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Zur Bildung von Rückstellungen in der Jahresbilanz für Prozesskosten

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In der österreichischen Literatur wird unter Berufung auf die Judikatur des VwGH und des BFH vertreten, dass Voraussetzung für Prozesskostenrückstellungen ein am Bilanzstichtag bereits – in erster oder höherer Instanz – laufendes Verfahren ist und (überwiegend) dass es ausnahmsweise genügen kann, dass sich am Bilanzstichtag die tatsächliche Einleitung des Verfahrens oder die tatsächliche Einlegung eines Rechtsmittels nur noch als selbstverständliche und daher rein formale Handlung darstellt.

Künftige Prozesskosten für ein am Bilanzstichtag noch nicht anhängiges Verfahren können grundsätzlich nicht rückgestellt werden, weil die Pflicht zur Kostentragung – mangels entsprechenden Kostenanspruchs – noch nicht rechtlich entstanden und ihr (künftiges) Entstehen nicht im abgelaufenen Geschäftsjahr wirtschaftlich verursacht ist, setzt doch eine wirtschaftliche Verursachung voraus, dass die wirtschaftlich wesentlichen Tatbestandsmerkmale für das Entstehen der Verbindlichkeit bereits am Bilanzstichtag erfüllt sind und das zivilrechtliche Entstehen der Schuld nur noch von wirtschaftlich unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen abhängt. Wesentliches Tatbestandsmerkmal für das Entstehen von Prozesskostenverpflichtungen für die erste Instanz ist, dass eine Klage (des Unternehmers oder des Prozessgegners) anhängig ist, und für eine spätere Instanz, dass eine der Parteien ein Rechtsmittel erhoben hat.

Nach dem Grundsatz der Einzelbewertung (§ 201 Abs 2 Z 3 UGB) ist zu unterscheiden zwischen der Passivierung einer (ungewissen) Leistungsverpflichtung, für die der Rechtsgrund im abgelaufenen oder in einem früheren Geschäftsjahr gelegt wurde, und der ungewissen Verpflichtung zur Tragung künftiger Kosten eines Prozesses um diese Leistungsverpflichtung. Das eine (ungewisse) Leistungsverpflichtung begründende Verhalten lässt noch keine wirtschaftliche Verpflichtung zur Tragung künftiger Prozesskosten zur Geltendmachung oder Abwehr der Leistungsverpflichtung entstehen.

Von einer wirtschaftlichen Erfüllung der wesentlichen Tatbestandsmerkmale kann allerdings dann auszugehen sein, wenn sich unter Würdigung der Gesamtumstände die (spätere) Klagseinbringung oder die tatsächliche Erhebung des Rechtsmittels nur noch als selbstverständliche und daher rein formale Handlung darstellt.

Das ist bei einem Rechtsmittelverfahren nicht der Fall, solange die das anhängige Verfahren in der Instanz abschließende Entscheidung noch nicht ergangen ist. Liegt sie aber zum Bilanzstichtag vor, dann kann die tatsächliche Rechtsmitteleinlegung als sogenannter werterhellender Faktor berücksichtigt werden.

  • § 198 UGB
  • WBl-Slg 2020/211
  • § 211 UGB
  • Allgemeines Wirtschaftsrecht
  • OLG Innsbruck, 09.01.2020, 4R165/19z-114
  • OGH, 25.06.2020, 6 Ob 72/20m
  • § 201 UGB
  • LG Feldkirch, 29.08.2019, 9Cg 57/15i-109

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