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wirtschaftsrechtliche blätter

Heft 6, Juni 2015, Band 29

Verbot der Sonntagsöffnung von Verkaufsstellen

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Für die in § 7 ÖffnungszeitenG genannten Verkaufsstellen bestimmter Art geht der Gesetzgeber typisierend vom Bestehen besonderer Einkaufsbedürfnisse aus. Der VfGH verkennt nicht, dass die Erlaubnis zum Offenhalten bestimmter Verkaufsstellen an Samstagen nach 18 Uhr, an Sonntagen, an Feiertagen und an Montagen bis 6 Uhr unter Umständen eine nicht gerechtfertigte Bevorzugung der sie betreibenden Unternehmen darstellen kann. Allerdings enthalten die genannten Ausnahmebestimmungen Vorkehrungen, die gewährleisten, dass eine allfällige Privilegierung von Betreibern von Verkaufsstellen, die an Samstagen nach 18 Uhr, an Sonntagen, an Feiertagen und an Montagen bis 6 Uhr offen halten dürfen, an sachlich begründete Voraussetzungen geknüpft und in ihrer Wirkung auf das Notwendige beschränkt ist. Die vom Gesetzgeber normierten Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot, Verkaufsstellen an Samstagen nach 18 Uhr, an Sonntagen, an Feiertagen und an Montagen bis 6 Uhr offen zu halten, sind daher sachlich gerechtfertigt.

Das ÖffnungszeitenG ist auf den „Onlinehandel“ – jedenfalls sofern dieser ohne Verkaufsstellen iSd ÖffnungszeitenG abgewickelt wird – nicht anwendbar. Dieser Umstand führt jedoch nicht dazu, dass die angefochtenen Bestimmungen gegen Art 7 B-VG verstoßen, weil diese Form des Handels nicht im Rahmen von Verkaufsstellen betrieben wird, die offengehalten oder geschlossen werden könnten.

Wie es dem VfGH verwehrt ist, Öffnungszeitenregelungen anderer Staaten am Maßstab der österreichischen Bundesverfassung zu messen, so ist es ihm auch verwehrt, die angefochtenen Bestimmungen mit ähnlichen Bestimmungen aus den Rechtsordnungen anderer Staaten zu vergleichen und daraus eine wie immer geartete „Ungleichbehandlung“ abzuleiten.

Die allgemeinen Ziele, denen Ladenschluss- bzw Öffnungszeitenregelungen dienen, nämlich der Schutz der Interessen der Verbraucher, das Ziel der Wettbewerbsordnung und die sozialpolitische Funktion, liegen im öffentlichen Interesse (vgl zuletzt VfSlg 19.639/2012). Für den Ladenschluss an Wochenenden tritt das besondere Ziel der Wahrung der sozial- und familienpolitischen Funktion des Wochenendes hinzu. Bereits zur Regelung, die für den Samstagnachmittag das generelle Geschlossenhalten der Verkaufsstellen anordnete, betonte der VfGH, dass damit eine „weitgehende Synchronisation mit dem allgemeinen arbeitszeitrechtlichen Grundsatz der Wochenendruhe“ hergestellt werde, und er verwies auf die besondere Funktion des Wochenendes „für Freizeit, Erholung und soziale Integration“ (VfSlg 12.094/1989). Der gesellschaftliche Wandel der vergangenen beiden Jahrzehnte hat nichts am öffentlichen Interesse an der (weitgehenden) Synchronisation mit dem Grundsatz der Wochenendruhe geändert. In allen europäischen Gesellschaften gibt es einen Ruhetag in der Woche, mag dieser aus religiösen Gründen, aus Gründen der Erholung für die arbeitende Bevölkerung oder aus anderen sozial- und familienpolitischen Gründen angeordnet sein und mag die Ruhe in unterschiedlichem Maße eingehalten werden. Wenn der Gesetzgeber auch mit den Mitteln des Gewerberechts zur Wahrung und Erhaltung der Wochenendruhe beitragen möchte, so verfolgt er daher jedenfalls ein im öffentlichen Interesse gelegenes Ziel.

Das Gewicht der mit den Ladenschlussregelungen verfolgten Interessen ist größer als die Schwere des dadurch bewirkten Grundrechtseingriffs. Der Eingriff bildet eine verhältnismäßige Beschränkung des Grundrechts auf Unversehrtheit des Eigentums, welche die Grenzen des rechtspolitischen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht überschreitet (vgl schon VfSlg 19.639/2012).

Der VfGH hat in VfSlg 19.632/2012 ausgesprochen, dass die Rechte der GRC, die in ihrer Formulierung und Bestimmtheit verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten der österreichischen Bundesverfassung gleichen, vor dem Verfassungsgerichtshof einen Prüfungsmaßstab in Verfahren der generellen Normenkontrolle bilden könnten, wenn der Anwendungsbereich der GRC (s Art 51 Abs 1 GRC) eröffnet ist. Das Recht der „unternehmerischen Freiheit“ gleicht zwar einem Recht der Bundesverfassung in Formulierung und Bestimmtheit (vgl Art 6 StGG). Allerdings sind die Regelungen des ÖffnungszeitenG keine solchen, die in Durchführung des Unionsrechts ergangen sind. Weder wird mit ihnen eine Richtlinie umgesetzt, noch beschränken sie eine der Grundfreiheiten des Binnenmarktes. Im Einklang mit der Rsp des EuGH geht der VfGH davon aus, dass das durch die Art 34 und 35 AEUV normierte Verbot von mengenmäßigen Beschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten (Warenverkehrsfreiheit) nicht für mitgliedstaatliche Ladenschlussregelungen gilt. Auch handelt es sich bei den Vorschriften des ÖffnungszeitenG um keine produktbezogenen Regelungen, sondern um solche, die – unterschiedslos für Waren inländischen und ausländischen Ursprungs – bloß die Verkaufsmodalitäten der Waren betreffen. Insoweit bestehen keine unionsrechtlichen Vorschriften, die eine mitgliedstaatliche Verpflichtung schaffen würden. Der alleinige Umstand, dass die angefochtenen Bestimmungen unionsrechtliche Vorschriften mittelbar beeinflussen könnten, vermag keinen hinreichenden Zusammenhang zum Unionsrecht zu begründen, der den Anwendungsbereich der GRC (Art 51 Abs 1) eröffnen würde. Eine Prüfung der angefochtenen Bestimmungen unter dem Blickwinkel des Vorbringens im Hinblick auf das „Grundrecht der unternehmerischen Freiheit“ am Maßstab der Bestimmungen der GRC kommt daher mangels Anwendbarkeit dieser Garantie nicht in Betracht.

  • Art 7 BV-G
  • WBl-Slg 2015/126
  • VfGH, 03.03.2015, G 107/2013
  • § 3 ÖffnungszeitenG
  • Art 1 1. ZPEMRK
  • Art 16 GRC
  • Art 5 StGG
  • Allgemeines Wirtschaftsrecht
  • § 7 ÖffnungszeitenG
  • § 5 ÖffnungszeitenG

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