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JBL

Heft 9, September 2021, Band 143

eJournal-Heft
  • ISSN Online: 1613-7639

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Inhalt der Ausgabe

S. 553 - 568, Aufsatz

Stefan Vogenauer

Rechtsbegriffe in englischsprachigen Verträgen bei Geltung österreichischen Rechts

In internationalen Handelsverträgen kommt es häufig zu einer Divergenz zwischen Vertragssprache und Vertragsstatut, so etwa wenn ein englischsprachiger Vertrag dem Recht Österreichs unterstellt ist. In der Praxis kann dies zu erheblichen Schwierigkeiten führen, die bisher in Rsp und Lehre kaum untersucht worden sind. Dieser Beitrag erörtert zunächst, warum in derartigen Konstellationen der englische Bedeutungsgehalt der verwendeten Begriffe grundsätzlich Beachtung finden muss. Er zeigt dann anhand eines konkreten Praxisbeispiels, welche komplexen Erwägungen von Rechtsanwenderinnen und Rechtsanwendern in derartigen Konstellationen erwartet werden.

S. 569 - 577, Aufsatz

Ulrich Wagrandl

Willkür: Geschichte und Gestalt eines verfassungsgerichtlichen Maßstabs

Der Willkürmaßstab, anhand dessen der VfGH die Entscheidungen der VwG am Gleichheitsgrundsatz misst, machte eine erstaunliche Karriere durch. War er zunächst auf die Wahrnehmung „subjektiver Willkür“, also vorsätzlicher Diskriminierungen und Rechtsbeugungen beschränkt, so entwickelt er sich ab den 1960er-Jahren zu einem Instrument umfassender Rechtmäßigkeitskontrolle. Dieser Beitrag zeichnet die historische Entwicklung nach und gibt eine Übersicht darüber, was „objektive Willkür“ in der Rsp des VfGH heute ausmacht.

S. 578 - 579, Aufsatz

Benjamin Kneihs / Stefan Griller

Walter Berka †

S. 581 - 582, Rechtsprechung

Kein Verstoß gegen Anti-GesichtsverhüllungsG durch das Tragen einer Kuhmaske, wenn damit Meinungsäußerungsfreiheit ausgeübt wird

Verletzung im Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit durch Verhängung einer Geldstrafe nach dem AGesVG bei einer für die Milchwirtschaft werbenden Veranstaltung; kein Verstoß gegen das Verhüllungsverbot wegen Tragens einer Tiermaske mit der Intention, auf das mit den Produktionsbedingungen von Milchprodukten verbundene Tierleid hinzuweisen: Nach dem AGesVG macht sich strafbar, wer seine Gesichtszüge durch Kleidung oder andere Gegenstände an öffentlichen Orten in einer Weise verhüllt oder verbirgt, dass sie nicht mehr erkennbar sind. Ein Verstoß gegen dieses Verbot liegt aber nicht vor, wenn die Gesichtszüge aus dem Grund verhüllt oder verborgen werden, um das Recht auf freie Meinungsäußerung auszuüben. In Ausübung dieses Grundrechts muss nämlich auch das Einsetzen von Stilmitteln – hier: einer Tiermaske – erlaubt sein.

S. 582 - 585, Rechtsprechung

Direkte Klage des pflichtteilsberechtigten, erbantrittserklärten Erben auf Ergänzung seines Pflichtteils durch Kürzung des Vermächtnisses vor Einantwortung

Eine direkte Klage des pflichtteilsberechtigten, erbantrittserklärten Erben auf Ergänzung seines Pflichtteils durch Kürzung des Vermächtnisses iS von § 783 ABGB idF vor ErbRÄG 2015 gegen den Vermächtnisnehmer, dem das Vermächtnis bereits ausgefolgt wurde, ist bereits vor Einantwortung möglich.

Über die Zulässigkeit und das Ausmaß der Vermächtniskürzung kann nur im streitigen Rechtsweg entschieden werden. Daran ändert nichts, dass das Verlassenschaftsverfahren noch nicht beendet ist. Die dort ermittelten Vermögenswerte entfalten keine Bindungswirkung für das streitige Verfahren.

S. 585 - 589, Rechtsprechung

EuErbVO: kein Verstoß gegen den österreichischen ordre public bei Fehlen eines Pflichtteilsanspruchs; Feststellung der Staatsangehörigkeit

Es verstößt im Allgemeinen nicht gegen den österreichischen ordre public, wenn das von der EuErbVO berufene Erbrecht keine vom Bedarf unabhängigen Pflichtteilsansprüche von Nachkommen vorsieht. Ob dies auch zutrifft, wenn der Sachverhalt eine besonders enge Beziehung zum Inland aufweist, bleibt offen.

Ob eine Person einem bestimmten Staat angehört, ist grundsätzlich nach dem Recht dieses Staats zu beurteilen. Hat ein Staat, insbesondere durch Ausstellen eines Reisepasses, das Vorliegen der Staatsangehörigkeit bestätigt, so ist zu vermuten, dass diese Bestätigung die Sach- und Rechtslage richtig wiedergibt.

