In dem Beitrag wird eine Entscheidung des Österreichischen Presserats aus dem Jahr 2019 wiedergegeben und anschließend kommentiert. In der Entscheidung befasst sich das Selbstkontrollorgan der Printmedien mit der Bezeichnung von Flüchtlingen als „Ratten“ in einem steirischen Regionalmagazin. Der Beschwerdesenat des Presserats weist darauf hin, dass derartige Tiermetaphern zwangsläufig von Vernichtungsfantasien begleitet sind und schon in der NS-Zeit eingesetzt wurden. Der Artikel stellt somit eine Pauschalverunglimpfung von Flüchtlingen dar und verstößt gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse. In der Kommentierung wird auf die Verwendung von Tiermetaphern sowohl aus zeithistorischer als auch juristischer Sicht eingegangen.
- ISSN Online: 2309-7477
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Inhalt der Ausgabe
S. 273 - 274, vor.satz
Gemeinsame Lesestunde anlässlich der Pandemie
Im folgenden Artikel wird die Entscheidung des EGMR zu Lewit/Austria betreffend zweier Artikel in der (ehemaligen) rechtsextremen Zeitschrift „Aula“ näher beleuchtet. In diesen Artikeln wurden Überlebende des Konzentrationslagers Mauthausen – darunter der Beschwerdeführer (BF) – als „Landplage“ und „Massenmörder“ bezeichnet. Der EGMR bejahte die Zulässigkeit der Beschwerde eines Überlebenden der Shoah, da von den inkriminierten gruppenbezogenen Äußerungen auch einzelne Gruppenmitglieder ehemaliger Mauthausen-Häftlinge betroffen sein können. Als begründet wurde die Beschwerde erachtet, da die österreichischen Gerichte die individuelle Betroffenheit des Beschwerdeführers nie tatsächlich geprüft haben. Aus diesem Grund liegt eine Verletzung der Verfahrensverpflichtung nach Art 8 EMRK vor. Verfahrensrechtliche Auswirkungen auf das bezughabende Strafverfahren in Österreich sind auf Grund des Verschlechterungsverbotes nicht zu erwarten. Die Entscheidung hat allerdings aufgezeigt, dass die relevanten Gesetzesbestimmungen – insbesondere im Falle immaterieller Schäden – jedenfalls reformbedürftig sind.
Mit dem PSPP-Urteil qualifizierte das BVerfG die Beschlüsse der EZB zum PSPP (Public Sector Asset Purchase Programme) und das Urteil des EuGH in der Rs Weiss als kompetenzüberschreitende Ultra-vires-Akte. Erstmals macht das BVerfG die seit den Urteilen Maastricht und Lissabon im Raum stehende Drohung wahr und versagt dem EuGH die Gefolgschaft. Dieser Kurzbeitrag beleuchtet das PSPP-Urteil und den Kontext der Debatte aus Sicht des europäischen Verfassungsrechts und verfolgt die These, dass Befürchtungen vor dem Zerfall des Unionsrechts unbegründet sind. Vielmehr legt der Konflikt rund um die Kompetenzen der EZB einmal mehr offen, wie das Scheitern des Dialogs zu Reibungen im europäischen Gerichtsverbund führen kann. Derartige Konflikte sind aber weder neu, noch vermögen sie die Unionsrechtsordnung zu erschüttern.
Die Covid-19-Krise stellt wohl den Ausnahmezustand par excellence dar, besonders in der europäischen Nachkriegswelt, in der sich in weiten Strecken eine liberale Normalität unter der „rule of law“ etabliert hat. Der vorliegende Beitrag analysiert diese Krise in Österreich vor dem Hintergrund theoretischer Überlegungen zum Ausnahmezustand als Regierungstechnik. Der praktische Fokus liegt dabei auf der Institution des Gefängnisses während der Covid-19-Krise. Diese ist, ganz unabhängig von Corona, ein Beispiel für den Ausnahmezustand als reguläre Regierungstechnik der Moderne, die mit dem seit den 1970er Jahren beobachtenden Trend zur „Versicherheitlichung“ noch einmal an Relevanz gewinnt. Die Situation von Strafgefangenen während der Covid-19-Krise wird hier entsprechend als Ausnahmezustand innerhalb des Ausnahmezustands verstanden. Den Schluss des Beitrags bilden Überlegungen, wie dieser Zustand auch als Ausgangspunkt für ein anderen, emanzipatorisch verstandenen Begriff des Politischen gedacht werden kann.
Wenn in der Kriminalberichterstattung Handlung und Herkunft tatverdächtiger Personen verknüpft werden, kann für Leser_innen der Eindruck entstehen, dass Verbrechen und Verbrecher_innen sich einander zuordnen ließen. Diese diskriminierende Berichterstattung gilt es zu verhindern. Obwohl der österreichische und auch der deutsche Presserat bereits Regelungen zur Vermeidung vorsehen, kann diskriminierende Kriminalberichterstattung nicht immer verhindert werden. Ob und wie daher eine Schärfung der Selbstregulierung vorgenommen werden könnte, wird in diesem Beitrag diskutiert.
