Was ist neu im Verlag Österreich?
Erfahren Sie es zuerst!

Neu

Zeitschrift für Informationsrecht

Heft 2, April 2024, Band 12

Thiele, Clemens

OGH: Persönlichkeitsverletzungen in Online-Zeitung am Opfergerichtsstand einklagbar

eJournal-Artikel

20,00 €

inkl MwSt
Sofortiger PDF-Download

Nach § 83c Abs 1 JN ist, wenn „in dem im § 51 Abs 1 Z 8b und Abs 2 Z 9 und 10 angeführten Streitigkeiten Personen geklagt [werden], deren Unternehmen sich im Inland befindet oder die mit Rücksicht auf ihre Tätigkeit bei einem im Inland befindlichen Unternehmen in Anspruch genommen werden, [...] ausschließlich das Gericht zuständig, in dessen Sprengel dieses Unternehmen liegt. § 83c JN normiert einen ausschließlichen Gerichtsstand, aber keinen Zwangsgerichtsstand.

Streitigkeiten nach § 51 Abs 1 Z 8b und Abs 2 Z 9 und 10 JN umfassen insb Streitigkeiten nach § 1330 ABGB wegen einer Veröffentlichung in einem Medium, Streitigkeiten aus den Rechtsverhältnissen, die sich auf den Schutz und den Gebrauch von Erfindungen, Mustern, Modellen und Marken beziehen und Streitigkeiten wegen unlauteren Wettbewerbs nach dem Urheberrechtsgesetz.

Unter die § 51 Abs 1 Z 10 JN fallen auch auf einer Verletzung des Bildnisschutzes nach § 78 UrhG beruhende Unterlassungsansprüche nach § 81 UrhG, Beseitigungsansprüche nach § 82 UrhG und Ansprüche auf Schadenersatz gemäß § 87 UrhG.

Gemäß Art 79 Abs 2 DSGVO sind für Klagen gegen einen Verantwortlichen oder gegen einen Auftragsverarbeiter im Sinne der DSGVO die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter eine Niederlassung hat. § 79 Abs 2 DSGVO regelt allein die internationale, nicht aber auch die (nationale) örtliche Zuständigkeit.

Die örtliche Zuständigkeit wird im nationalen Recht im Datenschutzgesetz normiert. Nach § 29 Abs 2 DSG ist für Klagen auf Schadenersatz in erster Instanz das mit der Ausübung der Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen betraute Landesgericht zuständig, in dessen Sprengel der Kläger (Antragsteller) seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz hat.

Allerdings nimmt das Medienprivileg in § 9 Abs 1 DSG Medieninhaber, Herausgeber, Medienmitarbeiter und Arbeitnehmer eines Medienunternehmens oder Mediendienstes im Sinne des Mediengesetzes ganz pauschal von fast allen Bestimmungen der DSGVO und des Datenschutzgesetzes aus, soweit sie Daten zu journalistischen Zwecken des Medienunternehmens oder Mediendienstes verarbeiten. Mit dieser Bestimmung machte der österreichische Gesetzgeber von der Öffnungsklausel des Art 85 Abs 2 DSGVO Gebrauch.

Das Medienprivileg nach § 9 Abs 1 DSG bewirkt damit (soweit im vorliegenden Verfahren von Belang), dass die im Datenschutzgesetz verankerte Norm über die Zuständigkeit gemäß § 29 Abs 2 DSG in einem Verfahren gegen eine Medieninhaberin keine Anwendung findet.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 14. 12. 2022 § 9 Abs 1 DSG als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die Aufhebung mit 30.6.2024 in Kraft tritt. § 9 Abs 1 DSG ist daher (mit Ausnahme des Anlassfalls) bis zur vom Verfassungsgerichtshof gesetzten Frist – oder bis zur Novellierung – auf alle Sachverhalte, die sich bis zum Fristablauf ereignet haben, weiterhin – auch nach Fristablauf – unangreifbar anzuwenden.

Nach § 92b JN können Streitigkeiten wegen Verletzung eines Persönlichkeitsrechts in einem elektronischen Kommunikationsnetz auch bei dem Gericht angebracht werden, in dessen Sprengel das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht.

Maßgeblich für die Anwendbarkeit des § 92b JN sind elektronische Verarbeitungs- und Speichervorgänge. Erfasst sind Verletzungen von Persönlichkeitsrechten im und über das Internet, egal auf welche Art und Weise (Internetseite, WhatsApp-Gruppe, Abrufbarkeit in Apps), solange die Abrufbarkeit in einem elektronischen Kommunikationsnetz gegeben ist oder war.

§ 78 UrhG hat den Schutz eines Persönlichkeitsrechts zum Inhalt. Diese Bestimmung nimmt insofern eine besondere Stellung ein, als dabei Schutzgegenstand nicht die Abbildung an sich ist, sondern die damit verbundenen Interessen des Abgebildeten. § 78 UrhG begründet mangels einer schöpferischen oder zumindest Leistungsschutz rechtfertigenden Handlung des Abgebildeten gerade kein Immaterialgüterrecht im Sinne des Urheberrechts. Vielmehr handelt es sich bei dieser Bestimmung um eine Sonderregelung zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht iSd § 16 ABGB.

