Das Vertrauen in staatliche Institutionen und insbesondere in die Polizei ist als Grundvoraussetzung für die Legitimität und Effektivität ihres Handelns anzusehen, da es die Basis von Einwilligung in und Kooperation mit dem staatlichen Gewaltmonopol darstellt. Der aktuelle gesellschaftspolitische Diskurs macht dies an verschiedenen Beispielen (Black Lives Matter-Proteste, Grundrechte-Demonstrationen) besonders deutlich. Es stellt sich daher die Frage, wie das Vertrauen in die Polizei als Organisationsziel und strategische Kennzahl messbar gemacht, aber auch beeinflusst werden kann. Im folgenden Beitrag wird deutlich, dass es sich beim Polizeivertrauen um ein mehrdimensionales Konstrukt handelt, das weiterer Forschung bedarf. Gleichermaßen wird deutlich, dass die polizeiliche Praxis sowie auch eine neu anzudenkende behördliche Sicherheitskommunikation wissenschaftliche Erkenntnisse zu strategisch relevanten Fragestellungen benötigen.
- ISSN Online: 2410-745X
Inhalt der Ausgabe
S. 4 - 12, Beitrag
Polizeivertrauen – Organisationsziel und strategische Kennzahl?
Für Polizisten ist es nach wie vor eine Priorität, auf Respektlosigkeiten von Seiten der Bürger angemessen zu reagieren. In der Forschung wird ein Zusammenhang zwischen Wahrnehmung von polizeilicher Autorität und Gewaltanwendung als Reaktion auf so genannte Respektlosigkeiten betont. Um dem Umgang mit herausfordernden Situationen im Polizeialltag zu begegnen, lohnt es sich, diesbezüglich ein Curriculum in die polizeiliche Ausbildung zu integrieren. Ein solches Curriculum sollte zunächst theoretische Grundlagen davon vermitteln, welche Formen von Autorität es gibt, welche Autoritätsformen in polizeilichem Handeln auftauchen können und eine theoretische Grundlage davon vermitteln, wie der Einsatz von polizeilicher Autorität und der Respekt, den sich Polizisten ersehnen, zusammenhängen. Dieser Artikel erörtert diese theoretischen Grundlagen, um daraus ein umfassendes Ausbildungscurriculum zu erstellen und zeigt auch erste Schritte auf, in denen die Inhalte bereits in Ansätzen im Studium an Polizisten vermittelt wurden.
Stäbe sind im Kontext von Gefahrenabwehr und Krisenmanagement ein besonderes Führungsmittel. Sie markieren in der Regel die höchste Instanz eines Führungssystems und werden zur Führung der anspruchsvollsten Einsätze eingesetzt. Trotz klarer fachlicher Prägungen sind sie zwischen unterschiedlichen Organisationen vergleichbar. In einem Forschungsprojekt wurden der Weg der Herbeiführung und die Resultate von Einsätzen unter der Führung von Stäben untersucht. Führungsleistungen sind es demnach grundlegend als Stab zu funktionieren, Einsätze führbar zu machen, Zeitvorteile gegenüber dem natürlichen Ereignisverlauf zu erarbeiten und den Ereignisfortgang zu beeinflussen. Einsatzergebnisse sind die Stabilisierung bzw. Wiedereinlenkung des Zielsystems und die Wahrnahme der organisationalen Souveränität als Vermeidungsziele. Diese Resultate werden am allgemeinen Anspruch an Stäbe gemessen, der sich aus der Universalität dieses Führungsmittels als Generalinstrument ergibt. Als ausreichende bzw. erwartungsgemäße Führungsleistung gilt demnach, kurz gesagt, wenn durch den Stab die Voraussetzungen für operative Einheiten geschaffen wurden, um für die jeweilige Situation das bestmögliche Ergebnis (Systemzustand) herbeizuführen. Die Befunde ermöglichen einerseits eine nachvollziehbare Beurteilung der Stabsarbeit sowie andererseits die Ausrichtung der Einsatzführung auf die erwarteten Ergebnisse.
