Vor über 20 Jahren hat der OGH in einem brisanten Fall unter beträchtlicher Medien- und Fachresonanz erstmals einen Beschluss eines OLG als rechtlich nicht bindend erachtet und zur Klarstellung beseitigt. Mittlerweile hebt der OGH regelmäßig gerichtliche Entscheidungen zur Klarstellung auf, weil diese unwirksam und rechtlich bedeutungslos seien. Der vorliegende Beitrag untersucht, inwieweit diese Judikatur in den einschlägigen Bestimmungen der StPO Deckung findet und unter welchen Voraussetzungen gerichtliche Entscheidungen tatsächlich unwirksam sind.



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Inhalt der Ausgabe
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S. 277 - 293, Aufsatz
Martin Stricker -
S. 294 - 304, Aufsatz
Caroline Lechner-HartliebDer gewerberechtliche Geschäftsführer wird von der Rechtsordnung in mehrfacher Hinsicht in die Pflicht genommen: Zum einen ist er anstelle der Gewerbetreibenden gegenüber der Gewerbebehörde für die Einhaltung gewerberechtlicher Vorschriften im weiteren Sinne verantwortlich, zum anderen besteht eine zivilrechtliche Haftung. Schon daraus erschließt sich, dass es sich bei der Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers um eine für die Gewerbeverwaltung und die Gewerbeausübung bedeutsame Einrichtung handelt. Anknüpfend daran stellen sich zentrale Fragen zum sachlichen Umfang der jeweiligen Verantwortlichkeit, zu den konkreten Pflichten, die sich daraus ergeben, und zu den Konsequenzen – Fragen, die häufig auch die Verwaltungsbehörden und die Gerichte, sowohl jene der ordentlichen als auch jene der Verwaltungsgerichtsbarkeit, beschäftigen.
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S. 305 - 306, Aufsatz
Martin Auer / Friedrich Rüffler -
S. 307 - 323, Rechtsprechung
Elissa TschachlerGegen die – hinreichend bestimmten – Regelungen des StVfG und des StGB betreffend das Verbot der Mitwirkung an der Selbsttötung (Suizidhilfe) und betreffend die Voraussetzungen für die Errichtung einer Sterbeverfügung, die insbesondere der Sicherung des freien, informierten und dauerhaften Entschlusses der sterbewilligen Person dienen, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf das Recht auf freie Selbstbestimmung oder andere Grundrechte. Hingegen verstößt die einjährige Wirksamkeitsdauer wegen der Verpflichtung, das gesamte Errichtungsverfahren neuerlich zu durchlaufen, gegen das Sachlichkeitsgebot; die Aufhebung von Wortfolgen in § 10 Abs 2 und 3 StVfG tritt mit Ablauf des 31.05.2026 in Kraft. Das Verbot, Suizidhilfe anzubieten bzw anzukündigen (§ 12 Abs 1 StVfG), wird wegen Verstoßes gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung aufgehoben.
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S. 323 - 327, Rechtsprechung
Thomas AignerDie Frage, ob Lärm die ortsübliche Nutzung der Nachbarliegenschaft wesentlich beeinträchtigt, hängt nicht nur von ihrer objektiv messbaren Lautstärke (iS der Erhöhung des Grundgeräuschpegels), sondern auch ihrer subjektiven Lästigkeit ab, wobei auf das Empfinden eines durchschnittlichen Bewohners des betroffenen Grundstücks abzustellen ist. Für die Lästigkeit sind neben der Tonhöhe unter anderem auch Dauer, Häufigkeit, Eigenart und Tageszeit des Lärms maßgeblich.
Neu zuziehende Nachbarn müssen sich mit den beim Erwerb einer Liegenschaft vorgefundenen Immissionen grundsätzlich abfinden, zumal in immissionsbelasteten Gebieten auch die Grundstückspreise entsprechend niedriger sind. Bei gesundheitsschädlichen Immissionen besteht eine Duldungspflicht aber nur, wenn die Duldung, also der Erwerb der Liegenschaft, in Kenntnis der Gesundheitsschädlichkeit erfolgt.
Die Wertungen, die der Rsp zu neuen Nachbarn zugrunde liegen, sind nicht auf Nachbarn zu übertragen, die ihre Liegenschaft längere Zeit nicht bewohnt haben und nun die Nutzung wiederaufgenommen haben. Es ist nicht dasselbe, ob Eigentum ungeachtet einer bestehenden (und zumindest erkennbaren) Immissionsbelastung „bewusst“ erworben oder ob eine schon im Eigentum stehende Liegenschaft lediglich vorübergehend nicht genutzt wird.
