Der 6. Senat des OGH hatte zu 6 Ob 62/23w im Schnittstellenbereich des Insolvenz- und Gesellschaftsrechts die Frage zu beantworten, ob dem (Allein-)Gesellschafter oder dem Insolvenzverwalter bei Gesellschafterinsolvenz die Kompetenz zur Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers einer Einmann-GmbH zukommt. Der vorliegende Beitrag zeigt den bisherigen Meinungsstand auf und setzt sich mit Problemstellungen im Zuge der eigenen Stellungnahme auseinander.



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- 2309-7450
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Inhalt der Ausgabe
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S. 400 - 403, Aufsatz
Michael Bell / Maria Posani -
S. 404 - 411, Aufsatz
Florian HuleStreitigkeiten um Bestand und Ausmaß der Gesellschafterstellung in der GmbH sind ein Klassiker der Corporate Litigation. Dennoch ist die Wahl der Klageart und des richtigen Gegners oft eine schwierige Übung. Die Frage der Satzungsdurchbrechung, also ob die Gesellschafter im Einzelfall auch ohne Satzungsänderung vom Gesellschaftsvertrag abweichen dürfen, ist ebenso wiederkehrendes Thema im gesellschaftsrechtlichen Diskurs. Eine rezente Entscheidung des OGH ist Anlass für eine systematische Einordnung und kritische Würdigung.
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S. 412 - 413, Judikatur
Insichgeschäfte sind nur insoweit zulässig, als
keine Interessenskollision droht und
der Abschlusswille derart geäußert wird, dass die Erklärung unzweifelhaft feststeht und nicht unkontrollierbar zurückgenommen werden kann.
Keine Gefahr der Interessenskollision besteht, wenn der gefährdete Vertretene dem Geschäftsabschluss – durch vorherige oder nachträgliche Genehmigung – zugestimmt hat.
Bei der GmbH müssen dabei – ungeachtet der sonstigen Regelung der Vertretung – zustimmen:
alle übrigen Geschäftsführer;
wenn es keinen weiteren Geschäftsführer gibt: entweder ein allfälliger Aufsichtsrat oder die Gesellschafter selbst.
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S. 414 - 415, Judikatur
Der Prospektkontrollor haftet nicht für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospektes, sondern nur für dessen unrichtige oder unvollständige Kontrolle.
Die für eine solche Haftung erforderliche Kausalität liegt vor, wenn das Vertrauen des Anlegers tatsächlich Grundlage seiner schadensauslösenden Disposition war. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der des Vertragsschlusses in Anschauung der Anlageentscheidung.
Auch bei Bestätigungsvermerken muss das Vertrauen zwar nicht durch die Kenntnis des konkreten Vermerks geschaffen werden, sondern es ist auch denkbar, dass die auf die Anlagenentscheidung positiv einwirkende Beratung von erteilten Vermerken beeinflusst war, jedoch nur wenn statt des Anlegers der Berater diese gekannt oder sonst von deren Erteilung erfahren hat.
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S. 416 - 416, Judikatur
Ob eine juristische Person faktischer Geschäftsführer sein kann oder vielmehr deren Organvertreter allenfalls als faktischer Geschäftsführer anzusehen ist, bleibt offen.
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S. 417 - 419, Judikatur
In den Fremdvergleich einzubeziehen sind nicht nur die konkreten Konditionen, sondern vor allem auch die Frage, ob mit einem gesellschaftsfremden Dritten überhaupt ein derartiges Geschäft geschlossen worden wäre.
Der Verkauf von Liegenschaften durch eine liquiditätsschwache GmbH an ihren Gesellschafter, der zwar zu einem marktüblichen Preis, jedoch gegen eine unübliche Aufrechnung mit einer nicht werthaltigen Darlehensforderung des Gesellschafters erfolgt, verstößt gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr.
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S. 420 - 423, Judikatur
Die gerichtliche Abberufung von Vorstandsmitgliedern einer Privatstiftung ist sofort wirksam.
Die Wiederbestellung als Vorstandsmitglied nach einer zuvor erfolgten gerichtlichen Abberufung ist unwirksam, wenn der wichtige Abberufungsgrund nicht weggefallen ist.
