Die Kapazitätsmechanismen sind nationale Regelungen, die die Kapazitätsverfügbarkeit für den nationalen Strommarkt sicherstellen sollten. Zumindest indirekt fördern sie die Investitionen in die neuen Stromerzeugungskapazitäten. Sie nehmen verschiedene Formen an: landesweite Kapazitätsmärkte, strategische Reserven, Lastmanagementregelungen. Die Kommission behandelt die Kapazitätsmechanismen als staatliche Beihilfen iSv Art 107 Abs 1 AEUV und unterzieht sie einer beihilferechtlichen Prüfung nach Leitlinien über die Umwelt und Energiebeihilfen. In ihrer bisherigen Entscheidungspraxis wurden insgesamt 11 Kapazitätsmechanismen für mit dem Binnenmarkt nach Art 107 Abs 3 Buchst c) AEUV vereinbar erklärt.
Die neue Verordnung (EU) 2019/943 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 über den Elektrizitätsbinnenmarkt enthält in seinen Art 21–27 Gestaltungsgrundsätze für die Kapazitätsmechanismen. Es handelt sich dabei um regulatorische Vorgaben, die zum Teil inhaltsgleich mit den beihilferechtlichen Vorgaben aus den Kommissionsleitlinien sind. Sie sind in den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar und verbindlich.
Nun sind die Kapazitätsmechanismen, die Beihilfenmerkmale nach Art 107 Abs 1 AEUV erfüllen, zwei unionsrechtlichen Regimen unterworfen, in denen die Europäische Kommission verschiedene Rollen spielt. Zum einen, in der beihilferechtlichen Prüfung nach Art 108 AEUV, verfügt die Kommission ex ante über eine ausschließliche Zuständigkeit für die Vereinbarkeitserklärung des Kapazitätsmechanismus mit dem Binnenmarkt. Zum anderen ist sie ex post, als Hüterin der Verträge, für die Kontrolle in den Mitgliedstaaten korrekter Anwendung der Vorgaben aus der Verordnung (EU) 2019/943 zuständig.
Auf den ersten Blick lassen sich in den beiden Regelwerken keine gegensätzlichen Vorgaben feststellen. Die Verordnung (EU) 2019/943 enthält im Vergleich zu den beihilferechtlichen Kommissionsleitlinien einen ausgebauten Vorgabenkatalog zur Abschätzung der Angemessenheit der Ressourcen sowie zur grenzüberschreitenden Beteiligung an Kapazitätsmechanismen. Neu ist die regulatorische Vorgabe der Emissionsgrenze von 550 gr CO2/kWh in Art 22 Abs 4 dazugekommen, die den Kreis der förderfähigen Kapazitätserzeuger bestimmt. Sie verleiht zwar den Kapazitätsmechanismen einen klimafreundlichen Touch, dank großzügigen Übergangsfristen und „grandfathering“ Klausel gefährdet sie jedoch nicht die schon beschlossenen Investitionen in die Erzeugungskapazitäten.