Meinungsäußerung auf einer Hotelbewertungsplattform
- Sprache:
- Deutsch
- Jahrgang:
- JBLBand 146
- Inhalt:
- Rechtsprechung
- Umfang:
- 6665 Wörter, Seiten 744-751
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Die Wahrnehmung des Rechts auf Meinungs- und Informationsfreiheit kann ein berechtigtes Interesse iS des Art 6 Abs 1 lit f DSGVO darstellen. Die Meinungsäußerungsfreiheit erfasst sowohl das Recht von Empfängern von Dienstleistungen, ihre Meinung zur Qualität von Dienstleistungen und damit in Zusammenhang stehend auch zum Verhalten der für die Leistungserbringung verantwortlich zeichnenden natürlichen Personen zu äußern, als auch das Recht von potenziellen zukünftigen Empfängern derartiger Dienstleistungen, von diesen Meinungsäußerungen Kenntnis zu nehmen. Eine die Abgabe von Meinungsäußerungen sowie eine strukturierte Suche danach ermöglichende Plattform dient der Ausübung der Meinungsäußerungsfreiheit; die damit verbundene Verarbeitung personenbezogener Daten ist somit grundsätzlich zur Wahrung eines berechtigten Interesses (iS des Art 6 Abs 1 lit f DSGVO) erforderlich. Es ist keine sachliche Rechtfertigung dafür ersichtlich, das Recht auf Ausübung der Meinungsäußerungsfreiheit auf solche Plattformen zu beschränken, über die die zu bewertenden Leistungen gebucht worden sind (und damit eine Meinungsäußerung auf reinen Bewertungsplattformen nicht als berechtigtes Interesse anzuerkennen).
Nach der Rsp des EuGH stellt das Kriterium der Schwere der Beeinträchtigung der Rechte und Freiheiten der betroffenen Person einen wesentlichen Gesichtspunkt der Abwägung im Einzelfall dar; dabei ist der Art der in Rede stehenden personenbezogenen Daten und ihrer möglicherweise sensiblen Natur Rechnung zu tragen. Der OGH hat wiederum anerkannt, dass im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen ist, in welche Sphäre der Persönlichkeit eingegriffen wird, und dabei der Sozialsphäre, in welcher der Betroffene als in Gemeinschaft stehender Mensch in Kommunikation mit Außenstehenden tritt, keinen so weitgehenden Schutz zuerkannt wie dem höchstpersönlichen Lebensbereich.
Der VwGH schließt sich dieser Auffassung an. Auf einer Bewertungsplattform abgegebene Bewertungen betreffend das Auftreten der Hotelbetreiber sind der Sozialsphäre (der beruflichen Sphäre) und nicht der privaten oder häuslichen Sphäre der Betroffenen zuzuordnen.
Zwar kann das Interesse am Schutz personenbezogener Daten, die das Auftreten am Markt zum Inhalt haben, herabgesetzt sein, dennoch besteht ein großes Interesse an der Richtigkeit der veröffentlichten Daten. An der Verarbeitung unrichtiger Daten kann nämlich kein berechtigtes Interesse bestehen. Zwar kann eine Meinung als solche nicht am Maßstab der (Un-)Richtigkeit gemessen werden, allerdings ist ein Schutz vor „fiktiven Bewertungen“ (ohne tatsächliche Inanspruchnahme der Dienstleistung) anzuerkennen.
Der Umstand, dass die Verantwortliche die Identität der Nutzer vor Abgabe einer Bewertung nicht überprüft, ist bei der Interessenabwägung nach Art 6 Abs 1 lit f DSGVO in Anschlag zu bringen. Ein genereller Ausschluss anonymer Bewertungen wäre aber unzulässig. Ausgehend davon kann aber auch das Fehlen einer Prüfung der Bewertung vor ihrer Veröffentlichung – und damit der Umstand, dass eine betroffene Person möglicherweise für eine gewisse Zeit auch die Bereithaltung missbräuchlicher Bewertungen hinnehmen muss – für sich allein noch nicht die Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung nach sich ziehen.
- VwGH, 17.05.2024, Ro 2022/04/0026 ua
- JBL 2024, 744
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