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Heft 9, September 2024, Band 146

eJournal-Heft
  • ISSN Online: 1613-7639

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Inhalt der Ausgabe

S. 553 - 563, Aufsatz

Helmut Koziol

Die Bedeutung des Selbstbestimmungsrechts der Eltern für die Schadenersatzansprüche wegen unerwünschter Elternschaft

Mit der Entscheidung eines verstärkten Senates (3 Ob 9/23d) hat der OGH im November 2023 seine Rechtsprechung bezüglich der Ersatzansprüche der Eltern wegen einer vom Arzt verschuldeten unerwünschten Geburt eines Kindes grundlegend geändert: Er spricht den Eltern nun sowohl bei nicht behinderten als auch bei behinderten Kindern den Ersatz des gesamten Unterhaltsaufwandes für das Kind zu. Die Begründung des neuen Standpunktes stößt nach Ansicht des Autors auf einige Bedenken, das Ergebnis kann jedoch unter Berücksichtigung eines bisher nicht ausreichend beachteten Gesichtspunktes gerechtfertigt werden: Das Selbstbestimmungsrecht der Eltern ist für die Feststellung des Vorliegens eines Schadens und für die Bemessung des Ersatzes von entscheidender Bedeutung.

S. 564 - 573, Aufsatz

Jeffrey Lee Brüstle / Marco Lettenbichler

Zur Rechtsnatur der Tischreservierung und dem Wesen der No-Show-Gebühr

Auf den ersten Blick mag es vielleicht verwundern, dass mit einer herkömmlichen Tischreservierung in einem Restaurant komplexe rechtliche Fragen einhergehen. Doch selbst in der Rechtswissenschaft herrscht weitgehend Uneinigkeit über ihre Rechtsnatur, sodass sie undifferenziert teilweise als Bewirtungsvertrag, Vorvertrag zum Bewirtungsvertrag, eigenständiger Reservierungsvertrag oder als bloßer vorvertraglicher Kontakt qualifiziert wird. Diese fehlende klare Linie rührt wohl daher, dass sich die Reservierung eines Tisches je nach Ausgestaltung im Grenzbereich zwischen unverbindlicher Gefälligkeit und verbindlicher rechtsgeschäftlicher Abrede bewegt. Der vorliegende Beitrag nimmt sich zum Ziel, die Tischreservierung rechtsdogmatisch einzuordnen und die daraus resultierenden Haftungsfragen zu erörtern. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei No-Show-Gebühren, die ihrem Wesen nach entweder als Konventionalstrafe oder als Reugeld zu qualifizieren sind und fernabsatzrechtliche Folgen auslösen können.

S. 574 - 577, Rechtsprechung

Zurückweisung von Individualanträgen von Minderjährigen auf Aufhebung bestimmter Wortfolgen des Klimaschutzgesetzes I

Die behauptete Verfassungswidrigkeit kann nicht durch die bloße Aufhebung einzelner Wortfolgen beseitigt werden. Auch würde die beantragte Aufhebung einen unzulässigen Akt positiver Gesetzgebung durch den VfGH bedeuten: Durch die Aufhebung würde die Verantwortung für die Erarbeitung von Maßnahmen insgesamt an die Stelle der Verantwortung für die Führung von Verhandlungen treten; eine solche Festlegung der Verantwortlichkeit der zuständigen Bundesminister für die Erarbeitung sämtlicher Klimaschutzmaßnahmen im Zuständigkeitsbereich des Bundes und der Länder – und nicht bloß für die Führung von Verhandlungen – kann dem Gesetzgeber aber schon aufgrund der Kompetenzverteilung nicht zugesonnen werden.

