Schloss Hartheim, das sich in der Nähe von Linz in Oberösterreich befindet, war von 1940 bis 1944 eine von sechs Euthanasieanstalten im Deutschen Reich. Im Rahmen der „Aktion T4“ wurden von Mai 1940 bis August 1941 Menschen mit Behinderung und psychischen Erkrankungen ermordet. Nach dem Stopp der „Aktion“ wurde der Betrieb in der „Landesanstalt Hartheim“ nicht eingestellt, sondern es wurden bis in den Spätherbst 1944 Häftlinge aus den Konzentrationslagern Mauthausen, Gusen, Dachau und Ravensbrück („Sonderbehandlung 14f13“) sowie Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter ermordet. In Hartheim sind in diesem Zeitraum insgesamt 30.000 Menschen in einer Gaskammer getötet worden. Auf den ersten Blick würde man die Verantwortung und Organisation für die NS-Euthanasie wohl im ärztlichen Bereich verorten, dass jedoch die Polizei - insbesondere die Kriminalpolizei - in allen Phasen eine entscheidende Rolle gespielt hat, erschließt sich erst nach genauerer Betrachtung. Wie vielfältig die Verstrickungen der Kriminalpolizei waren, soll der vorliegende Beitrag anhand einer Zusammenführung des aktuellen Forschungsstandes zur Kriminalpolizei in Verbindung mit der Geschichte der Tötungsanstalt Hartheim bzw. der Ermordung von Menschen, die in psychiatrischen Anstalten untergebracht waren, umreißen.
- ISSN Online: 2410-745X
Inhalt der Ausgabe
Als kriminaltechnische Disziplin ist die forensische Linguistik unter der Bezeichnung Autorenerkennung am deutschen Bundeskriminalamt (BKA) seit vielen Jahren etabliert und nimmt damit nicht nur innerhalb Deutschlands eine Sonderstellung ein. Zu ihren Aufgaben gehört die Analyse inkriminierter Texte aus den unterschiedlichsten Deliktsbereichen einerseits und die Pflege der zentralen Tatschreibensammlung andererseits, die über Sammlungsabgleiche und weitere Abfragefunktionen auch erkennungsdienstliche Unterstützung der Polizei leistet. Der Artikel stellt die Möglichkeiten linguistischer Textanalyse vor, die wichtigsten theoretischen Grundlagen, die Verfahrensschritte sowie die relevanten Methoden. Während die Autorenerkennung des BKA eng an andere forensische Wissenschaften angebunden ist und einen hohen Professionalisierungsgrad aufweist, gibt es für die Ausbildung forensisch-linguistischer Expertise jenseits des BKA noch Entwicklungspotenzial.
Die Strafverfolgung im Deliktsbereich des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung - oder kurz Zwangsprostitution, wie es seit 2016 im deutschen Strafrecht heißt - ist mit zahlreichen Herausforderungen verknüpft. Der zeitliche und personelle Aufwand, den die Polizei betreiben muss, um ein Ermittlungsverfahren zu initiieren und erfolgreich abzuschließen, ist enorm und nach wie vor stark an den Personalbeweis in Form von glaubhaften Aussagen durch (Opfer-)Zeuginnen und (Opfer-)Zeugen gebunden. Zeitgleich ist die Aussagebereitschaft der Opferzeuginnen in der Regel gering. Neben der Angst vor Repressalien durch den Täter können auch Scham, mangelndes Vertrauen in die Strafverfolgungsbehörden oder ein geringes Opferbewusstsein die Aussagebereitschaft beeinflussen. Bei sogenannten „Loverboy“-Fällen - einem Modus Operandi im Deliktsbereich Menschenhandel/Zwangsprostitution - entsteht ein weiteres Hemmnis: Durch die fingierte Liebesbeziehung bauen die Betroffenen eine emotionale Bindung zum Täter auf, wodurch die Loslösung (aus) der Zwangslage erschwert wird. Der Zugang zu den Betroffenen gestaltet sich entsprechend schwierig. Im Beitrag werden diese und weitere Herausforderungen aus der Perspektive der Strafverfolgungspraxis beleuchtet sowie konkrete Hinweise und Empfehlungen für die Verfahrensinitiierung und Sachverhaltsaufklärung abgeleitet. Die Erkenntnisse stammen aus qualitativen Interviews mit Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten aus dem deutschen Bundesgebiet, die seit durchschnittlich neun Jahren schwerpunktmäßig im Bereich Menschenhandel und Milieukriminalität tätig sind. Sie wurden als Vorbereitung eines Promotionsprojekts zur „Loverboy“-Methode im Zeitraum von 2017 bis 2019 erhoben, kommunikativ validiert und zusätzlich durch die Expertise von der Fachabteilung des Landeskriminalamts Niedersachsen auf Aktualität geprüft und thematisch ergänzt.
