VwGH erneut zum Verständnis von gestreckten Vorgängen im Umgang mit Insider-Informationen (Zwischenschritt „Memorandum of Understanding“-Fall „Verbund/Türkei“).
- Originalsprache: Deutsch
- OEBABand 64
- Erkenntnisse des VwGH, 4346 Wörter
- Seiten 615 -619
- https://doi.org/10.47782/oeba201608061501
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§ 48d Abs 1 iVm § 48 Abs 1 Z 2 BörseG; § 82 Abs 7 BörseG
Ein Zwischenschritt kann in einem zeitlich gestreckten Sachverhalt nicht nur im Hinblick auf das Endergebnis (hier: Erfolg der Transaktion) von Bedeutung sein, sondern auch als eigenständige Reihe von Tatsachen und Ereignissen bzw als eigenständiges Ereignis.
Ein Memorandum of Understanding, das nicht nur auf eine (interne) Prüfung gerichtet ist, sondern derart konkret ist, dass darin nicht nur die beabsichtigten Transaktionsgegenstände sowie grobe Leitlinien für die Ermittlung der Kaufpreise und teilweise sogar vorläufig bezifferte Kaufpreise benannt wurden, sondern auch Zahlungen und Assets, die im Fall der Unmöglichkeit eines Teils der Transaktion mindestens bzw ersatzweise geleistet werden sollten, kann nicht bloß als „Ausgangsbasis“ für weitere Schritte angesehen werden. Damit jedoch erweist sich die Information über den Abschluss dieses Memorandum of Understanding als genau, weil sie einerseits ein bereits eingetretenes, die drittmitbeteiligte Partei betreffendes Ereignis erfasst und andererseits auch spezifisch genug ist, um einen Schluss auf mögliche Auswirkungen auf den Kurs der Finanzinstrumente der drittmitbeteiligten Partei zuzulassen (Betonung des Unterschiedes zum Sachverhalt des Erkenntnis vom 29.4.2014, Zlen 2012/17/0554 und 0555 [ÖBA 2014/151 mit Anmerkung Zahradnik]).
Die Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung ist ex ante aus der Sicht eines verständigen Anlegers anhand des Inhalts und des Kontextes der Information im Marktgeschehen zu überprüfen, wobei der verständige Anleger eine Maßfigur ist, der aus unionsrechtlicher Perspektive zu unterstellen ist, dass sie alle bereits öffentlich bekannten Informationen kennt. Ein verständiger Anleger kann daher eine Information auch dann als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen, wenn sie es ihm nicht erlaubt, die Änderung des Kurses in eine bestimmte Richtung vorherzusehen.
- Stöger, Karl
- Dollenz, Florian
- oeba-Slg 2016/209
- VwGH, 20.04.2016, 2015/02/01522015/02/0154
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