Tritt während des gerichtlichen Verfahrens über die Abberufung eines Vorstandsmitglieds ein neuer Abberufungsgrund ein, ist eine daraus gestützte (neuerliche) Abberufung durch ein dazu berufenes stiftungsinternes Organ zulässig.
Die Auszahlung einer (ordnungsgemäß) festgesetzten Vergütung des Stiftungsvorstands erfolgt durch diesen selbst. Bei einer solchen Umsetzung einer Vergütungsfestsetzung handelt es sich nicht um ein genehmigungspflichtiges Insichgeschäft.
Der Eintritt eines Schadens ist keine Voraussetzung einer groben Pflichtverletzung.
Auch aufgrund unwirksamer Bestellung tätige Geschäftsleiter müssen sich an den Sorgfaltspflichten eines wirksam bestellten Geschäftsleiters messen lassen.
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S. 424 - 425, Judikatur
Bei der Entscheidung über einen Antrag auf Unterbrechung eines Firmenbuchverfahrens sind
die aus der Unterbrechung resultierende Verzögerung,
der aus einer eigenständigen Klärung durch das Firmenbuchgericht resultierende Mehraufwand sowie
der potentielle Erkenntnisgewinn durch das Abwarten des anderen Verfahrens abzuwägen.
Für das Absehen von der Unterbrechung reicht eine annähernde Gleichgewichtigkeit der zu berücksichtigenden Interessen nicht aus. Vielmehr muss das rechtliche oder wirtschaftliche Interesse an einer raschen Entscheidung deutlich überwiegen.
Bei widersprechenden Erklärungen mehrerer einzelvertretungsbefugter Geschäftsführer gilt folgendes:
Gleichzeitig abgegebene Erklärungen heben sich gegenseitig auf, andernfalls sind sie in der Reihenfolge ihres Zuganges zu beurteilen.
Handeln zwei selbständig vertretungsberechtigte Geschäftsführer nacheinander, so wird die Gesellschaft durch die Tätigkeit des zuerst Handelnden berechtigt und verpflichtet.
Der später Handelnde kann die so entstandene Rechtslage nicht rückwirkend aufheben, sondern nur durch eine neue Handlung, wie etwa durch eine Kündigung oder durch den Abschluss eines neuen Vertrages ändern.
Diese Grundsätze gelten auch für Prozesshandlungen.
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S. 426 - 427, Judikatur
Eine GmbH kann Besitzerin sein. Sie übt den Besitz durch ihre Organe – idR die Geschäftsführer – aus.
Erfolgt eine Besitzstörung zwischen Geschäftsführern untereinander, ist ein Gesellschafterbeschluss, mit dem die Weisung erteilt wird, keine Besitzstörungsklage durch die GmbH zu führen, in Hinblick auf das allenfalls legitime Interesse der Mehrheitsgesellschafter, kein Gerichtsverfahren führen zu wollen, nicht zu beanstanden.
Um Nachteile der übrigen Gesellschafter hintanzuhalten, steht es den im Besitz gestörten Geschäftsführern ungeachtet dessen frei, das Besitzstörungsverfahren im eigenen Namen zu führen.
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S. 428 - 430, Firmenbuch-Praxis
Wilhelm BirnbauerStimmen sämtliche Gesellschafter einer konkreten Teilabtretung eines Geschäftsanteils zu oder wirken daran mit, führt das Fehlen einer Teilabtretungen gestattenden Bestimmung im Gesellschaftsvertrag (§ 79 Abs 1 GmbHG) nicht zur Unwirksamkeit dieser Teilabtretung. Auch eine Zustimmung der Gesellschaft ist in diesem Fall nicht erforderlich (OGH 6.11.2024, 6 Ob 224/23v; RIS-Justiz RS0135239).
