


Verhandlungspflicht im Baubewilligungsverfahren vor dem Verwaltungsgericht
- Sprache:
- Deutsch
- Jahrgang:
- WBLBand 29
- Inhalt:
- Rechtsprechung
- Umfang:
- 315 Wörter, Seiten 544-544
30,00 €
inkl MwSt




-
Gemäß § 24 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann eine mündliche Verhandlung ungeachtet eines Parteienantrages unterbleiben, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 GRC entgegenstehen. Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist daher durchzuführen, wenn es um „civil rights“ oder „strafrechtliche Anklagen“ im Sinn des Art 6 EMRK oder um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird (vgl VwGH 17. 2. 2015, Ra 2014/09/0007 mwN).
Nachbarrechte im Baubewilligungsverfahren stehen in so engem Zusammenhang mit Auswirkungen des Bauvorhabens auf das Nachbargrundstück und dessen Wert bzw auf den ungestörten Genuss des Eigentums am Nachbargrundstück, dass sie als „civil rights“ anzusehen sind (EGMR 25. 11. 1994, Nr 12.884/87, Ortenberg/Österreich).
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. 5. 2007, Nr 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. 5. 2007, Nr 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Betroffene im Rahmen des Art 6 EMRK grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder „hoch-technische“ Fragen („exclusively legal or highly technical questions“) betrifft.
Jedenfalls dann, wenn der Sachverhalt vor dem Verwaltungsgericht konkret – und nicht nur allgemein inhaltsleer – bestritten wird, kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Verwaltungsgericht ausschließlich rechtliche Fragen zu behandeln hat. Sollte das Verwaltungsgericht der Auffassung sein, ausschließlich „hoch-technische“ Fragen entscheiden zu müssen und deshalb von einer mündlichen Verhandlung Abstand nehmen zu können, hätte es dies nachvollziehbar zu begründen.
-
- WBl-Slg 2015/185
- Art 6 EMRK
- VwGH, 19.05.2015, Ro 2015/05/0004
- § 24 VwGVG
- Allgemeines Wirtschaftsrecht
- Art 47 GRC
Gemäß § 24 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann eine mündliche Verhandlung ungeachtet eines Parteienantrages unterbleiben, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 GRC entgegenstehen. Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist daher durchzuführen, wenn es um „civil rights“ oder „strafrechtliche Anklagen“ im Sinn des Art 6 EMRK oder um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird (vgl VwGH 17. 2. 2015, Ra 2014/09/0007 mwN).
Nachbarrechte im Baubewilligungsverfahren stehen in so engem Zusammenhang mit Auswirkungen des Bauvorhabens auf das Nachbargrundstück und dessen Wert bzw auf den ungestörten Genuss des Eigentums am Nachbargrundstück, dass sie als „civil rights“ anzusehen sind (EGMR 25. 11. 1994, Nr 12.884/87, Ortenberg/Österreich).
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. 5. 2007, Nr 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. 5. 2007, Nr 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Betroffene im Rahmen des Art 6 EMRK grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder „hoch-technische“ Fragen („exclusively legal or highly technical questions“) betrifft.
Jedenfalls dann, wenn der Sachverhalt vor dem Verwaltungsgericht konkret – und nicht nur allgemein inhaltsleer – bestritten wird, kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Verwaltungsgericht ausschließlich rechtliche Fragen zu behandeln hat. Sollte das Verwaltungsgericht der Auffassung sein, ausschließlich „hoch-technische“ Fragen entscheiden zu müssen und deshalb von einer mündlichen Verhandlung Abstand nehmen zu können, hätte es dies nachvollziehbar zu begründen.
- WBl-Slg 2015/185
- Art 6 EMRK
- VwGH, 19.05.2015, Ro 2015/05/0004
- § 24 VwGVG
- Allgemeines Wirtschaftsrecht
- Art 47 GRC