Ist die Staatsangehörigkeit einer Person in einem inländischen Verfahren strittig, so ist zwischen der Feststellung der jeweils relevanten Tatsachen (Tatbestand des Ipso-iure-Erwerbs, Vorliegen eines konstitutiven Rechtsakts) und deren rechtlicher Beurteilung (Bejahung oder Verneinung der Staatsangehörigkeit) zu unterscheiden.

S. 589 - 596, Rechtsprechung

Wolfgang Faber

Ausgleich eines merkantilen Minderwerts durch sekundäre Gewährleistungsbehelfe trotz erfolgter Verbesserung

Kann ein Mangel nur durch eine Reparatur behoben werden, die trotz gänzlicher Herstellung der Gebrauchstauglichkeit zu einer objektiven Wertminderung der Sache (iS eines merkantilen Minderwerts) führt, ist allein mit der Reparatur die subjektive Äquivalenz zwischen Leistung und Gegenleistung nicht wiederhergestellt. Denn die Sache weist dann eine wertmindernde „Reparaturhistorie“ auf, die nicht Gegenstand der Parteieneinigung war.

Jedenfalls in einem Fall, in dem bereits eine Reparatur durchgeführt wurde, steht der Vorrang der Verbesserung dem Ausgleich des nach der Reparatur verbliebenen Wertverlusts im Wege der sekundären Gewährleistungsbehelfe (Preisminderung oder Wandlung) nicht entgegen. Entscheidend ist, dass in einem solchen Fall der zentrale Zweck des Gewährleistungsrechts, die Herstellung der subjektiven Äquivalenz, nur durch den zusätzlichen Ausgleich des nach der Reparatur verbleibenden Wertverlusts verwirklicht werden kann.

Einem Verbraucher, der Anspruch auf angemessene Minderung des im Kaufvertrag vereinbarten Kaufpreises eines Verbrauchsguts hat, vor Gericht aber lediglich die Auflösung dieses Vertrags beantragt, muss auch die Geltendmachung der Preisminderung offenstehen. Dem Kläger ist daher gemäß § 182 ZPO Gelegenheit zu geben, Vorbringen zu einem Anspruch auf Preisminderung zu erstatten (hier: im Wege der Zurückverweisung durch das Revisionsgericht, weil der Kläger bis dahin nur Wandlung geltend gemacht hatte).

S. 596 - 600, Rechtsprechung

Kein Verwendungsanspruch des Scheinzessionars bei unwirksamer Zession einer zukünftigen Forderung

Auch bei einer zukünftigen Forderung kann der zweite Zessionar keine Rechte an einer (zugunsten des ersten Zessionars) bereits wirksam abgetretenen Forderung vom Zedenten erwerben, hatte doch der Zedent insoweit die Rechtszuständigkeit bereits verloren.

Bei unwirksamer Zession ist der vermeintliche Zessionar nicht Berechtigter iS des § 1041 ABGB.

S. 600 - 602, Rechtsprechung

Wegehalterhaftung: erforderlicher Winterdienst auf einem Gemeindefriedhof; Hinweisschild „Kein Winterdienst“ für Mitverschulden relevant

Das typische Verkehrsbedürfnis der Öffentlichkeit hinsichtlich eines in Benützung stehenden, also nicht rein historischen Friedhofs erfordert es, auch außerhalb von Feiertagen, Begräbnissen oder Verabschiedungen einen gefahrlosen Besuch der Gräber zumindest in regelmäßigen, im Vorhinein bekannten Abständen zu ermöglichen.

Die Vorgangsweise, der Öffentlichkeit außerhalb von besonderen Anlässen gar keinen regelmäßigen gefahrlosen Friedhofsbesuch zu ermöglichen und lediglich auf die Nichtdurchführung des Winterdienstes hinzuweisen, entspricht nicht dem objektiv Zumutbaren hinsichtlich eines Weges auf einem öffentlich zugänglichen Friedhof, mag es auch ein Friedhof einer kleinen Gemeinde sein. Dies begründet die Mangelhaftigkeit des Weges iS des § 1319a ABGB.

Beim unechten Handeln auf eigene Gefahr ist Selbstgefährdung nur im Rahmen des Mitverschuldens zu prüfen. Dem Hinweisschild „Kein Winterdienst“ kommt insofern Bedeutung zu, als jedem Friedhofsbesucher die besondere Gefahr, die sich daraus ergibt, dass über Tage hinweg keine Streuung oder sonstige Betreuung der Wege stattfindet, besonders vor Augen geführt wird.

S. 603 - 607, Rechtsprechung

Anspruch auf Behandlung mit einem bestimmten Medikament: Durchsetzung mit einstweiliger Verfügung?