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S. 431 - 435, Angrenzendes Steuerrecht
Christoph MarchgraberVor allem bei Konzernen finden sich in Aufsichtsräten von Gesellschaften immer wieder Vorstände, Geschäftsführer oder Dienstnehmer von direkten oder indirekten Gesellschaftern. Da dies der Ausübung des Beteiligungsmanagements dient, wird die Aufsichtsratsfunktion in Tochtergesellschaften häufig als Teil der Tätigkeit als Vorstand, Geschäftsführer oder Dienstnehmer der Muttergesellschaft betrachtet. Daher wird zwischen dem Gesellschafter und dem bei ihm beschäftigten Aufsichtsratsmitglied der Tochtergesellschaft in der Praxis häufig vereinbart, dass die Aufsichtsratstätigkeit mit dem vom Gesellschafter bezogenen Gehalt abgedeckt ist, weshalb die Aufsichtsratsvergütung dem Gesellschafter zukommen soll. Das BMF hat sich aufgrund einer Anfrage unlängst mit den umsatzsteuerlichen Folgen solcher Konstellationen auseinandergesetzt. Die dabei getroffenen Aussagen erwecken den Eindruck, dass dabei regelmäßig eine Umsatzsteuerpflicht ausgelöst wird. Dieser Beitrag soll zeigen, dass dies tatsächlich nur selten der Fall sein dürfte.
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S. 436 - 439, Angrenzendes Steuerrecht
Sebastian BergmannWerden dem Dienstnehmer Aktienoptionen eingeräumt und steht die Einräumung in einem Veranlassungszusammenhang mit dem Dienstverhältnis, sind die aus den Optionen resultierenden Vorteile als Einkünfte aus dem Dienstverhältnis (Arbeitslohn) zu erfassen. Dabei erfolgt der Zufluss des Vorteils mit der Ausübung der Option (vgl. VwGH 19.10.2022, Ra 2021/15/0011, unter Hinweis auf VwGH 15.12.2009, 2006/13/0136).
Der VfGH vertritt in seiner Rechtsprechung zur gleichheitsrechtlichen Beurteilung abgabenrechtlicher oder beitragsrechtlicher Haftungsbestimmungen die Auffassung, dass bei der Festlegung des für eine Abgabe haftenden Personenkreises dem Gesetzgeber durch Art. 7 B-VG insofern eine Grenze gezogen ist, als er nur solche Personen zur Haftung heranziehen darf, bei denen eine Haftung sachlich begründet ist. Der VfGH hat die sachliche Rechtfertigung für die Haftung – abgesehen vom öffentlichen Interesse an der Sicherung der Einbringlichkeit öffentlicher Abgaben – aus einem durch eine Rechtsbeziehung begründeten sachlichen Zusammenhang zwischen der Person des Abgabepflichtigen und dem Haftungspflichtigen hergeleitet. Nach dieser Rechtsprechung erscheint es unsachlich, wenn jemand verhalten wird, für etwas einzustehen, womit ihn nichts verbindet, insbesondere für Umstände, die außerhalb seiner Interessen- und Einflusssphäre liegen. Der Gerichtshof hat dabei auch betont, dass selbst bei Unbedenklichkeit einer Haftung dem Grunde nach eine adäquate Begrenzung des Haftungsumfanges gegeben sein müsse (vgl. VfGH 15.3.2000, G141/99 ua, VfSlg. 15773; 16.6.2011, G 18/11, VfSlg. 19412).
Aus § 41 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich, dass Dienstgeber in Bezug auf ihre Dienstnehmer den Dienstgeberbeitrag schulden. § 41 Abs. 3 FLAG 1967 legt als Beitragsgrundlage die Summe der „Arbeitslöhne“ – dazu gehören jedenfalls die Bezüge nach § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a und b EStG 1988 – fest. Der Umfang der Arbeitslöhne wird in § 41 FLAG 1967 – von bestimmten Befreiungen abgesehen – aber nicht näher präzisiert. Solcherart hat der VwGH aus § 43 Abs. 2 leg. cit. abgeleitet, dass die Beitragsschuld (nur) in Bezug auf jene Arbeitslöhne besteht, die dem Grunde nach für den Lohnsteuerabzug in Betracht kommen (vgl. VwGH 28.5.1998, 96/15/0215). Gemäß der durch das 2. AbgÄG 2014 geänderten Bestimmung des § 78 Abs. 1 EStG 1988 erstreckt sich die Haftung des Arbeitgebers für Lohnsteuer nunmehr auch auf im Rahmen des Dienstverhältnisses von Dritten geleistete Arbeitslöhne, wenn der Arbeitgeber weiß oder wissen muss, dass derartige Vergütungen von dritter Seite geleistet werden. Dies hat sohin gemäß § 43 Abs. 2 FLAG 1967 auch eine entsprechende Beitragsschuld zur Folge.