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S. 327 - 328, Rechtsprechung
Die Streitanmerkung nach § 61 GBG leitet nicht den angemerkten Prozess ein, sondern begründet (nur) die Rechtsfolgen des § 61 Abs 2 GBG. Die angemerkte Tatsache selbst wird nur deklarativ zum Ausdruck gebracht. Die Anmerkung der Erbschaftsklage dient der Vermeidung gutgläubigen Rechtserwerbs vom Scheinerben. Hält man sich diesen (eingeschränkten) Zweck der Streitanmerkung vor Augen und berücksichtigt, dass die Anmerkung der Erbschaftsklage die Beklagten als (außerbücherliche) Eigentümer der Liegenschaftsanteile als solche nicht an der rechtsgeschäftlichen Verfügung über diese hindert, so zeigt sich, dass die Anmerkung der als Universalklage konzipierten Erbschaftsklage ob sämtlichen verlasszugehörigen Liegenschaftsanteilen dem Telos des § 61 (Abs 2) GBG am besten entspricht. Die Anmerkung der Erbschaftsklage an den gesamten in die Verlassenschaft fallenden Miteigentumsanteilen erweist sich damit als zutreffend.
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S. 328 - 331, Rechtsprechung
Bei Bildung eines mit den Pflichten des Straßenerhalters betrauten Gemeindeverbands tritt dieser an die Stelle der Gemeinde. Er nimmt jene Rechtsposition ein, die der Gemeinde bis zur Bildung des Verbands zugekommen ist. Weder verfassungsrechtlich noch einfachgesetzlich ist eine Weisungsbefugnis der Gemeinde vorgesehen. Auch die Mitgliedschaft einer Gemeinde in der Verbandsversammlung vermittelt ihr allein kein Recht, dem Wegeerhaltungsverband Weisungen in Bezug auf konkrete Einzelmaßnahmen zu erteilen. Vielmehr hat der Gemeindeverband die Erhaltung des Wegenetzes und die Mittelaufbringung nach der Satzung eigenverantwortlich sicherzustellen. Ihm allein kommt daher auch die Verfügungsmacht zu, die entsprechenden Maßnahmen zu setzen. In einem solchen Fall besteht daher kein Zweifel darüber, dass (nur) der Gemeindeverband als Wegehalter anzusehen ist. Die Haftung der Gemeinde selbst kann daher nicht auf § 1319a ABGB gestützt werden.
Die Klägerin hat sich zur Begründung der Passivlegitimation der beklagten Gemeinde auf § 13 der Satzung des Gemeindeverbands berufen, wonach durch die Übernahme der Erhaltung und der Kosten der genannten Wege durch den Verband § 1319a ABGB nicht berührt wird und die Haftung für den jeweiligen ordnungsgemäßen Wegzustand bei den Gemeinden verbleibt. Diese Satzungsbestimmung dient schon nach dem Wortlaut (arg: „Haftung“) nicht nur der Regelung der internen Tragung von (berechtigten) Schadenersatzansprüchen zwischen dem Gemeindeverband und den Gemeinden, sondern soll nach ihrem erkennbaren Zweck allfällige Geschädigte absichern, die – unabhängig von einer Haftung des Gemeindeverbands nach § 1319a ABGB – (auch) gegen die Gemeinden ihre Ansprüche geltend machen können sollen. Die Satzung kann daher als ein echter (öffentlich-rechtlicher) Vertrag zugunsten Dritter im Zusammenhang mit Haftungsansprüchen aufgrund eines mangelhaften Wegezustands verstanden werden. Zwar lag der Vereinbarung möglicherweise ein irriges Verständnis des Halterbegriffs in § 1319a ABGB zugrunde. Es besteht aber kein Zweifel, dass die Vertragspartner (Gemeinden) jedenfalls das Ziel verfolgten, auch nach außen keine Änderung des Haftungsregimes eintreten zu lassen.
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S. 331 - 333, Rechtsprechung
Eine von der Rechtsordnung zu schützende Sonderbeziehung zwischen Mensch und Sache, die der Beziehung zu einem nahen Angehörigen wertungsmäßig auch nur annähernd gleichzuhalten wäre, ist auch im Fall der Beschädigung eines Wohnhauses nicht anzunehmen. Eine Ausweitung der Haftung eines Schädigers für Schockschäden aufgrund der Beschädigung einer Sache ist weiterhin abzulehnen.
Kernfrage beim Ersatz von Schock- und auch Trauerschäden ist die vorzunehmende Abgrenzung zum allgemeinen Lebensrisiko. Psychische Beeinträchtigungen aufgrund des Umstands, dass jemand einer Gefahr durch Zufall entrinnt, gehören in die Kategorie des von jedermann selbst zu tragenden Lebensrisikos. Es kann jeden Menschen gleichermaßen – auch unvorhergesehen – treffen, dass er nur durch Zufälligkeiten in seiner Lebensgestaltung von einem potenziell gefährlichen Ereignis verschont bleibt. Solche Ereignisse können auch einen sehr großen, im Vorfeld gar nicht bestimmbaren Personenkreis treffen. Hier erfordert auch die Rechtssicherheit eine klare Grenzziehung, um eine uferlose Ausweitung der Haftung zu vermeiden.
