Der Rechtsschutzbeauftragte (fortan kurz: RSB) beim Bundesminister für Inneres (BMI) veröffentlicht gemeinsam mit den jeweils an der Publikation mitarbeitenden Mitgliedern seines Rechtsschutzteams seit vielen Jahren regelmäßig Informationen über seine konkrete Tätigkeit im jeweils vorangegangenen Geschäftsjahr. Dem Transparenzanliegen des RSB geschuldet, wird dies mit dem vorliegenden Beitrag, der eine Zusammenfassung der wichtigsten Daten der Berichte zum Sicherheitspolizeigesetz (SPG) und zum Staatsschutz- und Nachrichtendienst-Gesetz (SNG) aus dem Jahr 2023 bietet, fortgeführt. Die Erhebung der Daten aus den Meldungen zum SPG wurde von Mag. Jahn Shaheed, aus den Meldungen zum SNG von Mag. David Auer, BA, LL.M., durchgeführt. Die Auswahl und Aufbereitung der im Folgenden präsentierten Daten aus den beiden Bereichen erfolgte durch den RSB Prof. Dr. Ernst Eugen Fabrizy und Mag. Jahn Shaheed.
- ISSN Online:
- 2410-745X
Inhalt der Ausgabe
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S. 3 - 3, Editorial
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S. 4 - 16, Beitrag
Jahn Shaheed / Ernst Eugen Fabrizy -
S. 17 - 27, Beitrag
Alexander Schindler / Mina SchützDie jüngsten Ereignisse zeigen, wie virtuell geführte Hasskampagnen reale, demokratiegefährdende Ereignisse nach sich ziehen können. Geschwindigkeit und Ausmaß dieser Eskalation zeigen uns deutlich, dass „Desinformation“, „Hass im Netz“ und „Radikalisierung“ nicht nur virtuell latente Bedrohungen demokratischer Einrichtungen und der Demokratie selbst darstellen, sondern dass diese durch direkte Angriffe auf Institutionen und Individuen realisiert werden. Ähnliche Phänomene und Entwicklungen, wie die gezielte Vermischung radikaler Gruppierungen mit anfänglich gemäßigten Protestbewegungen, werden auch in Europa und Österreich beobachtet. Diese Vermischung findet nicht nur im öffentlichen, sondern auch im virtuellen Raum statt. Neue digitale Plattformen werden in diesem Kontext in zunehmendem Maße zur Verbreitung demokratiegefährdender Meinungen missbraucht und Hassreden und Hassverbrechen werden zu einem akuten Problem. Ein zentrales Problem stellen die fehlenden Hilfsmittel dar, das Ausmaß dieses Phänomens messbar zu machen. Konkret können somit keine Rückschlüsse über die Reichweite bestimmter Hass- und Desinformationskampagnen sowie keine Einschätzung des Problems im Generellen getroffen werden. In weiterer Folge besteht auch kein Überblick, ob Gegenmaßnahmen zu Kampagnen Wirkung zeigen. Der Artikel beschäftigt sich mit Ansätzen zur automatischen Erkennung von Hassrede, Radikalisierung und Desinformation mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI). Hierbei werden Definitionen, Datenakquisition, Methodik und Forschungsprojekte vorgestellt.
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S. 28 - 44, Beitrag
Frederik Kohler / Rita HaverkampWährend der COVID-19-Pandemie beschnitten staatliche Notfallmaßnahmen die Grundrechte in einem bislang ungekannten Ausmaß. Die Eindämmung der Coronainfektionen stand und fiel dabei mit der Bereitschaft der Bevölkerung, sich an diese Regeln zu halten. Die Akzeptanz der Notfallmaßnahmen in der Bevölkerung unterlag Schwankungen. Hieraus ergibt sich die Frage, wer unter welchen Bedingungen solche Notfallregeln akzeptiert und befolgt. Der Artikel adressiert die Frage nach der Normakzeptanz während der COVID-19-Pandemie anhand von empirischen Befunden aus einer Online-Vignettenbefragung unter 6.000 Befragten in Deutschland. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie Sicherheitsakteure bei der Durchsetzung von Notfallmaßnahmen Normakzeptanz innerhalb der Bevölkerung fördern können. Bei der Darstellung der Ergebnisse der Online-Vignettenumfrage richtet sich der Fokus darauf, welchen Einfluss verschiedene Faktoren wie Fairness auf die Schaffung von Normakzeptanz innerhalb der Bevölkerung haben.
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S. 45 - 57, Beitrag
Armin Pfahl-TraughberGegen die politikwissenschaftliche Auffassung von Extremismus wird immer wieder Kritik formuliert, wobei die gemeinten Einwände häufig von inhaltlichen Zerrbildern geprägt sind. So besteht der inhaltliche Ausgangspunkt in der individuellen Freiheit, nicht im angeblichen Schutz des dominierenden Staates. Darüber hinaus veranschaulicht der aufklärerische Blick auf die politikwissenschaftliche Extremismustheorie: Auffassungen zu geringem Erkenntnisgewinn, inhaltlichen Gleichsetzungen, instrumentalisierten Kampfbegriffen, diskreditierter Kapitalismuskritik oder normativer Mitte-Idealisierung gehören nicht zu deren inhaltlichem Selbstverständnis. Ein Ausblenden der einschlägigen Fachliteratur wie der erläuternden Klarstellungen geht in der Kritik häufig einher mit der Orientierung an politischen Unterstellungen und schiefen Zuordnungen. Eine bilanzierende Betrachtung dazu soll eine konstruktive Diskussion befördern, fern von Demokratierelativierung und Fehlwahrnehmungen.
