Keine Anwendung des § 156 Abs 4 IO bei eigener Nachlässigkeit des Gläubigers
- Sprache:
- Deutsch
- Jahrgang:
- JBLBand 147
- Inhalt:
- Rechtsprechung
- Umfang:
- 2744 Wörter, Seiten 261-264
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Allgemein wird die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass der Tatbestand des (nunmehr) § 156 Abs 4 IO verwirklicht ist, dem Gläubiger zugewiesen. Daran ist jedenfalls dann nicht zu zweifeln, wenn der Schuldner im Exekutionsverfahren bereits auf sein Insolvenzverfahren und die von ihm erlangte Schuldbefreiung hingewiesen hat. In einem solchen Fall muss der Betreibende spätestens in einer Äußerung dazu einen konkreten Sachverhalt vortragen, dessen Beurteilung I.) ein Verschulden des Schuldners an der Nichtberücksichtigung seiner Forderung im Sanierungs- oder Zahlungsplan ergibt, sowie II.), dass er selbst an der Nichtberücksichtigung der Forderung keine Schuld hatte, etwa weil a) ihm wegen einer Erkrankung die öffentliche Bekanntmachung der Insolvenzeröffnung verborgen blieb; oder b) ihn der Schuldner durch arglistige Täuschung von Nachforschungen über die Zahlungsunfähigkeit abhielt; oder c) der Schuldner sich über viele Jahre im Ausland verborgen hielt, heimlich nach Österreich zurückkehrte und hier schnell und für den Betreibenden nicht erwartbar das Insolvenzverfahren durchzog. Jede Unklarheit des Sachverhalts geht zulasten des Gläubigers, etwa wenn offenbleibt, ob der Schuldner ihm vom Insolvenzverfahren Mitteilung machte.
Ein Schuldner hat im Insolvenzverfahren zwar – gegenüber dem Insolvenzgericht – seine (Insolvenz-)Gläubiger anzuführen (vgl insbesondere § 100a Abs 1 S 2 und § 169 Abs 1 Z 1 lit e [iVm § 75 Abs 1 Z 1 und § 145 Abs 2 S 2] IO – „Gläubigerliste“), deren Verständigung vom Verfahren bzw Ladung zu Tagsatzungen obliegt aber dem Gericht (vgl § 75 Abs 1 Z 1 und § 145 Abs 2 S 2 IO). Ein Schuldner ist nach Insolvenzrecht somit nicht verpflichtet, selbst einen Gläubiger vom Insolvenzverfahren in Kenntnis zu setzen.
Der Anwendung des § 156 Abs 4 IO steht ebenso eine eigene Nachlässigkeit des Betreibenden an der Nichtberücksichtigung seiner Forderung im Zahlungsplan entgegen. Die Höhe der Forderung und die Dauer ihres (fälligen) Bestehens bilden gemeinsam einen massiven Insolvenzindikator, der klar dafür spricht, dem Betreibenden – selbst wenn er kein Unternehmer sein sollte – als Fahrlässigkeit anzulasten, nicht regelmäßig in die Insolvenzdatei Einsicht genommen und in weiterer Folge seine Insolvenzforderung angemeldet zu haben. Der Betreibende hätte hier vorzubringen, dass ausnahmsweise aufgrund bestimmter Umstände – etwa auch aufgrund seines eigenen Betreibungsverhaltens – ungeachtet des genannten Insolvenzindikators keine Insolvenz(gefahr) anzunehmen war. Ebenso müsste er behaupten, dass ihn der Verpflichtete von der Anmeldung dolos abgehalten und er deshalb ausnahmsweise keine Nachlässigkeit an der Nichtanmeldung zu vertreten habe, oder dass aus einem bestimmten anderen Grund ausnahmsweise kein Verschulden seinerseits vorlag.
Bei Eingaben im Elektronischen Rechtsverkehr, die offenkundig fehlerhaft oder unvollständig sind, ist darauf abzustellen, ob Anhaltspunkte dafür bestehen, dass rechtsmissbräuchlich ein Verbesserungsauftrag und damit eine Fristverlängerung erschlichen werden soll. Ist dies nicht der Fall, ist ein Verbesserungsauftrag zu erteilen. Ist der als „Rekursbeantwortung“ bezeichneten Eingabe („ERV-Deckblatt“) die Rekursbeantwortung nicht angeschlossen und liegen keine Indizien dafür vor, dass sich der Verpflichtete eine Verlängerung der Rekursbeantwortungsfrist erschleichen wollte, ist das Rekursgericht verhalten, zur Vorlage der Rekursbeantwortung einen Verbesserungsauftrag zu erteilen (§§ 84 f ZPO).
- OGH, 11.09.2024, 3 Ob 104/24a
- § 156 Abs 4 IO
- LG Leoben, 16.04.2024, 32 R 41/23h
- BG Liezen, 06.09.2023, 4 E 1858/23d
- JBL 2025, 261
- § 85 ZPO
- Öffentliches Recht
- § 197 IO
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