Das österreichische Suchtmittelstrafrecht ist hinsichtlich möglicher strafrechtlicher Reaktionen zweigeteilt. Während im unteren Bereich die Idee „Therapie statt Strafe“ in all seinen Facetten dominiert, ist im oberen Bereich sogar eine lebenslange Freiheitsstrafe angedroht. Der folgende Beitrag widmet sich zunächst kriminalpolitischen Aspekten der österreichischen Suchtmittelpolitik. Daran anschließend wird auf strafrechtsdogmatische Probleme zu § 28a Abs 4 Z 2 und Abs 5 SMG eingegangen.
- ISSN Online: 2312-1920
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Inhalt der Ausgabe
S. 405 - 406, 20. Österreichischer StrafverteidigerInnentag
TEIL 1 ; Eröffnungsrede und Festvortrag ; Rede zur Eröffnung des 20. Österreichischen StrafverteidigerInnentages
S. 407 - 415, 20. Österreichischer StrafverteidigerInnentag
Das neue deutsche Konsumcannabisgesetz – ein Regelungsmodell auch für Österreich?
S. 416 - 421, 20. Österreichischer StrafverteidigerInnentag
TEIL 2 ; Panel 1: Suchtmittelstrafrecht – Legalisierung und/oder lebenslange Freiheitsstrafe? ; § 28a Abs 5 SMG: Lebenslange Haft versus Legalisierung von Cannabis in der EU
S. 422 - 425, 20. Österreichischer StrafverteidigerInnentag
§ 28a Abs 5 SMG: Lebenslange Haft vs Legalisierung in der EU
Während es in einigen Staaten der EU Schritte zu einer (Teil-)Legalisierung von Drogenkonsum bzw -besitz gibt und gab, stehen wir gleichzeitig weltweit vor großen Herausforderungen durch Phänomene der organisierten Kriminalität. Diese beiden Entwicklungen stehen – auf den ersten Blick – im Konflikt zueinander. Bei genauer Betrachtung, den notwendigen Pragmatismus vorausgesetzt, könnte eine durchdachte (Teil-)Legalisierung für die Bekämpfung organisierter Kriminalität nutzbar gemacht werden.
S. 426 - 429, 20. Österreichischer StrafverteidigerInnentag
§ 28a Abs 5 SMG: Lebenslange Haft vs Legalisierung in der EU Exkurs zur deutschen Rechtslage
Lebenslange Haft sieht § 28 Abs 5 SMG in Österreich für „führende Tätigkeiten“ in einer Großbande in Bezug auf Suchtmittelhandel vor. Eine vergleichbare Strafdrohung ist in Deutschland nicht vorhanden.
S. 430 - 434, 20. Österreichischer StrafverteidigerInnentag
TEIL 3 ; Panel 2: Aktuelle Rechtsprechung im Bereich des Suchtmittelstrafrechts ; Aktuelle Rechtsprechung zum Suchtmittelstrafrecht
Nachstehender Beitrag beinhaltet die Besprechung von sieben Judikaten des Obersten Gerichtshofes (OGH) sowie des OLG Wien, die allesamt Bezug zum Suchtmittelstrafrecht aufweisen.
S. 435 - 438, 20. Österreichischer StrafverteidigerInnentag
Grundlagen der Strafverteidigung in Suchtmittelsachen
Der Vortrag dient dazu, elementare Grundkenntnisse in der Verteidigung in Suchtmittelsachen zu vermitteln.
S. 439 - 444, 20. Österreichischer StrafverteidigerInnentag
Aktuelle Rechtsprechung im Bereich des Suchtmittelstrafrechts § 28a SMG und die tatbestandliche Handlungseinheit
Der Beitrag fasst die Judikatur zur tatbestandlichen Handlungseinheit bei § 28a SMG zusammen und skizziert dabei vor allem die Auswirkungen auf die Strafrechtspraxis. Beleuchtet werden daher häufige Verhandlungssituationen und die Konsequenzen für das Haupt- und Rechtsmittelverfahren sowie die ne bis in idem Problematik bei einer tatbestandlichen Handlungseinheit und Zusatzstrafen.
S. 445 - 452, 20. Österreichischer StrafverteidigerInnentag
TEIL 4 ; Panel 3: Kryptohandy und Bundestrojaner ; Ein rechtsstaatliches Strafverfahren verlangt eindeutig rechtskonforme Beweismittel
Die von ausländischen Behörden injizierte verschlüsselte TKÜ auf österreichischem Staatsgebiet wirft Fragen zum formellen Strafrecht und dem Grundrechtsschutz auf, die es zu klären gibt. Es ist zu bedauern, dass sich der OGH bis dato zu den aufdrängenden Fragen, die Ergebnisse dieser Ermittlungsmethoden mit sich bringen, geflissentlich entzog. Eine Adaptierung der derzeit geltenden Bestimmungen zur TKÜ erscheint auch aus diesem Grund unerlässlich.
