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Journal für Strafrecht

Heft 1, Januar 2017, Band 2017

Zur Auslegung des Begriffes „Exemplare“; Günstigkeitsvergleich

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Nach § 181f Abs 1 StGB in der zur Tatzeit (2013) geltenden Fassung BGBl I 2011/103 handelt tatbildlich, wer eine erhebliche Menge von Exemplaren einer geschützten wildlebenden Tierart entgegen einer Rechtsvorschrift oder einem behördlichen Auftrag tötet, besitzt oder deren Entwicklungsformen zerstört oder aus der Natur entnimmt oder eine erhebliche Menge von Exemplaren einer geschützten wildlebenden Pflanzenart zerstört, besitzt oder aus der Natur entnimmt und dadurch eine erhebliche Auswirkung auf den Erhaltungszustand der Art bewirkt.

Das Vergehen der vorsätzlichen Schädigung des Tier- oder Pflanzenbestandes in der (zum maßgeblichen Zeitpunkt des Ersturteils [5. November 2015] geltenden) Fassung BGBl I 2014/106 begeht unter derselben Strafdrohung, wer Exemplare einer geschützten wildlebenden Tierart entgegen einer Rechtsvorschrift oder einem behördlichen Auftrag tötet, besitzt oder deren Entwicklungsformen zerstört oder aus der Natur entnimmt oder Exemplare einer geschützten wildlebenden Pflanzenart zerstört, besitzt oder aus der Natur entnimmt, es sei denn, dass die Handlung eine nur unerhebliche Menge der Exemplare betrifft und auf den Erhaltungszustand der Art nur unerhebliche Auswirkungen hat.

Durch die (im Übrigen durch BGBl I 2015/112 beibehaltene) Fassung BGBl I 2014/106 wurden die Strafbarkeitserfordernisse eingeschränkt und damit die Strafbarkeit deutlich erweitert. Denn nunmehr ist ein Täter bereits dann strafbar, wenn eine der beiden Erheblichkeitskriterien (Menge oder Auswirkung) erfüllt ist. In der Vorgängerfassung erforderte dagegen die Strafbarkeit die Verwirklichung beider Erheblichkeitskriterien, nämlich eine erhebliche Menge sowie eine erhebliche Auswirkung auf den Erhaltungszustand (vgl Hinterhofer/Rosbaud, Strafrecht BT II6 §§ 181f-181i Rz 6b; aA Mitgutsch BT JB 2015, 16 unter Verkennung der kumulativen Erfassung beider [Un-]Erheblichkeitskriterien als Tatbestandsausschlussgrund in § 181f Abs 1 StGB idF BGBl I 2014/106).

Bei abstrakter Betrachtung ist daher § 181f Abs 1 StGB idF BGBl I 2011/103 günstiger als die Nachfolgebestimmung. Der Günstigkeitsvergleich (§ 61 StGB) ist indes nicht abstrakt, sondern streng fallbezogen vorzunehmen. Nach den Urteilsfeststellungen waren vorliegend beide Erheblichkeitskriterien des § 181f Abs 1 StGB in den beiden hier in Rede stehenden Fassungen erfüllt. Davon ausgehend ist das zur Zeit der Tat geltende Recht in seiner Gesamtauswirkung für die Angeklagte nicht günstiger als das zur Zeit der Entscheidung des Gerichtes erster Instanz geltende Recht (vgl zum Ganzen – mit Beziehung auf § 4 Abs 2 FinStrG – 13 Os 47/16k). § 181f Abs 1 StGB in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung BGBl I 2014/106 wurde daher zu Recht angewendet.

Nach dieser Bestimmung handelt – im hier interessierenden Zusammenhang – tatbildlich, wer Exemplare einer geschützten wildlebenden Tierart entgegen einer Rechtsvorschrift oder einem behördlichen Auftrag tötet. Dass vorliegend lediglich ein Tier Tatobjekt war, hindert die Tatbildverwirklichung aus folgenden Erwägungen nicht:

Mit dieser Regelung wurde Art 3f der Richtlinie 2008/99/EG vom 19. November 2008 über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt – nach der Intention des Gesetzgebers möglichst nahe am Richtlinientext orientiert (vgl ErläutRV 348 BlgNR 25. GP 3) – umgesetzt (vgl auch Fabrizy, StGB12 § 181f Rz 1). Dieser stellt auf die Tötung, die Zerstörung, den Besitz oder die Entnahme von Exemplaren geschützter, wildlebender Tier- oder Pflanzenarten, mit Ausnahme der Fälle, in denen die Handlung eine unerhebliche Menge dieser Exemplare betrifft und unerhebliche Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der Art hat, ab. Der Mehrzahlbegriff „Exemplare“ bezieht sich demnach auf den Plural der jeweils Gattungen benennenden Referenzbegriffe, nämlich (geschützte, wildlebende) Tier- oder Pflanzenarten, meint also nicht ausschließlich eine Mehrzahl an Einzelexemplaren der jeweiligen Tier- oder Pflanzenart.

Diesem somit auch § 181f Abs 1 StGB zugrunde liegenden semantischen Begriffsverständnis entspricht auch das Ergebnis einer Begriffsinterpretation im Gesamtzusammenhang der in Rede stehenden Bestimmung. Schutzobjekt des § 181f StGB ist – wie die Überschrift („Vorsätzliche Schädigung des Tier- oder Pflanzenbestandes“) und der Ausschlusstatbestand („nur unerhebliche Menge der Exemplare“, „nur unerhebliche Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der Art“) verdeutlichen – der Tier- oder Pflanzenbestand als solcher, nicht aber ein jeweiliges Einzelexemplar als Individuum (vgl idS auch Manhart, SbgK § 181f Rz 10). Der Begriff „Exemplare“ meint daher nicht ausschließlich eine Mehrheit an individuellen Einzeltieren oder Einzelpflanzen, sondern kann auch bereits bei Betroffenheit von nur einem Exemplar verwirklicht sein. In diesem Sinn wurde bereits in den Gesetzesmaterialien zur Vorgängerfassung (§ 181f Abs 1 StGB idF BGBl I 2011/103; 1392 BlgNR 24. GP 7) darauf verwiesen, dass je nach dem Gefährdungsgrad bereits ein Exemplar eine „erhebliche Menge [von Exemplaren]“ darstellen kann.

  • JST-Slg 2017/2
  • Strafrecht- und Strafprozessrecht
  • Rechtssatz der Generalprokuratur, 27.10.2016, Gw 147/16zGw 320/16s
  • § 61 StGB
  • § 181f Abs 1 StGB

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