S. 577 - 580, Rechtsprechung

Zurückweisung von Individualanträgen von Minderjährigen auf Aufhebung bestimmter Wortfolgen des Klimaschutzgesetzes II

Der Gesetzgeber hat im KSG einen Mechanismus vorgesehen, der einerseits die Aufteilung der Höchstmengen von Treibhausgasen auf Sektoren und andererseits die Verhandlungen zur Erarbeitung von Maßnahmen regelt, wobei diese beiden Regelungsinhalte nicht isoliert voneinander betrachtet werden können. Vor dem Hintergrund dieses untrennbaren Zusammenhanges ist eine gesonderte Anfechtung (einzelner Wort- und Zeichenfolgen) des § 3 Abs 1 KSG zu eng gefasst. Die Anfechtung des gesamten KSG ist hingegen schon deshalb unzulässig, weil die Antragsteller ausschließlich Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des im KSG grundgelegten Mechanismus für die Festlegung von THG-Höchstmengen in den Anlagen zum KSG und die Setzung wirksamer Klimaschutzmaßnahmen hegen und nicht dargetan wird, inwiefern ein untrennbarer Zusammenhang zwischen sämtlichen Bestimmungen des KSG besteht.

S. 580 - 583, Rechtsprechung

Erhöhung der Unterhaltsbemessungsgrundlage aufgrund des „Wohnvorteils“ eines im unbelasteten Eigenheim wohnenden Unterhaltspflichtigen

Die nach der Prozentwertmethode für den Regelfall ermittelte Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen berücksichtigt, dass dieser eigene Wohnkosten in Form von laufenden Kreditkosten oder Miete zu tragen hat. Durch den „Wohnvorteil“, der dadurch entsteht, dass der Unterhaltspflichtige seinen Wohnbedarf in einer Wohnung deckt, für die er solche Kosten nicht zu tragen hat, steigt seine Leistungsfähigkeit somit im Regelfall an, weil ihm höhere Mittel für andere Ausgaben bleiben. Es kann daher sachgerecht sein, den Unterhaltsberechtigten an der gestiegenen Leistungsfähigkeit aufgrund des „Wohnvorteils“ eines im unbelasteten Eigenheim wohnenden Unterhaltspflichtigen teilhaben zu lassen.

Hat der unterhaltspflichtige Elternteil nichts zu seiner Wohnversorgung beigetragen, für die er – mit Ausnahme der regelmäßig jeden Liegenschaftseigentümer treffenden laufenden Benützungs- und Erhaltungskosten – keine Aufwendungen zu tragen hat, kann es somit sachgerecht sein, seine aufgrund der Wohnmöglichkeit im unbelasteten Eigenheim gestiegene Leistungsfähigkeit bei der Unterhaltsbemessung durch eine Erhöhung der Unterhaltsbemessungsgrundlage angemessen zu berücksichtigen.

S. 583 - 586, Rechtsprechung

Analoge Anwendung des Wohlbestehensgrundsatzes bei Übergaben von Erbhöfen unter Lebenden

Eine analoge Anwendung des Wohlbestehensgrundsatzes setzt voraus, dass die Zielsetzung der (zumindest teilweise unentgeltlichen) Erbhofübergabe unter Lebenden mit jenen des Höfe- und Anerbenrechts übereinstimmt und sich (wirtschaftlich) als vorweggenommene Erbfolge darstellt. Die Analogievoraussetzungen liegen insbesondere bei bäuerlichen Übergabsverträgen zugunsten (pflichtteilsberechtigter) Erbberechtigter (und deren Ehe-gatten) vor, weil sie eine vorgezogene Erbfolge im Interesse der Erhaltung des Betriebs in der Familie und in einer Hand bezwecken.

Neben der Zuweisung an den Anerben dient auch die Bemessung des Übernahmspreises nach dem Grundsatz des Wohlbestehens der Erhaltung des Erbhofs, weil der Übernehmer sonst in vielen Fällen gezwungen wäre, zur Entrichtung des Übernahmspreises Betriebsteile zu verkaufen.

S. 586 - 592, Rechtsprechung

Martina Schickmair

(Änderungs-)Kündigung eines Stromliefervertrags

§ 80 Abs 2a ElWOG ist auf eine unbedingte ordentliche Kündigung nicht anzuwenden, und zwar auch dann nicht, wenn damit ein Angebot auf Abschluss eines neuen Vertrags zu geänderten Bedingungen verbunden wird. Die Novelle BGBl I 7/2022, mit der § 80 Abs 2a ElWOG eingeführt wurde, hat die – einen anderen Regelungsinhalt betreffende – Bestimmung des § 76 ElWOG unberührt gelassen.

Ein redlicher Erklärungsempfänger versteht selbst wiederholte Preiserhöhungen nicht als einen (schlüssigen) Verzicht auf das Recht zur ordentlichen Kündigung.