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S. 58 - 76, Beitrag
Paul SchliefsteinerAm 3. Dezember 1993 detonierte in der oststeirischen Stadtgemeinde Hartberg eine Briefbombe in den Händen eines katholischen Pfarrers, der sich für Flüchtlinge engagiert hatte. Es war eine von zehn derartigen Sprengfallen, die in diesen Dezembertagen an verschiedene Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens versandt wurden. Fünf weitere Bombenserien sollten bis zum Dezember 1996 folgen, als der Terror so abrupt endete, wie er begonnen hatte. Bis der Fall gelöst wurde, sollte noch fast ein ganzes Jahr, nämlich bis Oktober 1997, vergehen. Teile der Angriffe richteten sich später auch gegen nichtprominente Opfer, teils mit Migrationshintergrund. Neben diesen durch ihre Adressierung als mehr oder minder „gezielt“ zu betrachtenden Anschlägen, kam es außerdem zur Explosion von drei Sprengsätzen in Klagenfurt, Stinatz und Oberwart. Die Bombe von Oberwart tötete vier junge Roma und war einer der tödlichsten Anschläge in der Geschichte der Zweiten Republik. Neben den Toten wurden gesamt 14 Personen (körperlich) teils schwerst verletzt. Trotz intensiver Anstrengungen gelang es den Ermittlern nicht, unmittelbar den oder dem damals unbekannten Täter(n) auf die Spur zu kommen. Die polizeiliche Arbeit wurde dabei teils durch politische und öffentliche Annahmen über die Hintergründe der Tat, die sich später als weitgehend inkorrekt erwiesen, sowie fehlende rechtliche Möglichkeiten und Ermittlungsmethoden erschwert. Die Bombenserie lieferte jedoch zahlreiche Impulse für Modernisierungen und Veränderungen der Polizeiarbeit in Österreich. Der folgende Überblick stellt die heute weitgehend in Vergessenheit geratenen Ereignisse rund um die Terrorserie sowie die bisher bekannten Änderungen polizeilicher Arbeit dar und erörtert, welche Aspekte des Falles drei Jahrzehnte nach Beginn der Anschläge immer noch von Interesse sind. Der Autor hofft durch diesen Beitrag den Fall besser im gegenwärtigen wissenschaftlichen Diskurs zu verankern und mit interessierten Fachkolleginnen und -kollegen, aber insbesondere auch Zeitzeuginnen und -zeugen in Kontakt zu kommen, um die historische Dokumentation, gerade der polizeilichen Arbeit, zu verbessern.
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S. 77 - 84, Beitrag
Alexander Schahbasi / Martin FiederEinstellungsmuster in Bezug auf die Zuwanderung nach Europa haben direkte Auswirkungen auf den sozialen Zusammenhalt von Gesellschaften und implizit auf die politischen Systeme liberaler Demokratien. Auf Basis von Daten des European Social Survey können wir zeigen, dass die Einstellungen gegenüber Zuwanderern einer anderen Ethnie – bei regionalen Unterschieden – im Zeitverlauf durchaus konstant sind. Eine große Mehrheit der Befragten ist für moderate Zuwanderung (also den Zuzug „einiger“ bzw. „weniger“), während jene, die „keine“ bzw. „viel“ Zuwanderung bevorzugen, Minderheiten darstellen.
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S. 85 - 99, Beitrag
Michael Maurer„Seit Jahren verschärft sich das Problem der Radikalisierung von Jugendlichen, kontinuierlich steigt die Anzahl derer, die nach Syrien oder in den Irak ausreisen. Parallel dazu werden es immer mehr, die wir zur Generation Allah zählen müssen, während zunehmend das Konfliktpotential eines religiösen Fundamentalismus in der Gesellschaft, vor allem in die Schulen getragen wird. […] Gefürchtet werden Stigmatisierung, Ausgrenzung, Entsolidarisierung, Exklusion“. So beschreibt Ahmad Mansour bereits 2016 die Situation zur Radikalisierung von Jugendlichen. Doch auch die aktuelle Entwicklung, weit nach der Hochphase des „Islamischen Staates“, zeigt erneut die Brisanz des Phänomens der salafistisch geprägten Radikalisierung, da wahrgenommen wird, wie sich Jugendliche vermehrt der salafistischen Ideologie hingeben – nicht nur Jugendliche mit muslimischem Hintergrund, sondern sehr häufig Konvertiten, ohne vorherigen Bezug zum Islam, sowie jene, die zuvor durch zahlreiche Straftatbegehungen in Erscheinung getreten sind. Die aktuelle Wahrnehmung in der Jugendszene wurde zum Anlass genommen, sich näher mit der Problematik der salafistisch geprägten Radikalisierung von Jugendlichen und mit den Fragen auseinanderzusetzen: Was bringt Jugendliche dazu, sich extremistischen Gruppierungen hinzuwenden? Warum ergeben sich „religiöse Analphabeten“ einer Ideologie, die sich als ein auf wenige Glaubenssätze, Normen und Rituale aufbauendes reduziertes Weltbild stützt? Bei genauer Betrachtung ist zu erkennen, dass nicht die religiöse Überzeugung im Vordergrund steht, sondern die Suche nach klaren und einfachen Erklärungen, Regeln und Orientierung in einer Gemeinschaft, um aus persönlichen Krisen zu finden und sich in einer zunehmend komplexen Welt zurechtzufinden – die salafistische Ideologie als Ausweg aus der persönlichen Lebenssituation und als Sinnstiftung. Dies kann stellvertretend für jegliche Form von Radikalismen bzw. Extremismen herangezogen werden.
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S. 100 - 101, Autoren
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S. 102 - 103, Rezension
Bernhard Krumphuber -
S. 104 - 105, Rezension
Hans Ditrich