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JBL

Heft 8, August 2012, Band 134

eJournal-Heft
  • ISSN Online: 1613-7639

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Inhalt der Ausgabe

S. 477 - 481, Aufsatz

Ferdinand Kerschner

Umwelthaftung

Eine Reform des österr Schadenersatzrechts ist in Diskussion. Dabei muss auch geklärt werden, ob es einen eigenen Gefährdungstatbestand der Umwelthaftung geben soll. Der Verfasser ist davon überzeugt, dass viele sachliche Notwendigkeiten für eine moderne und effektive Umwelthaftung sprechen, wie sie schon in vielen anderen Staaten besteht.

S. 482 - 495, Aufsatz

Valerie Toscani / Georg Schima

Die Vertretung der AG bei Rechtsgeschäften mit dem Vorstand (§ 97 Abs 1 AktG)

„Der Aufsichtsrat ist befugt, die Gesellschaft bei der Vornahme von Rechtsgeschäften mit den Vorstandsmitgliedern zu vertreten [und gegen diese die von der Hauptversammlung beschlossenen Rechtsstreitigkeiten zu führen].“

In den letzten Jahren haben sich einige Vertreter der Lehre von der bis dahin einhellig vertretenen Auslegung von § 97 Abs 1 AktG abgewendet. Sie plädieren für ein Vertretungsmonopol des Aufsichtsrates bei Rechtsgeschäften der Gesellschaft mit Vorstandsmitgliedern. Dem eigentlich klaren Wortlaut von § 97 Abs 1 AktG wird dabei mittels einer fragwürdigen teleologischen Reduktion ein Inhalt beigemessen, den er nicht hat.

S. 496 - 502, Aufsatz

Peter Lewisch

Geschworenengerichtsbarkeit und faires Verfahren

In den letzten Jahren ist es zu einer Diskussion darüber gekommen, ob die Begründung des geschworenengerichtlichen Wahrspruchs den Anforderungen des Art 6 MRK entspricht. Der EGMR hat in der Rechtssache Taxquet in einem das belgische Geschworenenverfahren betreffenden Fall unter Berufung auf die Begründungslosigkeit des Wahrspruchs eine Verletzung des Art 6 MRK bejaht, dann – in einer Entscheidung der Großen Kammer – verneint. Der OGH hat in einer Reihe von Entscheidungen keinen Anlass gesehen, die Konventionskonformität des österr geschworenengerichtlichen Verfahrens in Zweifel zu ziehen. Zuletzt ist die Diskussion wieder aufgeflammt. Wie steht es nun um das Spannungsverhältnis von begründungslosem Wahrspruch und Verfahrensfairness?

S. 503 - 511, Rechtsprechung

Michael Potacs

Rechte der EU-Grundrechte-Charta als verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte

Die von der EU-Grundrechte-Charta (GRC) garantierten Rechte können vor dem VfGH als verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte geltend gemacht werden und bilden einen Prüfungsmaßstab in Verfahren der generellen Normenkontrolle.

Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung vor dem AsylGH in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde.

S. 511 - 514, Rechtsprechung

Unterlassungs- und Entschädigungsanspruch bei Zeitungsbericht mit unrichtigem Bildbegleittext?

Wird in einem Bildbegleittext eines Zeitungsberichts unter Nennung eines Namens die unrichtige Behauptung aufgestellt, der Namensträger sei auf dem Bild ersichtlich, kann der Namensträger nicht Unterlassung gem §§ 78, 81 UrhG verlangen, weil kein Bild von ihm veröffentlicht worden ist. Er kann aber eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts (§ 16 ABGB) durch Namensnennung geltend machen, sofern schutzwürdige Interessen des Genannten beeinträchtigt worden sind.

Ein Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden aufgrund einer solchen Verletzung besteht weder nach § 87 Abs 2 UrhG noch nach § 1328a ABGB. § 1328a ABGB versteht sich als Ausführungsbestimmung zur Durchsetzung der in § 16 ABGB verankerten Persönlichkeitsrechte in ihrem Kernbereich der Würde des Einzelnen; geschütztes Rechtsgut der Norm ist allein die Privatsphäre.

Die Teilnahme an einem öffentlichen Faschingsumzug zählt naturgemäß nicht zur Privatsphäre eines Menschen. Ein Zeitungsbericht über die Teilnahme einer Person an einem solchen Umzug – mag er richtig sein oder auch nicht – greift damit nicht in die Privatsphäre eines Menschen ein oder offenbart Umstände aus der Privatsphäre eines Menschen.