S. 453 - 458, 20. Österreichischer StrafverteidigerInnentag
Überwachung verschlüsselter Kommunikation und Reform des Verfassungsschutzes
Die geopolitischen und sicherheitspolitischen Herausforderungen haben in den letzten Jahren erneut deutlich zugenommen. In dieser Phase wurde die Neugründung und Etablierung der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (Verfassungsschutz) vollzogen. Im Zuge der Neugründung wurde die DSN mit keinen neuen Befugnissen ausgestattet. Die fortschreitende Digitalisierung hat vielmehr dazu geführt, dass an sich bereits bestehende Befugnisse – im Besonderen die Überwachung von Inhaltsdaten – praktisch nicht mehr zielführend sind. Der gegenständliche Beitrag beleuchtet diese beiden Themenfelder – die Reform des Verfassungsschutzes und den Bedarf an zeitgerechten Befugnissen – und baut dabei auf der Podiumsdikssion, die im Rahmen der Jahresversammlung der österreichischen Stafverteidiger:innen geführt wurde, auf.
S. 459 - 467, 20. Österreichischer StrafverteidigerInnentag
Zu den Anforderungen an die Überwachung von (moderner) interpersoneller Kommunikation
Die Überwachung verschlüsselter (interpersoneller) Kommunikation wird nunmehr seit einigen Jahren insbesondere in Strafrechtskreisen und im Bereich des Staatsschutzes diskutiert. Das Thema der Implementierung von Regelungen zur Überwachung verschlüsselter Nachrichten erhält mit jedem medial wirksamen Fall einen erneuten Aufschwung und doch scheint es – mitunter aufgrund der technischen Komplexität – schlichtweg nicht möglich, für sämtliche Stakeholder des Straf-(prozess-)rechts zufriedenstellende Lösungen zu erzielen.
Ernsthafte Ansätze scheiterten bis dato regelmäßig an der Einbindung von Fachexpert:innen aus dem Bereich der Forensik, des Informations-(sicherheits-)Rechts sowie der Nachrichtentechnik. So wurden etwa der bisherige, seinerzeit im öffentlichen Diskurs als „Bundestrojaner“ bezeichnete, Regelungsversuch einer Bestimmung zur Überwachung von verschlüsselten Nachrichten gar vom VfGH aufgrund seiner Verfassungswidrigkeit und der Nichtberücksichtigung technischer Besonderheiten erfolgreich bekämpft.
Während der österreichische Strafprozess ein solches Ermittlungsinstrument daher nicht kennt, wird die in Deutschland als „Quellen-Telekommunikationsüberwachung“ bezeichnete Maßnahme bereits angewendet – wenngleich diese massive Kritik erfährt. Seit EncroChat und SkyECC stehen der Gesetzgeber, die Rechtsprechung und die Lehre nunmehr vor der Frage, was der Strafprozess können und wie weit tatsächlich in die Informationssicherheit- und Freiheit des:r Einzelnen eingegriffen werden sollte.
S. 468 - 470, 20. Österreichischer StrafverteidigerInnentag
TEIL 5 ; Exkurs und Beschlüsse ; PHÖNIX – Resozialisierung durch Sport
Der gemeinnützige Verein PHÖNIX fördert durch das Programm „Trainings for Life“ die Resozialisierung von Strafgefangenen in österreichischen Justizanstalten mittels basketballbasierter Trainings. Diese zehnwöchigen Programme, die in den Justizanstalten Korneuburg, Hirtenberg und Simmering stattfinden, zielen auf die Verbesserung der physischen, psychischen und sozialen Gesundheit ab. Nach der Entlassung werden die Teilnehmer durch das Nachbetreuungsprogramm „COMEBACK CLUB“ unterstützt, um den Übergang in ein straffreies Leben zu erleichtern.
S. 471 - 471, 20. Österreichischer StrafverteidigerInnentag
Beschlüsse des 20. Österreichischen StrafverteidigerInnentages
S. 472 - 476, Aktuelle Gesetzesvorhaben
Neuregelung des Beitrages zu den Verteidigungskosten
Mit 1.8.2024 sind die Neuregelungen über die Neugestaltung und Ausweitung des Verteidigerkostenbeitrages in den §§ 196a und 393a StPO in Kraft getreten. Gegenüber dem Ministerialentwurf gab es auf Grund von Anregungen im Begutachtungsverfahren einige durchaus wichtige Detailänderungen. Somit hat sich in diesem Fall die Bedeutung des Begutachtungsverfahrens recht deutlich gezeigt.
