OLG Wien: Grenzen der literarischen Parodie im politischen Meinungskampf
- Originalsprache: Deutsch
- ZIIRBand 12
- Judikatur, 5570 Wörter
- Seiten 452 -462
- https://doi.org/10.33196/ziir202404045201
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Eine politische Auseinandersetzung (hier: um drastische Gas- und Strompreiserhöhungen im Einflussbereich der Stadt Wien) fällt grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich des geschäftlichen Verkehrs nach dem Marken- oder Lauterkeitsrecht.
Die Parodie eines urheberrechtlich geschützten Werkes (hier: Name und bildliche Darstellung der Kinderbuchfigur „Räuber Hotzenplotz“) setzt eine deutliche Veränderung voraus, bei der das ursprüngliche Werk in den Hintergrund tritt. Die bloße Ergänzung mit einer Kurzbezeichnung (hier: „SPÖ“) und ein geflochtenes statt glatten Hutbandes unter Beibehaltung von Proportion und Farben vermögen keine eigenständige Nachschöpfung zu bewirken, sondern bleiben im Rahmen des dem Urheber vorbehaltenen Bearbeitungsrechts.
Die bloße Instrumentalisierung eines Werks zur Illustration politischer Aussagen stellt keinen zulässigen Eingriff in das Urheberrecht dar. Da die Klägerin ungewollt in eine politische Auseinandersetzung hineingezogen worden sei, ohne sich selbst positionieren zu können, und nicht nur die inhaltliche Kritik der Beklagten, sondern sogar das Räuber-Sujet ohne Eingriff in Urheberrechte vermittelt hätte werden können, schlägt die Interessenabwägung zugunsten der Klägerin aus.
Die Zitierfreiheit nach § 42f Abs 1 UrhG erfordert eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem zitierten Werk, während bloße Veranschaulichungen davon nicht gedeckt sind. Die Verarbeitung des Werks eines Dritten, der bislang nicht an der politischen Debatte teilgenommen hat, erfüllt keine Beleg-Funktion. Denn die Übernahme der bildlichen Darstellung setzt sich dadurch weder mit dem urheberrechtlich geschützten Objekt selbst auseinander noch ist sie erforderlich, um die Richtigkeit der Wiedergabe einer Information oder die Plausibilität einer Meinung zu belegen.
Die Bekanntheit einer Kinderbuchfigur (hier: „Räuber Hotzenplotz“) darf nicht ohne Zustimmung des Rechteinhabers für politische Zwecke verwendet werden, wenn dies den persönlich-geistigen oder wirtschaftlichen Interessen des Urhebers zuwiderläuft. Die Freiheit der Parodie endet daher keineswegs erst bei diskriminierenden Inhalten oder einer nachweislichen Verletzung materieller Interessen. Vielmehr ist eine umfassende Abwägung vorzunehmen, bei der hier auch das Interesse des Inhabers von Rechten an einem Kinderbuch zu berücksichtigen ist, nicht mit einer politischen Kampagne (welchen Inhalts auch immer) in Verbindung gebracht zu werden.
Redaktionelle Leitsätze
- Thiele, Clemens
- Parodie
- „Räuber Hotzenplotz/Räuber Rathausplatz“
- Titelschutz, keiner
- § 42f Abs 2 UrhG
- § 80 UrhG
- OLG Wien, 06.05.2024, 33 R 4/24m, Räuber Rathausplatz
- ZIIR 2024, 452
- Meinungskampf, politischer
- Zitatrecht
- § 5 Abs 2 UrhG
- § 10 MSchG
- Urheberrecht
- Bearbeitung
- Medienrecht
- Markenverletzung, keine
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