Wirkung eines Verstoßes gegen ein Bestreitungsverbot durch gesetzlichen Vertreter zulasten der wirksam vertretenen Kinder
- Sprache:
- Deutsch
- Jahrgang:
- JBLBand 146
- Inhalt:
- Rechtsprechung
- Umfang:
- 5635 Wörter, Seiten 312-318
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Der Erblasser bestimmt innerhalb des Zulässigen die Reichweite des Bestreitungsverbots, was durch Auslegung der Erklärung zu erforschen ist. Die Auslegung einer letztwilligen Verfügung richtet sich nach dem wahren Willen des Erblassers im Zeitpunkt der Verfügung, der in ihrem Wortlaut zumindest angedeutet sein muss. Die Auslegung einer letztwilligen Verfügung hat möglichst so zu erfolgen, dass der vom Erblasser beabsichtigte Erfolg eintritt. Es ist also mittels Auslegung der letztwilligen Verfügung zu klären, in welchen Fällen die Resolutivbedingung wirksam sein soll.
Die Bestreitung des letzten Willens für den Fall, dass nur die Echtheit oder der Sinn der Erklärung angefochten wird, bleibt nach der hier maßgeblichen Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015 (vgl § 720 ABGB aF) – aber auch nach neuem Recht (§ 712 Abs 2 ABGB idF ErbRÄG 2015) – ungeachtet einer solchen Klausel sanktionslos. Bereits zur alten Rechtslage war anerkannt, dass Entsprechendes gilt, wenn sittenwidrige oder gesetzlich verbotene Anordnungen bekämpft oder Verstöße gegen zwingende Formvorschriften eingewendet werden, was in § 712 Abs 2 ABGB idF ErbRÄG 2015 ausdrücklich normiert wird.
Das Recht nach § 810 ABGB setzt keine Geschäftsfähigkeit des Erben voraus; die Verwaltung und Vertretung erfolgt unter Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters. Mehreren Miterben steht die Berechtigung gemeinsam zu. Grundsätzlich muss sich der Vertretene nach § 1017 ABGB die dem Umfang des Auftrages entsprechende Vertretungstätigkeit seines Vertreters wie seine eigenen Handlungen zurechnen lassen. Dies gilt auch für die gesetzliche Vertretung des Kindes, soweit es sich um Maßnahmen im Rahmen des ordentlichen Wirtschaftsbetriebes handelt oder wenn bei Maßnahmen, die zum außerordentlichen Wirtschaftsbetrieb zählen, eine pflegschaftsbehördliche Genehmigung vorliegt.
Stellt sich ein Bestreitungsverbot als resolutiv bedingtes „negatives Testament“ dar, hat ein Verstoß gegen diese Anordnung den Ausschluss vom gesetzlichen Erbrecht zur Folge, weil die Anordnung sonst (mangels verfügter Ersatzerbschaft) keine praktische Wirkung hätte. Verstößt eine von den (wirksam vertretenen) Kindern erhobene Klage gegen die Bestreitungsklausel, steht dies dem gesetzlichen Erbrecht der Kinder iS des letzten Willens des Erblassers entgegen.
Pflichtteilsansprüche fallen als „erbrechtliche Ansprüche“ unter § 176 Abs 1 AußStrG; vom daran anknüpfenden Abs 2 leg cit sind minderjährige Kinder als „schutzberechtigte Personen“ umfasst. Bereits mit der zugunsten der Kinder bewirkten Nachlassabsonderung gemäß § 812 ABGB aF kann die Befriedigung ihrer Pflichtteilsansprüche iS des § 176 Abs 2 AußStrG sichergestellt sein.
- BG Innere Stadt Wien, 28.04.2023, 9 A 203/12a
- LGZ Wien, 04.07.2023, 44 R 194/23i44 R 242/23y
- JBL 2024, 312
- Öffentliches Recht
- § 1017 ABGB
- Straf- und Strafprozessrecht
- Europa- und Völkerrecht
- Allgemeines Privatrecht
- § 720 ABGB idF vor BGBl I 87/2015
- § 726 ABGB idF vor BGBl I 87/2015
- Zivilverfahrensrecht
- BG Innere Stadt Wien, 05.02.2023, 9 A 203/12a
- OGH, 21.11.2023, 2 Ob 170/23y2 Ob 171/23w
- § 812 ABGB idF vor BGBl I 87/2015
- § 808 ABGB idF vor BGBl I 87/2015
- § 712 Abs 2 ABGB
- Arbeitsrecht
- LGZ Wien, 04.07.2023, 44 R 195/23m
- § 810 ABGB idF vor BGBl I 87/2015