S. 477 - 480, Aufsatz
Verteidigerkostenbeitrag neu nach §§ 196a und 393a StPO – Kurzüberblick für Verteidiger
Mit 1.8.2024 trat eine lang erwartete Novelle zu den einschlägigen Bestimmungen des Beitrags zu den Kosten der Verteidigung in Kraft. Diese wurde im vorstehenden Beitrag von Alexander Tipold dargestellt. Die folgende Abhandlung beschäftigt sich ergänzend mit den Fragen, in welchen Verfahrenskonstellationen ein Kostenersatz nun möglich ist, wie sich dieser zusammensetzt, welche Fristen der Verteidiger mit seiner Antragstellung zu beachten hat und unter welchen Voraussetzungen der Antrag rückwirkend bzw neuerlich gestellt werden kann.
S. 481 - 493, Aufsatz
Neues Sexualstrafrecht in Spanien: Ein Modell für einen Paradigmenwechsel in Europa oder eine gescheiterte Reform?
Das neue Sexualstrafrecht in Spanien hat zum Teil Protest hervorgerufen, der auch in Österreich wahrgenommen wurde. Es wird als ein strenges kommuniziert, das die Eingriffe in die sexuelle Selbstbestimmungsfreiheit umfassend schützt. Der vorliegende Beitrag bringt zunächst die kriminalpolitischen Hintergründe für die jüngste Reform und stellt diese eingehend dar. Dabei wird auch auf die Missinterpretationen mancher Bestimmungen durch die Justiz eingegangen, die letztlich zu einer Nachschärfung führten. Eine Bewertung der Reform steht am Ende des Beitrags.
S. 494 - 495, Judikatur
Nichtigkeit gem § 281 Abs 1 Z 11 StPO vs Strafberufung; Doppelverwertungsverbot
Mit der Behauptung, das Schöffengericht habe nicht alle Milderungsgründe nach § 34 StGB berücksichtigt und durch den Ausspruch einer derartig hohen unbedingten Freiheitsstrafe gegen allgemeine Grundsätze des § 32 StGB verstoßen, wird keine Nichtigkeit iS des § 281 Abs 1 Z 11 StPO geltend gemacht, sondern ein Berufungsvorbringen erstattet.
Die erschwerende Wertung sämtlicher einschlägiger Vorstrafen widerspricht auch im Fall der Strafschärfung nach § 39 StGB nicht dem Doppelverwertungsverbot nach § 32 Abs 2 1. Satz StGB. Denn dieses stellt allein auf für die Subsumtion (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) relevante Umstände ab, während § 39 StGB eine reine, den Strafsatz nicht bestimmende Strafrahmenvorschrift darstellt.
S. 495 - 498, Judikatur
Unbare Zahlungsmittel vs Urkunden; Neubemessung von Strafe und privatrechtlichen Ansprüchen
Bei Kredit- und Bankomatkarten handelt es sich um unbare Zahlungsmittel iS des § 74 Abs 1 Z 10 StGB. Demnach ist die Ansichnahme und Verbringung einer Bankomatkarte und einer Kreditkarte sowie einer Bankomatkarte, über welche der Angeklagte jeweils nicht verfügen darf, mit dem Vorsatz, deren Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern, jeweils dem Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB zu subsumieren. Bei einer E-Card handelt es sich mangels bargeldähnlicher Einsetzbarkeit dagegen nicht um ein unbares Zahlungsmittel, sondern um eine Urkunde iS des § 74 Abs 1 Z 7 StGB.
Eine Feststellung nach § 28 KartG wegen wettbewerbswidriger Absprachen bei der Vergabe von Aufträgen zur Erstellung von Studien zu den Themen „Bewegung und Sport“ und „Frauen im Vereinssport“ verstößt im Hinblick auf das wegen dieser Absprachen geführte, mit Diversion beendete strafrechtliche Ermittlungsverfahren nicht gegen Art 4 7. ZP-EMRK. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Staatsanwaltschaft keine Strafbefugnis im Sinn der Entscheidung des EGMR zugekommen ist, jedenfalls aber daraus, dass die diversionelle Erledigung des Strafverfahrens und die Feststellung nach § 28 KartG komplementäre Sanktionen bilden.
