Zum Hauptinhalt springen
Epler, Alice

OGH: Zum Verhältnis von Unschuldsvermutung und Opferschutz

eJournal-Artikel

20,00 €

inkl MwSt

Sofortiger PDF-Download

Die Betreiberin eines (öffentlichen) Facebook-Accounts ist als Medieninhaberin und damit Letztverantwortliche iSd § 1 Abs 1 Z 8 lit c MedienG für deren inhaltliche Gesamtgestaltung verantwortlich.

Im heiklen, weil die Persönlichkeitsinteressen der Betroffenen besonders tangierenden Bereich der Berichterstattung im Zusammenhang mit Gerichtsverfahren hat der Gesetzgeber durch Einführung der (einfach gesetzlichen) Bestimmungen der §§ 7a ff MedienG eine Konkretisierung der grundrechtlichen Spannungslage zwischen Meinungsäußerungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz vorgenommen, deren Wertungen in erforderliche Abwägungen nach § 78 UrhG und § 1330 ABGB einzubringen sind.

Ein Social Media-Posting über einen erweislich wahren bzw. als wahr bescheinigten Sachverhalt ist auch dann zulässig, wenn es für den Betroffenen nachteilig, bloßstellend oder herabsetzend wirkt; denn soweit es im Persönlichkeitsschutz um den Schutz der Ehre geht, wird – abgesehen von Angriffen auf die menschliche Würde – immer nur die verdiente Ehre geschützt.

Nach der für die Beurteilung nach § 1330 ABGB aber auch §§ 7a ff MedienG maßgeblichen (laienhaften) Auffassung ist unter „Vergewaltigung“ ganz allgemein die Vornahme geschlechtlicher Handlungen an einer Person gegen deren Willen zu verstehen.

Postete die (Noch-)Ehefrau daher auf ihrem Facebook-Account, sie sei „vor physischer und psychischer Gewalt durch ihren US-amerikanischen Ehemann [...] nach Österreich mehr oder weniger geflohen“ besteht darin keine Verletzung der Unschuldsvermutung entgegen § 7b MedienG. Denn die zugrundeliegende familienrechtliche Auseinandersetzung iZm dem Rückführungsverfahren nach dem HKÜ und der ausführlichen medialen Berichterstattung darüber stellt ein ausreichendes Sachsubstrat für dieses Outing des mutmaßlichen Opfers sexueller Gewalt dar.

Dass ein Opfer über seine eigene Vergewaltigung berichtet, kann ihm nach § 7b MedienG – unabhängig vom Umstand, dass derzeit keine strafgerichtliche Verurteilung des von der Äußerung Betroffenen vorliegt – nicht verwehrt werden.

Redaktionelle Leitsätze

  • Epler, Alice
  • ZIIR 2022, 348
  • Art 6 Abs 2 EMRK
  • Opferschutz
  • OGH, 02.02.2022, 6 Ob 239/21x, Posting des Vergewaltigungsopfers
  • Verfahren, familienrechtliches
  • Sexualdelikte
  • Outing
  • § 7 MedienG
  • Kindesentführung
  • Medienrecht
  • Vergewaltigung
  • § 8 MedienG
  • Facebook
  • Unschuldsvermutung
  • § 6 MedienG
  • § 7b MedienG
  • Posting

Was ist neu im Verlag Österreich?
Erfahren Sie es zuerst!