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Kartellrecht: ‚Bezweckte‘ oder ‚bewirkte‘ Beschränkung – Klausel, die dem Vertriebshändler einen ‚Vorrang für die Abwicklung des Verkaufsvorgangs‘ während eines Zeitraums von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Registrierung gew...

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1. Art 101 Abs 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass eine Vereinbarung zwischen einem Anbieter und einem Vertriebshändler, nach der der Händler, der das potenzielle Geschäft mit dem Endnutzer zuerst registriert hat, während eines Zeitraums von sechs Monaten ab der Registrierung des Geschäfts einen „Vorrang für die Abwicklung des Verkaufsvorgangs“ genießt, sofern der Endnutzer nicht widerspricht, nicht als Vereinbarung eingestuft werden kann, die iS dieser Vorschrift eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs „bezweckt“, es sei denn, diese Vereinbarung kann angesichts ihres Wortlauts, ihrer Ziele und ihres Zusammenhangs als hinreichend schädlich für den Wettbewerb angesehen werden, um so eingestuft zu werden.

Stellt eine solche Vereinbarung keine „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung iS von Art 101 Abs 1 AEUV dar, ist vom nationalen Gericht zu prüfen, ob in Anbetracht aller relevanten Umstände des Ausgangsverfahrens, dh insb des wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhangs, in dem die betreffenden Unternehmen tätig sind, der Art der betroffenen Waren und Dienstleistungen, der auf dem betreffenden Markt bestehenden tatsächlichen Bedingungen und der Struktur dieses Marktes, davon ausgegangen werden kann, dass sie den Wettbewerb aufgrund ihrer tatsächlichen oder potenziellen Auswirkungen hinreichend spürbar einschränkt.

2. Art 101 Abs 3 AEUV ist dahin auszulegen, dass eine Vereinbarung zwischen einem Anbieter und einem Vertriebshändler, nach der der Händler, der das potenzielle Geschäft mit dem Endnutzer zuerst registriert hat, während eines Zeitraums von sechs Monaten ab der Registrierung des Geschäfts einen „Vorrang für die Abwicklung des Verkaufsvorgangs“ genießt, sofern der Endnutzer nicht widerspricht, für den Fall, dass sie eine Vereinbarung darstellt, die iS von Art 101 Abs 1 AEUV eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs „bezweckt“ oder „bewirkt“, nur dann nach Art 101 Abs 3 AEUV freigestellt werden kann, wenn sie die dort aufgeführten kumulativen Voraussetzungen erfüllt.

3. Art 101 Abs 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass das Vorliegen einer nach dieser Bestimmung verbotenen Vereinbarung nicht allein deshalb ausgeschlossen werden kann, weil die mit der Durchführung dieser Bestimmung betraute Behörde eine differenzierte Beurteilung der Frage, wie die Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung den Parteien dieser Vereinbarung zuzurechnen ist, vorgenommen hat.

  • WBl-Slg 2022/1
  • EuGH, 18.11.2021, Rs C-306/20, „Visma Enterprise“ SIA/Konkurences padome; Administratīvā apgabaltiesa [Regionales Verwaltungsgericht, Lettland]
  • Art 101 Abs 1 AEUV
  • Allgemeines Wirtschaftsrecht
  • Art 2 und Art 4 lit b der VO (EU) Nr 330/2010 der Kommission vom 20. April 2010 über die Anwendung von Art 101 Abs 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen
  • Art 101 Abs 3 AEUV

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