S. 514 - 515, Rechtsprechung

Ehegattenunterhalt auch bei nur einmonatiger Haushaltsführung

Eine gewisse Mindestdauer der Haushaltsführung (hier: ca ein Monat) ist grundsätzlich – ausgenommen „Extremfälle“ wie eine bloß eintägige Dauer – keine Voraussetzung für einen Unterhaltsanspruch nach § 94 Abs 2 ABGB. Entscheidend ist die (ausdrückliche oder konkludente) Vereinbarung zwischen den Ehepartnern. Haben sich diese – wenn auch nur durch Anerkennung der faktischen Verhältnisse – auf eine Haushaltsführerehe, dh auf die Führung des gemeinsamen Haushalts durch einen Gatten, verständigt, entsteht für diesen ein Unterhaltsanspruch nach § 94 Abs 2 ABGB.

S. 515 - 517, Rechtsprechung

Fortwirkung einer Zustimmungserklärung zu freiheitsbeschränkenden Maßnahmen nach dem Verlust der Einsichts- und Urteilsfähigkeit?

Ist die Bewohnerin, die ihre Zustimmungserklärung gem § 3 Abs 2 HeimAufG schon vor vielen Jahren abgegeben hat, nicht mehr einsichts- und urteilsfähig, dann muss die Angemessenheit der Freiheitsbeschränkung (hier: Hindern am Verlassen des Pflegebetts mittels Seitenteilen) nach den §§ 4 ff HeimAufG überprüft werden.

S. 518 - 520, Rechtsprechung

Nachbarrechtlicher Unterlassungsanspruch zwischen Wohnungseigentümern bei mangelndem Trittschallschutz

Hat der störende Wohnungseigentümer selbst jene Umstände (hier: mangelnder Trittschallschutz) geschaffen, durch die die Lärmimmissionen eine wesentliche Beeinträchtigung verursachen, ist von ihm – über die Vermeidung solcher Immissionen, die durch eine nicht verkehrsübliche bzw bestimmungsgemäße Widmung hervorgerufen werden, hinaus – eine besondere Rücksichtnahme auf die Interessen des beeinträchtigten Wohnungseigentümers zu verlangen, solange er die Störquelle nicht beseitigt hat. Dieser gebotenen Rücksichtnahme kann auch ein sinn- und maßvolles erzieherisches Vorgehen entsprechen (hier: Störung durch Trampeln von Kindern).

S. 520 - 522, Rechtsprechung

Haftung des Sachverständigen wegen Überbewertung des Versteigerungsobjekts im Schätzgutachten

Der Sachverständige, der nach § 141 Abs 1 EO, § 2 LBG die Schätzung eines Exekutionsobjekts vornimmt, hat den Verkehrswert der Sache korrekt zu ermitteln. Für dessen Richtigkeit hat der Sachverständige dem Ersteher und allen Beteiligten iSd § 141 Abs 5 EO insoweit einzustehen, als der Ersteher wegen seines Irrtums über den richtigen Verkehrswert der Sache ein höheres Meistbot zahlt. Erfolgt demnach der Zuschlag für eine Exekutionssache an den Ersteher unter dem überhöhten Verkehrswert, liegt aber der richtige Verkehrswert noch unter dem Meistbot, so haftet der Sachverständige dafür, dass der Ersteher das Exekutionsobjekt zum richtigen Verkehrswert erhält. Der Sachverständige hat dem Ersteher gemäß § 141 Abs 5 EO für die Differenz zum richtigen Verkehrswert einzustehen.

Die Differenz zwischen dem tatsächlichen und einem fiktiven Meistbot, das bei Zugrundelegung des richtigen Verkehrswerts verhältnismäßig geringer ausgefallen wäre, steht dagegen nicht mehr im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der Pflicht des Sachverständigen zur korrekten Verkehrswertermittlung.

Liegenschaftsaufwendungen, die eine ungewöhnliche Höhe erreichen (hier: Sanierungsdarlehen), mindern den Verkehrswert einer Eigentumswohnung und können bei der Schätzung nicht außer Acht bleiben. Der Sachverständige ist daher verpflichtet, sich im Zuge der Schätzwertermittlung auch nach Mehrheitsbeschlüssen von finanzieller Tragweite für den Ersteher zu erkundigen und sie gegebenenfalls bei seiner Gutachtenserstellung zu berücksichtigen.