Infolge Liberalisierung des Strommarktes steht es Verbrauchern frei, aus verschiedenen Stromanbietern zu wählen. Ohne marktbeherrschende Stellung des Stromanbieters und im Hinblick auf die zu marktkonformen Bedingungen bestehenden Wechselmöglichkeiten trifft diesen kein eine Kündigung unwirksam machender Kontrahierungszwang.

Der Inhaber einer Monopolstellung muss, wenn ihm ein Vertragsabschluss zumutbar ist, einen guten (sachlichen) Grund für die Verweigerung eines Vertragsabschlusses haben. Allerdings darf selbst ein Unternehmen aus dem Bereich der Daseinsvorsorge ein Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund mittels außerordentlicher Änderungskündigung beenden, um mit den betroffenen Kunden neue Verträge mit angemessenen Bedingungen abzuschließen, die dem Monopolisten einen kostendeckenden Betrieb ermöglichen.

S. 592 - 594, Rechtsprechung

Haftung des Rechtsanwalts als Treuhänder bei verfrühter Auszahlung des Treuhanderlags

Der Vertrag zwischen einem Rechtsanwalt und seinem Klienten ist in der Regel ein Bevollmächtigungsvertrag und unterliegt dem Auftragsrecht. Werkvertragsrecht ist grundsätzlich auch nicht hilfsweise anzuwenden; nur ausnahmsweise ist der Vertrag zwischen einem Rechtsanwalt und seinem Klienten auch ein Werkvertrag, was etwa bei Errichtung eines Rechtsgutachtens oder eines Vertrags der Fall sein kann. Maßgeblich für die Abgrenzung bei Beauftragung auch mit der Errichtung eines Vertrags ist, ob der Rechtsanwalt ein Ergebnis oder ein Bemühen schuldet und ob Verrichtungen rechtlicher Art wie bei der Geschäftsbesorgung oder mehr tatsächliche Handlungen im Vordergrund stehen. Dabei kommt es immer auf die Umstände des Einzelfalls an.

Der Treuhänder haftet für die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglich übernommenen Aufgaben. Bei verfrühter Auszahlung des Treuhanderlags stellt zwar grundsätzlich bereits der Verlust der Sicherheit eines Gläubigers einen realen ersatzfähigen Schaden dar. Als Schadenersatz (Naturalrestitution) ist in solchen Fällen allerdings primär die Bereitstellung der Sicherheit in Form der Wiedereinzahlung des Betrags auf das Treuhandkonto geschuldet; subsidiär kann die Einbringung einer Feststellungsklage möglich sein. Die Geltendmachung eines Schadens in einer weiteren künftigen Klage setzt dann voraus, dass der Geschädigte dartut, dass er aufgrund der verfrühten Auszahlung einen finanziellen Schaden erlitten hat. Ebenso setzt die Aufrechnungseinrede im Prozess den Eintritt eines Schadens und dessen Bezifferung voraus.

Dem Rechtsanwalt steht kein Belohnungsanspruch zu, wenn er einen Vertrag verfasst, der nicht dem ihm erteilten Auftrag entspricht. Es ist aber nicht Aufgabe eines Vertragserrichters, auf eine Änderung bereits errichteter Verträge hinzuwirken, sondern er muss diese nur in eine entsprechende juristische Form bringen.

S. 594 - 598, Rechtsprechung

30-jährige Verjährungsfrist für Rückgriffsanspruch nach § 11 Abs 1 S 1 EKHG

Der interne Schadensausgleich nach § 11 Abs 1 S 1 EKHG setzt eine gesamtschuldnerische Haftung gegenüber einem geschädigten Dritten voraus. Dabei ist gleichgültig, auf welchem Rechtsgrund – Verschuldens- oder Gefährdungshaftung – die Ersatzpflicht der Beteiligten gegenüber dem Dritten beruht. Da (Verfahrens-)Kosten nicht Gegenstand der gesamtschuldnerischen Haftung sind, sind sie von § 11 Abs 1 S 1 EKHG nicht erfasst.