Erforderlich für die Zuerkennung eines Schockschadens an Dritte, die nicht als nahe Angehörige anzusehen sind, ist jedenfalls, dass der Dritte bei gebotener wertungsmäßiger Gesamtbetrachtung der Erstschädigung objektiv in gravierender Weise direkt ausgesetzt war, was im Fall, dass der Dritte der Erstschädigung aufgrund seiner Abwesenheit entgangen ist, gerade nicht der Fall ist. Ein Ersatzanspruch für eine einer derartigen Situation nachfolgende psychische Beeinträchtigung muss daher scheitern. Weder die massive Beschädigung des Hauses der Geschädigten noch ihre Sorge hinsichtlich anderer möglicher Kausalverläufe rechtfertigen in diesem Zusammenhang einen Ersatzanspruch für die dadurch von ihnen erlittenen Beeinträchtigungen.
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S. 333 - 335, Rechtsprechung
Ein Doppelmakler kann – auch unabhängig von einem expliziten Auftrag zur Verkehrswertprüfung – im Rahmen des zwischen beiden Auftraggebern zu erwirkenden Interessensausgleichs zur Aufklärung darüber verpflichtet sein, dass der begehrte Kaufpreis den Verkehrswert übersteigt. Der bloße Umstand, dass der Wert der Liegenschaft von der Einschätzung des Maklers abweicht, als solcher reicht noch nicht aus, um daraus zwingend auf einen Sorgfaltsverstoß schließen zu können. Umgekehrt kann eine Wertermittlung innerhalb der abstrakt möglichen Schwankungsbreite nicht schlechthin als sorgfaltsgemäß eingestuft werden. Wenn daher der Wert der Liegenschaft von der Einschätzung des Maklers abweicht und diese Abweichung außerhalb der Bewertungsspannen (15–30 %) liegt, dann ist dies ein Indiz für ein sorgfaltswidriges Handeln des Maklers (zB methodischer Fehler, unvollständige Informationsbasis). Ermittelt der Immobilienmakler den Verkehrswert methodisch richtig und unter Berücksichtigung des Immobilienmarkts, haftet er aber nicht, selbst wenn seine Prognose nicht standhält.
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S. 335 - 337, Rechtsprechung
Eine analoge Anwendung der in § 27 KHVG angeordneten Verjährungshemmung für eine Direktklage nach § 26c Abs 6 ZÄG kommt nicht in Betracht.
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S. 337 - 340, Rechtsprechung
Wem der Status eines Asylberechtigten rechtskräftig zuerkannt wurde, ist den in § 2 Abs 1 UVG genannten Anspruchsberechtigten gleichgestellt und hat daher ungeachtet der für die Zuerkennung herangezogenen Gründe bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss. Trifft dies nicht (mehr) zu, ist das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft selbstständig als Vorfrage zu prüfen.
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S. 340 - 342, Rechtsprechung
Die Überschreitung der Strafbefugnis belastet den Strafausspruch – ungeachtet dessen, ob die konkret verhängte Strafe innerhalb des zulässigen Strafrahmens liegt – mit Nichtigkeit nach Z 11 Fall 1.
Der auf § 19a Abs 1 StGB gestützte Ausspruch über die Konfiskation ist mit Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 Fall 1 StPO behaftet, wenn dem Urteil nicht zu entnehmen ist, welcher von mehreren Angeklagten welchen konkreten in seinem Eigentum stehenden und sichergestellten Gegenstand zur Begehung auch nur einer der konstatierten Taten verwendet hat.
Es widerspricht dem Gebot, das Erkenntnis so klar und bestimmt zu fassen, dass über die Zuordnung der Sanktion zu den Sanktionierten und deren Vollzug kein Zweifel entstehen kann (§ 260 Abs 1 Z 3 StPO), wenn das Erkenntnis nicht erkennen lässt, über welchen von mehreren schuldig gesprochenen Angeklagten (jeweils) die Strafe der Konfiskation verhängt wurde.
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S. 342 - 343, Rechtsprechung
Der Anordnung der Vorlage der Akten an das Rechtsmittelgericht ist die Prüfung vorgelagert, ob die gesetzlich vorgeschriebenen Zustellungen korrekt erfolgt und ob beim Erstgericht sämtliche Rechtsmittelschriften, allfällige Verzichtserklärungen sowie (soweit vorgesehen) Gegenausführungen eingelangt sind, widrigenfalls, ob die den Beteiligten zur Anbringung oder Ausführung von Rechtsmitteln oder Gegenschriften offenstehenden Fristen abgelaufen sind. Die Anordnung der Vorlage der Akten trotz Nichtvorliegens dieser Voraussetzungen verletzt § 179 Abs 1 Geo. Die Beschlussfassung des Rechtsmittelgerichts verletzt § 87 Abs 1 StPO, wenn das Nichtvorliegen dieser prozessualen Voraussetzungen im Zeitpunkt der Aktenvorlage aktenkundig gewesen ist.
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S. 343 - 345, Korrespondenz
Bernhard König