Unklare Fragebeantwortung aufgrund gebotener gesetzeskonformer Auslegung als Wissenserklärung nicht bestandskräftig
- Originalsprache: Deutsch
- RPABand 21
- Judikatur, 3435 Wörter
- Seiten 132 -137
- https://doi.org/10.33196/rpa202103013201
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Die Bestandfestigkeit einer Auftraggeberentscheidung ist von ihrer Rechtmäßigkeit zu unterscheiden. Ausgehend davon ist die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, wonach eine Verletzung der Grundprinzipien des Vergaberechts nicht bestandfest werden könne, unzutreffend.
Regelungen, wie die Gleichwertigkeit vom Bieter nachzuweisen bzw vom Auftraggeber zu prüfen ist („geeignete Mittel“, „im Angebot“), haben nicht zur Folge, dass ein Bieter ungeachtet einer entgegenstehenden, bestandfest gewordenen Festlegung des Auftraggebers die Gleichwertigkeit des von ihm angebotenen Produktes auch dann nachweisen kann, wenn nach der Ausschreibung ein bestimmtes Produkt angeboten werden muss.
Eine Festlegung auf einen bestimmten Hersteller ohne den Zusatz „oder gleichwertig“ stünde mit dem vergaberechtlichen Gleichbehandlungs- und Wettbewerbsgrundsatz nicht in Einklang. Auch wenn dieser Umstand nicht dazu führt, dass eine dementsprechende Festlegung nicht bestandfest werden kann, ist er doch bei der Auslegung der Erklärung eines Auftraggebers zu berücksichtigen.
Im Zweifel sind Festlegungen in der Ausschreibung gesetzeskonform und sohin in Übereinstimmung mit den maßgeblichen Bestimmungen zu lesen. Bei einer als auslegungsbedürftig anzusehenden Erklärung (hier Fragebeantwortung) ist daher im Zweifel davon auszugehen, dass der Auftraggeber keine vergaberechtswidrige Festlegung treffen wollte.
Der Grundsatz der gesetzeskonformen Auslegung spricht somit dafür, dass die Auftraggeberin mit dem besagten Klammerausdruck (im Rahmen der Fragebeantwortung) bloß ihre Auffassung zur Kompatibilität zum Ausdruck gebracht, nicht aber die Ausschreibung abgeändert hat.
- Arztmann, Franz Josef
- Bestandskraft bei Rechtsverstößen gegen fundamentale Grundsätze
- § 915 ABGB
- gesetzeskonforme Auslegung
- RPA 2021, 132
- Fragebeantwortung
- § 2 Z 15 lit a Sublit Aa BVergG 2018
- Bestandsfestigkeit von Entscheidungen
- Vergaberecht
- § 277 BVergG
- § 274 BVergG
- Willenserklärung oder Wissenserklärung
- gesondert anfechtbare Entscheidung während der Angebotsfrist
- VwGH, 18.01.2021, Ra 2019/04/0083, „Sanitärmaterial“