S. 34 - 46, Beitrag
Zentrale Daten des Rechtsschutzbeauftragten 2019
Der Rechtsschutzbeauftragte (fortan kurz: RSB) beim Bundesminister für Inneres (BMI), Manfred Burgstaller, veröffentlicht - gemeinsam mit den jeweils an der Publikation mitarbeitenden Mitgliedern seines Rechtsschutzteams - seit vielen Jahren regelmäßig Informationen über seine konkrete Tätigkeit im jeweils vorangegangenen Geschäftsjahr. Diese dem Transparenzanliegen des RSB dienende Übung wird mit dem vorliegenden Beitrag fortgeführt, der eine Zusammenfassung der wichtigsten Daten der Berichte zum Sicherheitspolizeigesetz (SPG) und zum Polizeilichen Staatsschutzgesetz (PStSG) aus dem Jahr 2019 bietet. Die Erhebung der Daten aus den Meldungen zum SPG wurde von Susanne Rosenmayr, aus den Meldungen zum PStSG von Angelika Zotter durchgeführt. Frau Zotter hat mit Anfang März 2020 ihre Stellung als wissenschaftliche Referentin des RSB über eigenen Wunsch aufgegeben und konnte daher an dieser Publikation nicht mehr mitwirken. Die Auswahl und Aufbereitung der im Folgenden präsentierten Daten aus den beiden, auf Ersuchen des RSB und im Einvernehmen mit diesem, vom stv. RSB Ernst Eugen Fabrizy verfassten und vom RSB dem BMI übermittelten Jahresberichten 2019 erfolgte durch Manfred Burgstaller, Ernst Eugen Fabrizy und Susanne Rosenmayr gemeinsam.
Im Jahr 1992 erhielt die Europäische Union (EU) durch den Vertrag von Maastricht Kompetenzen im Bereich Justiz und Inneres (JI-Bereich). Das heute als „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ betitelte Kompetenzgebiet hat sich seitdem zu einem der fruchtbarsten, aber auch umstrittensten Politikbereiche der Union entwickelt. Seit dem Vertrag von Lissabon teilen sich die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten Kompetenzen für den gesamten Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Bereits vor dem Inkrafttreten des Lissaboner Vertrags veränderte sich das Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission. Die Europäische Kommission - auch gestützt durch die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) - trachtete zusehends nach der Führung bei der Politikgestaltung. Die Mitgliedstaaten und damit der EU-Rat versuchen hingegen, die nationalstaatlichen Prärogativen hervorzuheben. Im Beitrag werden mögliche Wege zur Stärkung der interinstitutionellen Zusammenarbeit in den kommenden Jahren skizziert.
Sei es eine dunkle Ahnung, erfahrungsbasierte Vermutung, approximative Schätzung oder methodisch gestützte Hypothese - die Rede von einer Dunkelziffer markiert ein bedrohliches Ausmaß unbekannter Vorgänge. Realität und Fiktion sind in diesem Begriff wie untrennbar miteinander verwoben. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist der Verweis auf eine zumeist „hohe Dunkelziffer“ zu einem zentralen sicherheitspolitischen Argument reüssiert. Die Dunkelfeldforschung nimmt gegenwärtig eine große Bedeutung in der evidenzbasierten und präventiv ausgerichteten Kriminalpolitik ein. Entgegen ihrer aktuellen Konjunktur liegt jedoch die Geschichte des unentdeckten Verbrechens weitgehend im Dunklen. Der vorliegende Artikel befasst sich mit der an der Schwelle zur Moderne an das Licht der Öffentlichkeit gerückten „Kriminalitätswirklichkeit“ und den, aufs Engste mit ihr verbunden, forcierten Maßnahmen zu ihrer Erfassung. Die Analyse der Praxis der Strafverfolgung des frühen 19. Jahrhunderts erlaubt einen Einblick in die Frage, wie das unentdeckte Verbrechen zu einem Gegenstand der Aufmerksamkeit werden konnte. Bemerkenswerterweise manifestierte sich das Phänomen der Entkoppelung realer Vorkommnisse von ihrer faktischen Erfassbarkeit im Zuge einer ab dem späten 18. Jahrhundert veränderten Sichtweise auf nicht sesshafte und der Delinquenz und des Verbrechens verdächtigten Teile der Gesellschaft. „Vaganten“ und „Gauner“ figurierten zunehmend als ein Topos der Bedrohung. Das nur wenig bestimmbare Ausmaß einer scheinbar homogenen Gruppe und deren repressive Verfolgung befeuerten einander wechselseitig. In den Blick zu rücken gilt es ein prekäres Verhältnis zwischen einem unsicheren, limitierten oder gar absoluten Nichtwissen und den mit der Rede von einer „hohen Dunkelziffer“ in Gang gesetzten Interventionen.