Der Rückgriffsanspruch nach § 11 Abs 1 S 1 EKHG ist lex specialis gegenüber § 896 ABGB. Er unterliegt der 30-jährigen Verjährungsfrist nach § 1478 ABGB.

S. 598 - 603, Rechtsprechung

ZaDiG 2018 auf Übertragung von Bitcoins zwischen E-Wallets unanwendbar

Eine Kryptowährung, jedenfalls in der festgestellten Ausgestaltung von Bitcoins, entspricht nach dem klaren Wortlaut des § 1 Abs 1 E-GeldG 2010 nicht der dort getroffenen Definition von E-Geld, zumal sie gerade keinen in Form einer Forderung gegenüber einem der vom Gesetz definierten E-Geld-Emittenten gespeicherten monetären Wert repräsentiert.

Das ZaDiG 2018 ist nicht auf die Übertragung von Bitcoins zwischen E-Wallets anwendbar.

S. 603 - 604, Rechtsprechung

A-limine-Zurückweisung der Klage wegen Unzuständigkeit bei Wohnsitz des Beklagten in einem Drittstaat

Das in Österreich angerufene Gericht darf im Anwendungsbereich der Brüssel Ia-VO (EuGVVO 2012) seine internationale Unzuständigkeit grundsätzlich nicht von Amts wegen wahrnehmen und die Klage nicht aus diesem Grund a limine zurückweisen. Vielmehr muss es dem Beklagten die Möglichkeit geben, sich in das Verfahren einzulassen. Aus der Bestimmung des Art 26 Abs 1 Brüssel Ia-VO wird abgeleitet, dass – abgesehen von Zwangsgerichtsständen des Art 24 Brüssel Ia-VO – dem Gericht keine selbstständige Prüfungsbefugnis hinsichtlich seiner Zuständigkeit zukommt, sondern das Gericht die Klage dem Beklagten auch dann zustellen muss, wenn es von seiner Zuständigkeit nicht überzeugt ist. Dies gilt allerdings nur im Anwendungsbereich der Brüssel Ia-VO.

Die Anwendbarkeit des Art 26 Abs 1 Brüssel Ia-VO iS einer aus dem rügelosen Einlassen ableitbaren nachträglichen (konkludenten) Zuständigkeitsvereinbarung steht mit einer Prüfungsbefugnis des Erstgerichts vor der Zustellung der Klage nach dem nationalen Recht nicht im Widerspruch. Dem Wortlaut des Art 6 Abs 1 Brüssel Ia-VO entsprechend ist bei einer Klage gegen einen in einem Drittstaat ansässigen Beklagten die Zuständigkeit (nach wie vor) nach nationalem Recht zu prüfen.

Die Bestimmung des § 92a JN ist auch auf Ersatzansprüche nach dem PHG anwendbar.

S. 604 - 606, Rechtsprechung

Akteneinsicht im Außerstreitverfahren: keine Verweigerung der Erstellung von Aktenkopien wegen knapper Personalressourcen der Justiz

Die Frage der Akteneinsicht und des Anspruchs auf Aktenkopie ist gemäß § 22 AußStrG im Verfahren außer Streitsachen nach § 219 ZPO zu beurteilen. Die in § 219 Abs 1 ZPO normierten Ausnahmen sind, soweit nicht sondergesetzliche Regelungen bestehen, als taxative Aufzählung zu verstehen.

Die Entscheidung, ob eine Partei Anspruch auf Akteneinsicht bzw eine Aktenkopie hat (beides wird durch § 219 ZPO [iVm § 22 AußStrG] gemeinsam geregelt und unterliegt daher dem gleichen Verfahrensregime), ist keine Entscheidung „über die Sache“ iS des § 68 Abs 1 (oder auch § 48 Abs 1) AußStrG. Die Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht bzw Übermittlung einer Aktenkopie ist kein „verfahrensleitender Beschluss“ iS des § 45 S 2 AußStrG und damit grundsätzlich selbstständig anfechtbar. Weil auch keine besondere Vorschrift vorhanden ist, die die Zweiseitigkeit anordnen würde, ist das Revisionsrekursverfahren e contrario § 68 Abs 1 AußStrG einseitig.