S. 45 - 57, Beitrag
Diskriminierung und Rassismus der Polizei als Forschungsfeld
Vor dem Hintergrund der öffentlichen Debatte über Rassismus in der Polizei und der Forderung nach wissenschaftlicher Expertise verfolgt der Beitrag das Ziel, die Probleme zu benennen und als Herausforderungen zu ordnen, die mit der Erforschung von Diskriminierung und Rassismus in der Polizei verbunden sind. Es werden vier Probleme theoretischer und methodischer Natur identifiziert: das Problem der Phänomenbestimmung, das Problem der Perspektive, das Problem der Methode und das Problem der Normativität. Erst eine Lösung dieser Probleme bzw. eine Beantwortung der mit ihnen verbundenen Fragen trägt dazu bei, so die These, eine wissenschaftlich gehaltvolle Fundierung der Debatte um das komplexe Phänomen zu ermöglichen. Im Zuge der Erörterung der einzelnen Probleme bzw. Herausforderungen erfolgt zunächst ein Abriss konzeptioneller Grundlagen der Begriffe „Diskriminierung“ und „Rassismus“, gefolgt von einem nach Perspektive und methodischem Zugang systematisierten Überblick über thematisch einschlägige Untersuchungen aus der deutsch- und englischsprachigen Forschungslandschaft. Anhand dieser Ordnung von Studien und Konzepten wird gezeigt, dass unterschiedliche Erkenntnisinteressen, Perspektiven und Zugänge zum Thema sich nicht ausschließen, sondern dass sie wechselseitige Ergänzungen darstellen, die dazu beitragen, das komplexe Phänomen differenziert analysieren zu können.
Im Zuge des technischen Fortschritts entwickeln sich in jüngerer Vergangenheit auch die technischen Hilfsmittel zur Überwachung immer weiter. Die Möglichkeiten zur Beobachtung und Überwachung scheinen dabei vielfältig und auf verschiedenen Ebenen einsetzbar. Im folgenden Beitrag wird auf die Grundlagen und die Umsetzung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung (EAÜ) in Deutschland und den elektronisch überwachten Hausarrest (eüH) in Österreich eingegangen. Neben der Skizzierung der rechtlichen Unterschiede werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede hinsichtlich der Umsetzung der EAÜ und des eüH herausgearbeitet. Dabei wird ersichtlich, dass bei gleicher Technik rechtliche und kriminalpolitische Unterschiede in den beiden Ländern bestehen. Ebenso wird deutlich, dass sich dieses technische Mittel in letzter Zeit immer neue Anwendungsbereiche im Recht erschlossen und eine Ausweitung stattgefunden hat. Ursprünglich wurde die „Fußfessel“ als ein Instrument im Bereich der Prävention von Straftaten und des Strafvollzugs angewendet. Der erste Einsatz liegt in Deutschland mittlerweile mehr als zwanzig und in Österreich mehr als zehn Jahre zurück. Dennoch mangelt es an umfangreichen empirischen Studien, die eine Wirksamkeit in den Einsatzbereichen bestätigen.
Häusliche Gewalt im polizeilichen Einsatz ist eine Herausforderung. Sowohl für die verwaltungsrechtliche Abklärung vor Ort (Betretungs- und Annäherungsverbot: § 38a Sicherheitspolizeigesetz) als auch im Zuge strafrechtlicher Ermittlungen ist die Komplexität und Dynamik von Gewaltbeziehungen meist in einem kurzen Zeitraum einzuschätzen. Der Berufsalltag der Polizistinnen und Polizisten lässt dafür jedoch aufgrund diverser anderer Aufgaben vergleichsweise wenig Ressourcen übrig. Gerade deswegen ist es umso wichtiger für die Verantwortlichen vor Ort ein solides Verständnis dafür zu haben, was häusliche Gewalt ist, wie diese erkannt werden kann und mit welchen polizeilichen Interventionen bestmöglich vorzugehen ist, um weitere Gewalttaten und schließlich auch Tötungen verhindern zu können. Im Zuge des Projekts IMPRODOVA (Improving Frontline Responses to High Impact Domestic Violence) wurde für die Verbesserung von Interventionen eine Trainingsplattform entwickelt, die für die Polizeiarbeit und für die Sektoren Medizin und Soziales häusliche Gewalt anwendungspraktisch erklärt und aufbereitet. Die Plattform bietet vielfältiges Trainingsmaterial und enthält sowohl eine Einführung in das Themengebiet als auch einzelne Module zur Vertiefung spezifischer Inhalte.
S. 82 - 91, Beitrag
Sechs Jahre Korruptionsforschung im BAK – Rückblick und Ausblick
Korruption ist ein komplexes und vielschichtiges Phänomen. Um Korruption mit evidenzbasierten Präventionsmaßnahmen entgegenzuwirken, betreibt das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) seit 2015 eine eigenständige Forschungstätigkeit. Es handelt sich um einen Forschungsansatz, der die Ursachen von Korruption in Bezug auf „Einstellungen zu Korruption“ im Fokus hat. Die Forschung zur Einstellung zu Korruption in einer bestimmten Zielgruppe ermöglicht es, Wissen über Korruptionsrisiken in diesem Bereich zu sammeln und Anhaltspunkte für die mögliche Anfälligkeit einer Personengruppe für diese Risiken zu generieren. Mit Hilfe der Hannoverschen Korruptionsskala (HKS 38) sowie der Hannoverschen Korruptionsskala Österreich-Version (HKS 38 Ö) hat das BAK im Rahmen von zwei Studien über 3.000 Personen, darunter Polizeischülerinnen und -schüler aus ganz Österreich, zu ihrer Einstellung zu Korruption befragt. In der ersten Studie erreichen die Polizeischülerinnen und -schüler einen Prozentrang von 50, in der zweiten Studie einen Prozentrang von 47 und somit in beiden Fällen einen Wert, der nahe am Mittelwert der Allgemeinbevölkerung liegt. Die Ergebnisse ermöglichen eine noch angemessenere und fundiertere Gestaltung von Präventionskonzepten für die Zielgruppe der Polizeischülerinnen und -schüler sowie für jede ausgewählte Personengruppe, die zukünftig mit der HKS 38 Ö befragt wird.