Freiheit ist zweifelsohne eines der wichtigsten und fundamentalsten Elemente eines modernen Rechtsstaates und gleichzeitig, als Kehrseite normativer Überregulierung, zunehmend in Bedrängnis. Freiheit ist auch ein sehr vielschichtiger (Rechts-)Begriff, dem kontextbezogen unterschiedliche Inhalte innewohnen. Damit liegt es bereits auf der Hand, dass der vorliegende Beitrag den Begriff und die Inhalte der Freiheit nicht umfassend rechtswissenschaftlich behandeln kann. Die nachstehende Analyse soll aber der Frage nachgehen, auf welche Weise Freiheit durch die Rechtsordnung materiell ihren Ausdruck findet bzw geschützt wird. Dabei soll auch die Frage nach dem Schutz aber auch nach den Schranken menschlicher Selbstbestimmung und Autonomie gestellt sowie Bezug auf die rechtlichen Determinanten einer allgemeinen Handlungsfreiheit genommen werden.
Der OGH stellte unlängst fest, dass eine sogenannte Geschlechterklausel in einem Gesellschaftsvertrag gem § 879 ABGB sittenwidrig und daher nicht wirksam ist. Es handelte sich um einen Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft, der für den Fall des Ablebens einer der Gesellschafter regelte, dass dessen gesetzliche männlichen Erben automatisch als Gesellschafter eintreten, während der Eintritt weiblicher Erbinnen der Zustimmung der anderen Gesellschafter bedurfte. Dieser Beitrag greift die in der Literatur teilweise geäußerte Kritik gegen die Einschränkung der Privatautonomie durch den Gleichheitsgrundsatz auf und führt sie einer eingehenden Untersuchung zu. Es zeigt sich, dass die Befürchtung, das Privatrecht könne durch eine Ausbreitung des Gleichheitsgrundsatzes in das Privatrecht ausgehebelt bzw ihres Wesenskerns beraubt werden, ungerechtfertigt ist.
S. 330 - 339, recht & gesellschaft
Kein Konto für Sexdienstleister*innen?
Sexdienstleister*innen sehen sich im Alltag häufig Benachteiligungen ausgesetzt. Das erschwert eine gleichberechtigte Teilnahme am wirtschaftlichen und sozialen Leben. Weigern sich Bankinstitute ohne triftigen Grund, ein Konto für Personen zu eröffnen, die in der Sexarbeit tätig sind, liegt eine durch das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) verbotene Diskriminierung beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen oder in der sonstigen Arbeitswelt vor. Je nach den Umständen des konkreten Falles verstoßen Banken, die Sexdienstleister*innen ein Konto verweigern, außerdem gegen das Verbraucherzahlungskontogesetz (VZKG).
S. 340 - 341, thema: Stadt
Vorwort der Gastherausgeber_innen
S. 342 - 353, thema: Stadt
Leistbares Wohnen – Welche rechtlichen Rahmenbedingungen müssen dafür wie geändert werden?
„Leistbares Wohnen“ steht seit Jahren immer wieder im Fokus verschiedener Stakeholder_innen unserer Zivilgesellschaft, manchmal auch im Zentrum des medialen Interesses und – besonders in Vorwahlzeiten – in der Aufmerksamkeit der politischen Parteien. Vor allem in Ballungsräumen hat der freie Markt ein auch für Normalverdiener_innen leistbares Angebot nicht geschaffen, im Gegenteil: Er hat dieses sogar noch verknappt; europäische Großstädte wie London, Paris und München sind dafür beispielgebend. Die prinzipielle Verantwortung des Staates und der Gesellschaft für die Leistbarkeit des Wohnens für alle Bevölkerungsschichten zu sorgen, wird im Allgemeinen bejaht. Welche Maßnahmen man dafür ergreifen sollte, da gehen die Meinungen aber durchaus weit auseinander. In Österreich wird traditionell einem zu geringen Bestand an leistbarem Wohnraum hauptsächlich durch drei Säulen entgegengewirkt; durch die Anwendung des Mietrechtsgesetzes (MRG) auf Wohneinheiten vornehmlich im Altbaubestand, die Gestaltung des gemeinnützigen Sektors (Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz – WGG) und mittels der Förderung des Wohnungsneubaus und der Wohnaussanierung. Unterschiedliche Zuständigkeiten(Bund – Länder) sind jedoch für ein sachgerechtes Zusammenspiel einzelner Werkzeuge eher hinderlich. Nachstehend sollen einige Spielfelder, auf denen in Richtung mehr leistbares Wohnen interveniert werden kann, einer kritischen Bestandsaufnahme unterzogen und auch mögliche Verbesserungen zu den jeweiligen Themenfeldern Wohnbauförderung und Bodenpolitik angesprochen werden. Ausführlichere Analysen und Vorschläge rund um das Wohnzivilrecht (Mietrecht und Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz) bleiben einer späteren Veröffentlichung vorbehalten.