Eine personell angespannte Lage innerhalb der Gerichte ist keine Rechtfertigung dafür, einer Partei ihren nach dem klaren Wortlaut des § 219 ZPO zustehenden Anspruch auf eine Aktenkopie zu verweigern. Es ist Aufgabe der Justizverwaltung, die Gerichte personell so auszustatten, dass sie ihren gesetzlichen Pflichten (hier: Anfertigung und Übermittlung einer Aktenkopie) entsprechen können.

S. 606 - 610, Rechtsprechung

Thomas Klicka

Rechtskraftwirkung eines Scheidungsbeschlusses und rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme von Witwenpension

Grundsätze des Rechtsmissbrauchs sind auch im Sozialrecht anzuwenden. Daher ist auch § 539a Abs 2 ASVG, wonach durch den Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts Verpflichtungen nach diesem Bundesgesetz, besonders die Versicherungspflicht, nicht umgangen oder gemindert werden können, nicht nur auf die ausdrücklich genannte Umgehung der Versicherungspflicht beschränkt, sondern im Rahmen des ASVG allgemein anwendbar.

Missbräuchlich ist eine Rechtsausübung vor allem dann, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen Grund der Rechtsausübung bildet oder zwischen den verfolgten eigenen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein ganz krasses Missverhältnis besteht. Ein Missbrauch liegt demgemäß jedenfalls dann vor, wenn die an sich zulässige Gestaltung der rechtlichen Verhältnisse anders als mit der Absicht der Umgehung gesetzlicher Regelungen nicht erklärt werden kann.

Die Rechtskraftwirkung eines Scheidungsbeschlusses erstreckt sich grundsätzlich nur auf dessen Spruch. Sie hindert das Gericht in einem Folgeprozess daher nicht, seiner Entscheidung eine als unrichtig erkannte Sachverhaltsgrundlage des Urteils im Vorprozess (hier: die unheilbare Zerrüttung und die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft) nicht mehr zugrunde zu legen.

S. 610 - 610, Rechtsprechung

(Unwirksame) Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen unbekannte Täter

Die Ermächtigung zur Strafverfolgung oder eine als Ermächtigung geltende Erklärung des in seinen Rechten Verletzten, als Privatbeteiligter am Verfahren mitzuwirken, muss sich auf eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Tat beziehen und spätestens bei Einbringung der Anklage vorliegen. Eine im Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Täter erteilte Ermächtigung ist prozessual unwirksam; ebenso wie die erst nach Einbringung des Strafantrags erfolgte Erklärung des Opfers, sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligte anzuschließen.

S. 611 - 613, Rechtsprechung

Nina Marlene Schallmoser

Horizontale Erschöpfung des Instanzenzuges im Grundrechtsbeschwerdeverfahren

Der Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels findet auf die – nicht begründungspflichtige – (Haft-)Beschwerde keine Anwendung. Die Erstattung von Rechtsmittelvorbringen nach Ablauf der dreitägigen, durch die Verkündung des Beschlusses ausgelösten Rechtsmittelfrist ist zulässig. Das OLG hat bei seiner Entscheidung sich daraus ergebende Neuerungen zu berücksichtigen.

Im Verfahren über die Grundrechtsbeschwerde sind zufolge der von § 1 Abs 1 GRBG verlangten „Erschöpfung des Instanzenzuges“ nur jene Argumente iS des § 3 Abs 1 GRBG beachtlich, die innerhalb der Beschwerdefrist des § 176 Abs 5 StPO auf die vorgeschriebene Weise vorgetragen wurden.

S. 613 - 616, Rechtsprechung

Ende der Eigenschaft als gewerberechtlicher Geschäftsführer

Die Eigenschaft als gewerberechtlicher Geschäftsführer endet schon mit dem tatsächlichen Ausscheiden aus der zugrunde liegenden Funktion und nicht erst mit der Anzeige an die Behörde oder gar mit der Löschung der Eintragung aus dem Gewerbeinformationssystem Austria (GISA).

Aus der bloßen Eintragung als gewerberechtlicher Geschäftsführer für die Ausübung eines bestimmten Gewerbes im GISA kann daher nicht bereits auf eine „aktive Mittätigkeit“ des Betreffenden in den Angelegenheiten des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes der das Gewerbe ausübenden Gesellschaft und in weiterer Folge auf dessen Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG geschlossen werden.