Nachhaltigkeitsrecht Kolumne #10

Herausforderung Bodenschutz: Akuter Handlungsbedarf (auch) in Österreich!

Dezember 2023

Gesunde Böden sind ein wesentlicher Bestandteil eines funktionierenden Ökosystems, sind sie doch Lebensraum und Lebensgrundlage für Menschen, Tiere, Pflanzen und Bodenorganismen. Der Boden dient zudem als Wasser- und Kohlenstoffspeicher und wirkt als Filter gegenüber Schadstoffen. Er leistet damit auch einen wichtigen Beitrag zum Schutz des Grundwassers, zum Schutz vor Naturkatastrophen und im Kampf gegen die Klimakrise.

Text: Gerhard Schnedl

Die Kolumne ist Teil des Editorials der Fachzeitschrift "Nachhaltigkeit. Zeitschrift für das Recht der nachhaltigen Entwicklung", Ausgabe 4/2023.

Die Realität zeigt vielfach jedoch ein anderes Bild: Bodenverbrauch und Bodenversiegelung haben zuletzt stark zugenommen und dabei mancherorts bereits dramatische Ausmaße erreicht. Allein in Österreich wurde im Durchschnitt der letzten drei Jahre eine Fläche von 11,3 Hektar pro Tag verbraucht, was einer Größe von 16 Fußballfeldern entspricht. Mehr als die Hälfte der Flächeninanspruchnahme geht durch Versiegelung dauerhaft verloren.[1] Hinzu treten Bodenkontaminationen, das heißt Verunreinigungen des Bodens durch Schadstoffeintrag.

Nachhaltige Bodenbewirtschaftung

All dem gilt es schnellstmöglich entgegenzusteuern, und zwar durch Maßnahmen einer nachhaltigen Bodenbewirtschaftung, um letztlich die Ernährungssicherheit zu gewährleisten, die Biodiversität zu erhalten und die vielfältigen ökologischen Funktionen des Bodens zu bewahren. Eine schonende und sparsame Nutzung des Bodens ist im Interesse künftiger Generationen unerlässlich, da dieser eine begrenzte, nicht vermehrbare und im Wesentlichen nicht erneuerbare natürliche Ressource ist. Umso verwunderlicher ist es, dass der Boden im Vergleich zu den beiden anderen Umweltmedien Wasser und Luft erst relativ spät in das Blickfeld des Umweltrechts gelangte. Das österreichische Bodenschutzrecht ist aber nicht nur ein relativ junges, sondern auch ein vergleichsweise noch wenig entwickeltes Rechtsgebiet. Mit dem bisher ausschließlich querschnittsorientierten Regelungsansatz – der Bodenschutz ist als kompetenzrechtliche Querschnittsmaterie auf verschiedene Sachmaterien von Bund und Ländern aufgeteilt[2] – ist es jedenfalls nicht gelungen, einen wirksamen Bodenschutz zu erreichen, zu fragmentiert und inkohärent sind die einzelnen Bundes- und Landesrechtsvorschriften. Es bedarf daher einer grundlegenden Reform des österreichischen Bodenschutzrechts.

Neuausrichtung der Raumordnung

Eine Schlüsselfunktion im Kampf gegen den massiven Bodenverbrauch kommt nach geltender österreichischer Rechtslage den Ländern und Gemeinden im Rahmen ihrer jeweiligen Raumordnungskompetenz zu. Den Gemeinden sollte zwar nicht – wie politisch verschiedentlich gefordert – die Kompetenz zur örtlichen Raumplanung (Art 118 Abs 3 Z 9 B-VG) und damit zur Flächenwidmung entzogen werden, ihr diesbezüglicher Spielraum müsste jedoch durch die Raumordnungsgesetze der Länder sowie durch Planungsakte der überörtlichen Raumordnung stärker eingeschränkt werden. Die Länder haben in ihren Raumordnungsgesetzen zuletzt zwar vermehrt bodenschutzrelevante
Leitziele und Maßnahmen zur aktiven Bodenpolitik eingeführt (zB Bebauungsfristen, Rückwidmungen, Baulandmobilisierungsabgaben), die jeweiligen Standards und Maßnahmen variieren jedoch von Bundesland zu Bundesland. Dringend notwendig wären quantitative Zielgrößen in Form verbindlicher Flächenverbrauchs- oder Flächensparziele, die jedoch noch in keinem Bundesland gesetzlich vorgegeben werden.

Dringend notwendig wären quantitative Zielgrößen in Form verbindlicher Flächenverbrauchs- oder Flächensparziele, die jedoch noch in keinem Bundesland gesetzlich vorgegeben werden.

