Mit dem Vertrag von Lissabon erkennt die Union die in der Charta der Grundrechte niedergelegten Rechte, Freiheiten und Grundsätze als Rechtsquelle an. Obwohl mit der Charta endlich ein geschriebener Grundrechtskatalog besteht, bestehen daneben die als allgemeine Rechtsgrundsätze entwickelten Unionsgrundrechte (Art 6 Abs 3 EUV) und wird nach dem Beitritt der EU zur EMRK zusätzlich diese die Union und ihre Organe als Rechtsquelle binden.
Art 52 Abs 4 GRCh bestimmt, dass die Chartagrundrechte, soweit sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben, im Einklang mit diesen ausgelegt werden. Art 53 GRCh bewirkt aber weder die Inkorporierung nationaler Grundrechtsstandards in die Charta, noch zwingt er umgekehrt die Mitgliedstaaten zur Anpassung der nationalen Verfassungen im eigenen Wirkungsbereich.
Der zweifache, nach dem Beitritt der EU zur EMRK dreifache Grundrechtsschutz läuft materiell häufig parallel. Diese Parallelität erfordert in der Praxis Harmonisierungsbemühungen des EuGH, des EGMR und der Verfassungsgerichte der Mitgliedstaaten. Insbesondere für EuGH und EGMR gilt es, die richtige Balance in der Kontrolldichte zwischen verbliebenen Beurteilungsspielräumen („margin of appreciation“) und erforderlicher Durchsetzung der Maßstäblichkeit der jeweiligen Rechtsordnung zu finden. Nur dann kann der erforderliche europäische Grundrechtsschutz die nötige Akzeptanz finden.