeinsam zu lesen.

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