Schaffung eines Bundes-Bodenschutzgesetzes

Neben einer Neuausrichtung der Raumordnung wäre es meiner Meinung nach höchst an der Zeit, auch fürdas Umweltmedium Boden ein bundeseinheitliches Gesetz, ein Bundes-Bodenschutzgesetz mit verbindlichen qualitativen und quantitativen Zielvorgaben (Schutzstandards zur Verringerung von Bodenverunreinigungen sowie Flächenverbrauchs- bzw Flächensparziele zur Reduktion des Bodenverbrauchs), Leitprinzipien, einem bundesweiten Boden-Monitoring und einem entsprechenden Maßnahmenbündel (zu überlegen ist dabei auch der Einsatz gänzlich neuer Steuerungsinstrumente, wie etwa bodenschutzrechtliche Bewilligungsverfahren, Boden- bzw Flächenverträglichkeitsprüfungen oder das Modell von Flächenzertifikaten) zu schaffen. Als Vorbild könnte das für den Bereich der Luftreinhaltung geltende Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L) dienen, wo der Bund entsprechende Ziele vorgibt und die Länder nach Maßgabe der bundesgesetzlichen Vorgaben adäquate Maßnahmen zur Zielerreichung zu setzen haben. Für ein derartiges Bundes-Bodenschutzgesetz bedarf es freilich erst einer Kompetenzänderung, ich denke hier an eine Bedarfskompetenz des Bundes, nicht zuletzt deshalb, um gewachsene Rechtsbestände bzw Rechtsstrukturen auf diesem Gebiet (insbesondere das Bau- und Raumordnungsrecht der Länder mit entsprechenden Vollzugszuständigkeiten der Gemeinden) nicht gewaltsam zu beseitigen. Orientieren könnte man sich dabei am Kompetenztatbestand der Abfallwirtschaft hinsichtlich nicht gefährlicher Abfälle (Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG).

Wo bleibt die Bodenstrategie?

Längst überfällig ist auch ein durchgreifendes politisches Strategiepapier für den Bodenschutz. So ist die für Juni 2023 im Rahmen der österreichischen Raumordnungskonferenz (ÖROK) angekündigte „Bodenstrategie für Österreich“ – sie hätte entsprechend dem aktuellen Regierungsprogramm einen verpfl ichtenden Zielwert zur Reduktion des Bodenverbrauchs auf 2,5 Hektar pro Tag bis 2030 vorsehen sollen – nämlich neuerlich gescheitert.[3] Und auch die Verhandlungsrunde im Herbst hat zu keiner Einigung geführt. Zum Vergleich: Bereits 2021 hat die Europäische Kommission eine EU-Bodenstrategie für 2030 vorgelegt.[4] Langfristiges Ziel der EU ist es, den Nettofl ächenverbrauch bis 2050 auf null zu reduzieren. Angekündigt wir darin auch ein neues „EU-Bodengesundheitsgesetz“. Deren Erlass – auch wenn der im Juli 2023 von der Kommission vorgelegte Vorschlag für eine Richtlinie über Bodenüberwachung und -resilienz[5] nicht so umfassend ist wie ursprünglich geplant – könnte auch Österreich aus seinem Dornröschenschlaf in Sachen Bodenschutz wecken. So wie beim Klimaschutz könnten aber auch im Bereich des Bodenschutzes die Gerichte ein gewichtiges Wort mitreden. Die auf Klimaklagen fokussierte NGO AllRise hat wegen des enormen Bodenverbrauchs in Österreich nämlich im Mai 2023 eine Staatshaftungsklage gemäß Art 137 B-VG beim VfGH eingebracht.[6] Mit einer Entscheidung ist 2024 zu rechnen.

 


[1] So die neuesten Zahlen des Umweltbundesamtes zum Thema „Bodenverbrauch in Österreich“, https://www.umweltbundesamt.at/news221202 (14. 11. 2023).

[2] Vgl etwa Schnedl, Umweltrecht (2020) Rn 142 f.

[3] Zum aktuellen Entwurf (Stand Juni 2023), vgl https://www.oerok.gv.at/bodenstrategie (14. 11. 2023).

[4] COM(2021) 699 final.

[5] COM(2023) 416 final.

[6] Vgl https://drive.google.com/drive/folders/1Ry2pErOGNFOgf8ujeSXtCkcvZgojtxwJ (14. 11. 2023).
 

Ass.-Prof. Mag. Dr.iur. Gerhard Schnedl
Karl-Franzens-Universität Graz

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