In Berlin gibt es seit zehn Jahren immer weniger Wohnungen zu angemessenen, mit durchschnittlichem Einkommen bezahlbaren Mieten. Der Wohnungsmarkt ist angespannt. Weil weder Mietpreisbremse noch Milieuschutzgebiete diesen entspannt haben, hat nun der rot-rosa-grüne Senat mit Unterstützung verschiedener interessenvertretender Expert*innen selbst ein Gesetz gemacht, dass die verdrängende Mietlage für fünf Jahre aus der Stadt verbannt, den sogenannten Mietendeckel. Dabei wird in das Eigentum von Vermieter*innen mit dem Ziel eingegriffen, gesellschaftliche Spaltung und Verdrängung zu verhindern. Nun wird juristisch darum gestritten, ob das Land Berlin die Kompetenz zu solchen Regelungen hat.
S. 366 - 375, thema: Stadt
Legal hacking und seine praktischen Dimensionen am Beispiel des Mietshäuser Syndikats
Der Beitrag stellt das Mietshäuser Syndikat vor, einen Verbund selbstorganisierter und unverkäuflicher Mietshäuser in Deutschland. Der Verbund baut seine Strukturen auf der ‚kapitalistischen‘ Rechtsform derGesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) auf. Diesbezüglich kann die Frage gestellt werden, wie eine Rechtsform, die für unternehmerisches und gewinnorientiertes Handeln geschaffen wurde, zur Dekommodifizierung von Wohnraum dienen kann. Der Beitrag geht dieser Frage nach, indem er das Konzept des ‚legal hackings‘ als eine Form des strategischen Umgangs mit Recht einführt. Es wird erläutert, was die GmbH für das Syndikatsmodell brauchbar macht und wie die Umnutzung funktioniert. Im letzten Teil wird beispielhaft illustriert, was die Nutzung einer gehackten Rechtsform in der Praxis bedeutet.
In diesem Beitrag wird der Leser_innenschaft das selbstverwaltete Kultur- und Wohnprojekt SchloR nähergebracht, welches – im Sinne des habiTAT – als erstes realisiertes Projekt in Wien gilt. Beleuchtet wird die Übertragung vom Mietshäusersyndikat auf den österreichischen Rechtsraum sowie projektspezifische Themen wie Zielsetzungen, Entstehungsgeschichte, rechtliche Konstrukte als auch Fragen der Finanzierung. Es werden Themen des leistbaren Wohnens abseits des spekulativen Immobilienmarktes, Schaffung von Partizipationsmöglichkeiten als auch deren Realisierung im städtischen Kontext behandelt.
Ansatz meines Textes ist, die erfolgreichen Proteste gegen den Google-Campus als Kampf um die Stadt der Zukunft im Kontext der Digitalisierung zu verorten. Denn Großstädte sind Zentren dieser Entwicklung und Google ist ein wesentlicher Akteur. Aus den Städten, wie wir sie heute kennen, sollen nach und nach sogenannte Smart Cities werden. Die treibende Ideologie dahinter ist die der Kybernetik. Insofern richteten sich die Proteste gegen den Google Campus auch gegen die Transformation der Stadt als kybernetisches Projekt.
S. 395 - 406, thema: Stadt
Wohnungslos während Corona
Die COVID-19-Pandemie hatte in Österreich im Frühjahr 2020 eine Fülle von Grundrechtseingriffen zur Folge, die von der Einschränkung der Freizügigkeit bis hin zu erheblichen Einschnitten ins Privatleben reichen. Während sich das staatliche Krisenmanagement an der Normgesellschaft orientierte, wurden die Lebensumstände obdach- und wohnungsloser Menschen wenig berücksichtigt. Diese waren jedoch in städtischen Ballungsräumen besonders von den Einschränkungen, die ihnen die Erfüllung fundamentaler Grundbedürfnisse erschwerten, betroffen. Die Pandemie verstärkt bestehende Ungleichheiten zwischen marginalisierten Personengruppen und Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft. Dieser Artikel stellt die Frage, wie der Zugang zu fundamentalen Grundrechten für obdach- und wohnungslose Menschen in Krisenzeiten gesichert werden kann. Ein selbstbestimmtes und menschenwürdiges Leben trotz Pandemie-bedingten eingriffsintensiven Regulierungen zu fördern, bleibt dabei der zentrale Ansatzpunkt.
Die Coronakrise hat die strukturellen geschlechterspezifischen Ungleichheiten verstärkt, wie mehrere ökonomische Studien belegen. Dies ist vor allem auf die geschlechterstereotypische Trennung des österreichischen Arbeitsmarktes zurückzuführen. Eine geschlechtergerechte Krisenpolitik hätte dazu beitragen können, die Gleichheit der Geschlechter zu fördern und die negativen Auswirkungen abzufedern.