Der Patient hat aus dem Behandlungsvertrag ein Recht auf Behandlung nach den anerkannten Methoden der medizinischen Wissenschaft. Beim „Stand der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaften“ handelt es sich um einen unbestimmten Begriff, dessen Bestimmung auf Tatsachenebene zu erfolgen hat.

Die Ablehnung einer bestimmten Behandlungsmethode setzt eine sachliche Rechtfertigung voraus. Diese läge etwa vor, wenn die Methode nach der medizinisch-therapeutischen Einschätzung eines vom Krankenhausträger beschäftigten Facharztes nach seiner Sachkunde und Erfahrung als nicht zielführend erachtet wird und darin innerhalb des Rahmens des medizinischen Kalküls auch keine Verkennung der Sachlage liegt.

Die Möglichkeit, die Gefahr eines unwiederbringlichen Schadens auf andere Weise als durch die einstweilige Verfügung (eV) abzuwenden, steht der Bewilligung der eV nur dann entgegen, wenn der gefährdeten Partei die entsprechenden Maßnahmen eher zuzumuten sind als dem Beklagten die Befolgung der eV.

Nichtrückführbarkeit liegt unter anderem dann vor, wenn nach Aufhebung der eV oder jedenfalls nach Ablauf ihrer Geltungsdauer eine Sachlage bestehen bleibt, die – abgesehen vom Zeitablauf – nicht mit jener übereinstimmt, die vor dem Erlass der eV bestanden hat und dadurch Beeinträchtigungen verbleiben, die nicht (vollständig) in Geld ausgleichbar sind. Dem Gegner der gefährdeten Partei muss also seinerseits ein unwiederbringlicher Schaden iS des § 381 Z 2 EO entstehen. Sind hingegen die Folgen der eV naturaliter oder zumindest durch Geldersatz adäquat ausgleichbar, bestehen unter dem Gesichtspunkt der Rückführbarkeit keine Bedenken gegen die Erlassung einer eV.

S. 607 - 608, Rechtsprechung

Verjährungsfrist und -hemmung bei am 31.12.2015 anhängigen Ermittlungsverfahren; VbVG und Prüfung von Amts wegen

Nach Art 12 § 2 StRÄG 2015 (BGBl I 112/2015) ist für Taten, derentwegen am 31.12.2015 ein Ermittlungsverfahren anhängig war, die Verjährungsfrist (§ 57 Abs 3, § 58 StGB) nach der an diesem Tag geltenden Strafdrohung zu berechnen. Korrespondierend dazu bleibt nach § 58 Abs 3a StGB eine nach Abs 1–3 des § 58 StGB eingetretene Hemmung der Verjährung wirksam, auch wenn durch eine spätere Änderung des Gesetzes die Tat im Zeitpunkt der Hemmung nach dem neuen Recht bereits verjährt gewesen wäre.

Wurde das Urteil betreffend den Verband gemäß § 22 Abs 1, 2 VbVG gesondert von jenem über die natürliche Person verkündet, kommt eine amtswegige Prüfung des von Parteien unbekämpft gebliebenen Urteils über die Verbandsverantwortlichkeit aus Anlass der gegen das – davon verschiedene – Urteil über die natürliche Person ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde nicht in Betracht.

S. 608 - 610, Rechtsprechung

Farsam Salimi

Inländische Gerichtsbarkeit bei Idealkonkurrenz

Erfüllt eine im Ausland begangene Tat eine der Bedingungen des § 64 Abs 1 StGB, gelten für ihre strafrechtliche Beurteilung die österreichischen Strafgesetze uneingeschränkt. Bei echter Idealkonkurrenz ist zusätzlich zu jener Subsumtionsbestimmung, die die Voraussetzungen des § 64 StGB erfüllt, eine weitere unabhängig davon anwendbar, ob sie selbst diesen Kriterien entspricht.

S. 610 - 613, Rechtsprechung

Einzelmaßnahme alleine ist kein wirksames Kontrollsystem

Der VwGH geht davon aus, dass ein wirksames Kontrollsystem nicht durch eine Einzelmaßnahme implementiert wird, sondern aus einer Zusammenschau einer Mehrzahl von Maßnahmen (wie etwa Schulungen, Weisungen, systematische Überprüfungen auf den betroffenen Hierarchieebenen, Sanktionsmechanismen, entsprechende Dokumentationen) resultiert. Aus der gebotenen Zusammenschau aller maßgeblichen Umstände ergibt sich auch, dass einem einzelnen Aspekt (hier: einem technischen Kassensystem, das Mitarbeiter beim Verkauf von Alkohol an die Pflicht erinnert, eine Ausweiskontrolle vorzunehmen) keine das Vorliegen eines wirksamen Kontrollsystems für sich allein bestimmende Bedeutung beigemessen werden kann (hier: dass das VwG ein installiertes und zur Anwendung gekommenes technisches Kassensystem als geeignet angesehen hat, zum Vorliegen eines wirksamen Kontrollsystems beizutragen, ist nicht zu beanstanden).