S. 514 - 515, Judikatur
Suchtgift, Überlassen, Mittäterschaft, Beitragstäterschaft, Rechtsfehler mangels Feststellungen
Überlassen von Suchtgift an einen anderen besteht in der Übertragung des Gewahrsams am Suchtgift, über das der Täter aktuell verfügt. Erforderlich ist eine Tätigkeit, mit der die Verfügungsgewalt über das Suchtgift durch einen tatsächlichen Vorgang oder durch einen Rechtsakt von einem Verfügungsberechtigten einem anderen übertragen wird.
Die Feststellung von „gemeinsamem arbeitsteiligem Vorgehen“ oder von „arbeitsteiligen Tathandlungen“ reicht für die Annahme der Tatbegehung „im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter“ nicht aus.
Beitragstäterschaft erfordert Feststellungen zur kausalen und von entsprechendem Vorsatz getragenen Unterstützung der unmittelbaren Täter (schon) vor oder während der Überlassung von Suchtgift.
Strafrechtlich relevantes Verhalten nach dem SMG bezieht sich auf in der Suchtgiftverordnung oder in der Psychotropenverordnung angeführte Wirkstoffe. Ein Schuldspruch wegen einer strafbaren Handlung nach dem SMG (hier § 30 Abs 1 1. und 2. Fall SMG) setzt daher Urteilsfeststellungen voraus, wonach die tatverfangene Substanz einen dieser Wirkstoffe enthält. Die bloße Nennung des Marken- oder Handelsnamens von Tabletten genügt diesem Erfordernis nicht.
In Bezug auf psilocybinhältige Pilze ist nur das Anbieten, Überlassen oder Verschaffen sowie der Anbau zum Zweck des Suchtgiftmissbrauchs vom strafrechtlichen Suchtmittelregime umfasst. Somit können psilocybinhältige Pilze nicht Tatobjekt des § 28a Abs 1 2. und 3. Fall SMG sowie des § 27 Abs 1 Z 1 1. und 2. Fall SMG sein.
Weder § 96a StVG noch eine andere Bestimmung des StVG räumen ein subjektiv-öffentliches Recht auf die Führung von Videotelefonaten ein. Aus dem Entfall eines bereits bewilligten Videotelefonats kann eine Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts daher nicht abgeleitet werden.
Missbrauchsgefahr liegt dann vor, wenn jeweils aufgrund konkreter Anhaltspunkte nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein Verurteilter den eüH zur Begehung einer strafbaren Handlung ausnützt, flüchten wird oder diese Vollzugsform im konkreten Fall sonst nicht mit den Vollzugszwecken (§ 20) in Einklang gebracht werden kann. Bereits begangene strafbare Handlungen stellen jedenfalls zu berücksichtigende Risikofaktoren dar. Gefahrenträchtig ist weiters eine negative Verlässlichkeitsprognose, wenn also der Antragsteller nur eine mangelnde Kooperationsbereitschaft bzw Paktfähigkeit zeigt.
Im Verfahren vor dem Vollzugsobersenat herrscht Neuerungsverbot, weil Beschlüsse des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG nur wegen Rechtswidrigkeit angefochten werden können.
Nach dem „Postlaufprivileg“ des § 33 Abs 3 AVG ist eine verfahrensrechtliche Frist auch dann gewahrt, wenn das fristgebundene Schriftstück am letzten Tag der Frist einem Zustelldienst iS des § 2 Z 7 ZustellG übergeben wurde. Wird eine Beschwerde bei einem unzuständigen Gericht eingebracht, so ist die Frist demnach gewahrt, wenn diese das Rechtsmittel zur Weiterleitung an die zuständige Behörde, spätestens am letzten Tag der Frist, einem Zustelldienst iS des § 2 Z 7 ZustellG übergibt. Kann der Tag der Postaufgabe nicht festgestellt werden, ist dieser Zeitpunkt in freier Beweiswürdigung von Amts wegen zu ermitteln.
Der Ort des Erfolgseintritts liegt bei einer durch das Opfer (täuschungsbedingt) veranlassten Online-Überweisung von einem Bankkonto auf ein anderes grundsätzlich (entgegen der früheren Beurteilung [siehe Gw 161/21s]) am Sitz des das Konto des Opfers führenden inländischen Bankinstituts (14 Ns 50/23y [Rz 9 ff] = RIS-Justiz RS0130479 [T1]; vgl auch 14 Ns 23/22a [Rz 13]).
Der Örtlichkeit der technischen Abwicklung des Zahlungsverkehrs bzw (im Fall der Auslagerung) dem Sitz eines Dienstleisters kommt bei der Bestimmung der Zuständigkeit in aller Regel keine Bedeutung zu.
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