S. 522 - 524, Rechtsprechung

Grundschema der Behauptungs- und Beweislast bei Verletzung von Sorgfaltsverbindlichkeiten

Bei Sorgfaltsverbindlichkeiten, wie sie den Anlageberater treffen, ergibt sich für die Behauptungs- und Beweislast folgendes Grundschema: Der Geschädigte hat den Schaden (Umfang, Höhe), die Sorgfaltswidrigkeit (rechtswidriges Verhalten) und den kausalen Zusammenhang zwischen Sorgfaltsverletzung und Schaden zu behaupten und zu beweisen. Der Schädiger kann sich durch den Beweis entlasten, dass ihn an der Sorgfaltswidrigkeit kein subjektives Verschulden trifft (§ 1297 ABGB).

Der Rücktritt nach § 5 KMG oder § 3 KSchG kann nicht dem bloßen Vermittler gegenüber erklärt werden.

S. 524 - 527, Rechtsprechung

Unternehmerqualifikation eines GmbH-Gesellschafters

Für die Unternehmerqualifikation eines (hier: geschäftsführenden) GmbH-Gesellschafters ist erforderlich, dass er die Mehrheit der Geschäftsanteile oder zumindest 50 % hievon hält. Eine geringere Beteiligung (ohne gesellschaftsvertraglich eingeräumte Sperrminorität) verschafft dem Gesellschafter typischerweise keinen entscheidenden Einfluss auf die Geschäftsführung.

S. 527 - 532, Rechtsprechung

Fortlaufhemmung der Verjährungsfrist für laufende Zinsen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Die Verjährungsfrist für Zinsen aus Konkursforderungen, deren Geltendmachung im Konkursverfahren gem § 58 Z 1 KO ausgeschlossen ist, wird bis zur Aufhebung des Konkursverfahrens, in dem kein Zwangsausgleich geschlossen wurde, gehemmt. Dabei handelt es sich um eine Fortlaufhemmung analog § 12 Abs 2 VersVG und § 27 Abs 2 KHVG.

S. 532 - 534, Rechtsprechung

Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren während eines Prozesses über die Feststellung einer offenkundigen Servitut: Anwendung des § 234 ZPO?

Wird eine Liegenschaft während des Verfahrens, in dem gegenüber dem bisherigen Eigentümer die Feststellung des Bestehens einer offenkundigen Servitut (hier: des Gehens und Fahrens) und die Einwilligung in die Eintragung im Grundbuch begehrt werden, zwangsversteigert, liegt kein Fall des § 234 ZPO vor. Mit dem Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren verliert der bisherige Eigentümer die Verfügungsbefugnis über die (angeblich) dienende Liegenschaft. Erfolgt der Zuschlag vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz, ist er nicht mehr sachlegitimiert, was wegen Nichtanwendung des § 234 ZPO zur Abweisung der gegen ihn gerichteten Klage führen muss.

S. 534 - 535, Rechtsprechung

Keine Ausfolgung von bei erkennungsdienstlichen Maßnahmen im Strafverfahren entnommenen DNA-Proben zur Feststellung der Abstammung im Vaterschaftsverfahren

Genetische Informationen (hier: DNA-Material), die durch erkennungsdienstliche Maßnahmen von den Sicherheitsbehörden ermittelt wurden, dürfen gem § 67 Abs 2 SPG ausschließlich für Zwecke des Erkennungsdienstes ausgewertet werden. Auf diese datenschutzrechtliche Bestimmung nahm der Gesetzgeber in § 85 Abs 4 AußStrG Rücksicht. Daher ist die Ausfolgung von bereits entnommenen DNA-Proben zur Feststellung der Abstammung im Vaterschaftsverfahren nicht zulässig.

S. 535 - 535, Rechtsprechung

Gesetzliches Bestandgeberpfandrecht nicht pfändbar / keine Exekutionsbewilligung bei offenkundiger Unverwertbarkeit

Das gesetzliche Pfandrecht des Vermieters an den eingebrachten Sachen des Mieters (§ 1101 ABGB) ist nicht nach § 331 Abs 1 EO pfändbar, weil dem die Unverwertbarkeit aus dem Grund des § 42 Abs 1 MRG entgegensteht.

Ist die Unverwertbarkeit des in Exekution gezogenen Rechts schon nach der Aktenlage offenkundig, ist die Exekutionsbewilligung zu versagen.