Datenschutzverletzungen ziehen nicht nur den Anspruch auf Schadenersatz nach sich. Die in Art 79 Abs 1 DSGVO gebrauchte Wendung „wirksamer gerichtlicher Rechtsbehelf“ ist dahin zu verstehen, dass ein Rechtsbehelf nur dann wirksam ist, wenn er geeignet ist, auch eine Rechtsverletzung oder ihre Fortdauer zu verhindern oder dem Verletzten eine angemessene Wiedergutmachung zu verschaffen.

Wenn ein und derselbe Tatbestand (ein einheitlicher Lebenssachverhalt) verschiedenen Gesetzesnormen unterstellt werden kann, ist das angerufene Gericht zuständig, wenn es die Zuständigkeit auch nur hinsichtlich einer der anzuwendenden konkurrierenden Normen besitzt.

Entfällt die Anwendung des § 29 DSG, verbleibt für die Verfolgung von Ansprüchen aus der Verletzung eines Persönlichkeitsrechts (also auch für Eingriffe in das Recht auf Datenschutz) der Gerichtsstand nach § 92b JN, vorausgesetzt die Verletzung des Rechts auf Datenschutz als eine Verletzung eines Persönlichkeitsrechts fand in einem elektronischen Kommunikationsnetz statt.

Redaktionelle Leitsätze

  • Thiele, Clemens
  • § 43 ABGB
  • § 92b JN
  • § 82 UrhG
  • § 78 UrhG
  • Online-Ausgabe einer Zeitung
  • § 16 ABGB
  • ZIIR 2024, 249
  • § 1330 ABGB
  • Kommunikationsnetz, elektronisches
  • § 9 DSG
  • § 20 ABGB
  • § 83c JN
  • § 83 UrhG
  • Datenschutzverletzung
  • OGH, 21.02.2024, 6 Ob 236/23h, Opfergerichtsstand bei Kommunikationsnetzwerken
  • § 1 DSG
  • Hass-im-Netz
  • Opfergerichtsstand
  • Medienrecht
  • Persönlichkeitsverletzung
  • Erfolgsort
  • Art 82 DSGVO
  • Art 17 DSGVO
  • § 29 Abs 2 DSG
  • krone.at
  • § 81 UrhG
  • Wahlgerichtsstand

Weitere Artikel aus diesem Heft

Neu
ZIIR
Aktuelle Ereignisse und Entwicklungen zum Informationsrecht
Band 12, Ausgabe 2, April 2024
eJournal-Artikel

20,00 €

20,00 €

Neu
ZIIR
KI-Trainingsdaten – eine haftungsrechtliche Einordnung
Band 12, Ausgabe 2, April 2024
eJournal-Artikel

20,00 €

20,00 €

Neu
ZIIR
OLG Wien 1 R 119/23m – Verweigerung der Klagsannahme wegen fehlender Übersetzung
Band 12, Ausgabe 2, April 2024
eJournal-Artikel

20,00 €

Neu
ZIIR
OGH Urteil 21.11.2023, 4 Ob 109/23t – öffentliche Wiedergabe über Satellit
Band 12, Ausgabe 2, April 2024
eJournal-Artikel

20,00 €

Neu
ZIIR
EuGH Urteil 7.12.2013, C 634/21 – Score Werte
Band 12, Ausgabe 2, April 2024
eJournal-Artikel

20,00 €

Neu
ZIIR
VwGH Urteil 21.12.2023, Ro 2021/04/0010 – AMS-Algorithmus (AMAS) und DSGVO
Band 12, Ausgabe 2, April 2024
eJournal-Artikel

20,00 €

Neu
ZIIR
OGH Beschluss 19.12.2024, 4 Ob 112/23h – Werk iSd UrhG
Band 12, Ausgabe 2, April 2024
eJournal-Artikel

20,00 €

20,00 €

Neu
ZIIR
EuGH: DSGVO gilt für parlamentarische Untersuchungsausschüsse
Band 12, Ausgabe 2, April 2024
eJournal-Artikel

20,00 €

Neu
ZIIR
VwGH: Arbeitsmarktchance-Assistenzsystem des AMS und DSGVO
Band 12, Ausgabe 2, April 2024
eJournal-Artikel

20,00 €

Neu
ZIIR
OGH: Werk im Sinne des UrhG
Band 12, Ausgabe 2, April 2024
eJournal-Artikel

20,00 €

Neu
ZIIR
BVwG: Wahrnehmungsberechtigung der Verwertungsgesellschaften für den TDM-Vorbehalt
Band 12, Ausgabe 2, April 2024
eJournal-Artikel

20,00 €

20,00 €

Neu
ZIIR
EuG: Neuheitsschädlichkeit eigener Vorveröffentlichungen des EU-Designs
Band 12, Ausgabe 2, April 2024
eJournal-Artikel

20,00 €

20,00 €

Neu
ZIIR
EuGH Vorlagefragen
Band 12, Ausgabe 2, April 2024
eJournal-Artikel

20,00 €