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wirtschaftsrechtliche blätter

Heft 5, Mai 2019, Band 33

Vorgaben an das verwaltungsgerichtliche Ermittlungsverfahren

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Auch in Verfahren vor den VwG gilt das Amtswegigkeitsprinzip des § 39 Abs 2 AVG. Das VwG hat unabhängig vom Parteivorbringen und von den Parteianträgen den wahren Sachverhalt durch Aufnahme der nötigen Beweise zu ermitteln. Dabei hat das VwG neben der Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise auch die Pflicht, auf das Parteienvorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhalts von Bedeutung sein kann, einzugehen. Über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge darf es sich nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen. Dem Verfahren vor dem VwG ist dabei eine antizipierende Beweiswürdigung prinzipiell fremd. Eine unzulässige antizipierende Beweiswürdigung liegt dann vor, wenn ein vermutetes Ergebnis noch nicht aufgenommener Beweise vorweggenommen wird. Das ist auch dann der Fall, wenn das VwG einen beantragten Beweis stillschweigend übergeht, dessen Vornahme zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes von Amts wegen erforderlich ist. Beweisanträge dürfen prinzipiell nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel untauglich bzw an sich nicht geeignet ist, über den beweiserheblichen Gegenstand einen Beweis zu liefern.

Ein VwG hat (selbst bei anwaltlich vertretenen Personen) auch ohne Antrag von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen, wenn es dies für erforderlich hält, wobei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ohne Parteiantrag nicht im Belieben, sondern im pflichtgemäßen Ermessen des VwG selbst steht. Dies ist etwa dann anzunehmen, wenn die Beweiswürdigung der Verwaltungsbehörde substantiiert bekämpft und/oder ein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen erstattet wird. Bei einer widersprüchlichen Beweislage hat das VwG derart grundsätzlich eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen, zumal bei dieser die widersprüchlichen Beweisergebnisse unmittelbar geklärt werden können. Damit gehört es gerade im Fall widersprechender prozessrelevanter Behauptungen zu den grundlegenden Pflichten des VwG, dem in § 24 VwGVG verankerten Unmittelbarkeitsprinzip Rechnung zu tragen und sich als Gericht einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit von Zeugen bzw Parteien zu verschaffen und insbesondere darauf seine Beweiswürdigung zu gründen.

Vor dem Hintergrund des § 38 VwGVG hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung iSd § 58 AVG zu begründen. Im Sinn des § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Umstände sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. In einem ersten Schritt erfordert dies die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch der Entscheidung geführt haben.

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nach § 45 Abs 2 AVG, der gem § 17 VwGVG auch für VwG maßgeblich ist, bedeutet schließlich nicht, dass der in der Begründung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung niederzulegende Denkvorgang der Kontrolle durch den VwGH nicht unterläge. Die Bestimmung des § 45 Abs 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regelungen unterworfen ist. Dies schließt eine Kontrolle in die Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist oder ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der VwGH auch zu prüfen, ob das VwG im Rahmen seiner Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat. Der zur Rechtskontrolle berufene VwGH ist aber nicht dazu zuständig, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten standhält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen.

  • § 39 Abs 2 AVG
  • § 45 Abs 2 AVG
  • § 58 AVG
  • VwGH, 30.01.2019, Ra 2018/03/0131
  • § 24 VwGVG
  • Allgemeines Wirtschaftsrecht
  • WBl-Slg 2019/95
  • § 60 AVG
  • § 17 VwGVG

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