S. 535 - 535, Rechtsprechung

Gesonderte Wohnungsnahme bei dauerhafter Trennung?

Eine gesonderte Wohnungsnahme nach § 92 Abs 2 und 3 ABGB darf nur eine vorübergehende Maßnahme sein. Ein Dauerzustand liegt in der Regel noch nicht vor, wenn eine Änderung des Verhaltens des anderen Ehegatten, das zur häuslichen Trennung geführt hat, und eine Meinungsänderung beim Antragsteller zumindest mit geringer Wahrscheinlichkeit möglich erscheint. Dies gilt aber dann nicht mehr, wenn die Wiederaufnahme der häuslichen Gemeinschaft ausgeschlossen ist.

S. 536 - 539, Rechtsprechung

Invaliditätspension: Härtefallregelung auf Versicherte mit Berufsschutz iSd § 273 Abs 1 ASVG nicht anwendbar

Die Härtefallregelung des § 273 Abs 3 iVm § 255 Abs 3a und 3b ASVG ist auf Versicherte, denen Berufsschutz nach § 273 Abs 1 ASVG zukommt, nicht anzuwenden. Die Härtefallregelung findet im Bereich der Angestellten vielmehr nur auf Versicherte Anwendung, die keinen Berufsschutz nach § 273 Abs 1 ASVG genießen und deren Berufsunfähigkeit daher nach § 273 Abs 2 ASVG idF BGBl I 2011/122 zu beurteilen ist.

S. 536 - 536, Rechtsprechung

Keine Verschwiegenheitspflicht des Arztes bei Tätigwerden in eigener Sache

Ärzte sind wie Rechtsanwälte berufliche Geheimnisträger und die ärztliche Verschwiegenheitspflicht nach § 54 Abs 1 ÄrzteG beruht auf ähnlichen Überlegungen, wie sie für die Verschwiegenheitspflicht eines Rechtsanwalts nach § 9 Abs 2 RAO gelten. Die Judikatur zur Verschwiegenheitspflicht, die einen Rechtsanwalt hinsichtlich ihm in Ausübung seines Berufs anvertrauter oder bekannt gewordener Geheimnisse trifft, kann auch für die Beurteilung der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht herangezogen werden. Insb treffen die Erwägungen, dass keine Verschwiegenheitspflicht besteht, falls der Rechtsanwalt solche Geheimnisse „in eigener Sache“ vorbringen muss, um seine Honorarforderung gegen den Mandanten durchzusetzen oder sich in einem Strafverfahren zu verteidigen oder behauptete Schadenersatzansprüche abzuwehren, auch auf Ärzte zu. Aus § 54 Abs 2 Z 4 ÄrzteG ist nicht abzuleiten, dass das Vorliegen höherer Interessen nicht auch in Bereichen, die darin nicht genannt sind, eine Durchbrechung der ärztlichen Schweigepflicht rechtfertigen kann.

Was ein Arzt zur Abwehr behaupteter Ansprüche vorbringen darf, hängt von objektiven Kriterien ab. Die Angaben des Arztes haben sich bei einer Durchbrechung seiner Verschwiegenheitspflicht zur Wahrung seiner Verteidigungsrechte in einem Zivil-, Disziplinar- oder Strafverfahren stets auf das Notwendigste zu beschränken. Was und wie viel der Arzt zur Wahrung seiner Interessen preisgeben darf, wird daher von den Umständen des Einzelfalls abhängen.

S. 539 - 540, Rechtsprechung

Zulässiges Vorbringen bei der Nichtigkeitsbeschwerde

Die Behauptung der Verfassungswidrigkeit eines – durch ein Gericht fehlerfrei – angewendeten Strafgesetzes stellt kein zulässiges Vorbringen bei der Geltendmachung eines Nichtigkeitsgrundes dar. Ein Wahrspruch enthält alle jene wesentlichen Sachverhaltselemente, die zur Subsumtion erforderlich sind, und das Urteil demnach in diesem Sinn durchaus als begründet anzusehen ist – es besteht kein Anlass, einen Antrag gem Art 89 Abs 2 S 2 B-VG beim VfGH zu stellen. Eine Anfechtungsmöglichkeit bietet – wenn auch im eingeschränkten Umfang – § 345 Abs 1 Z 10a StPO. Dieser Nichtigkeitsgrund greift erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen konstatierten Tatsachen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen wird dadurch nicht eröffnet.