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Zeitschrift für öffentliches Recht

Heft 4, Dezember 2021, Band 76

Waldmann , Bernhard

Die Verfassung zwischen Stabilität und ständiger FortentwicklungThe Constitution between Stability and Constant Development

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Der moderne Verfassungsstaat ist das Ergebnis einer Entwicklung (Konstitutionalismus), die bezweckt, die Machtausübung des Staates und seiner Organe umfassend in eine normative Grundordnung einzubinden, die ihrerseits auf den Grundwerten der Gewaltenteilung, der Freiheitsrechte der Individuen und der demokratischen Legitimation staatlicher Herrschaft beruht. Vor diesem Hintergrund wird einer Verfassung die Funktion zugeschrieben, den Staat und seine Organe zu konstituieren und funktionsfähig zu machen sowie eine institutionelle und materielle Ordnung vorzugeben, auf deren Fundament politische Prozesse stattfinden und Entscheide getroffen werden können. Die Erfüllung dieser Funktionen setzt eine gewisse Stabilität der Grundordnung voraus. Gleichzeitig läuft eine zu starre Grundordnung Gefahr, durch äußere Entwicklungen und gewandelte gesellschaftliche Vorstellungen an Akzeptanz und Steuerungskraft einzubüßen und zu erodieren. Soll die Grundordnung auf längere Zeit Bestand haben, muss sie entwicklungsoffen bleiben. Eine kontinuierliche Anpassung der Grundordnung lässt sich entweder über eine formelle Verfassungsänderung oder über eine Verfassungsfortbildung (Verfassungswandel) erreichen. In beiden Fällen bleibt die Entwicklung in die bestehende Grundordnung eingebunden.

Die Revisionsvorschriften der einzelnen Verfassungen sehen in der Regel für Verfassungsänderungen ein gegenüber der einfachen Gesetzgebung qualifiziertes Verfahren vor, wobei die Hürden nicht überall gleich hoch gesteckt sind. In Staaten mit direktdemokratischen Initiativrechten wird die Verfassung direkt zum Gegenstand der politischen Auseinandersetzung. Die Verfassung verliert dabei zwar an mystischer Ausstrahlung, gewinnt aber an für die Wahrung der Kontinuität erforderlicher Flexibilität.

Ohne formelle Verfassungsänderung kann eine Verfassung über die rechtsschöpferische Auslegung und Konkretisierung weiterentwickelt werden. Eine solche Fortentwicklung bleibt aber in den Rahmen der bestehenden Grundordnung eingebunden. Vorausgesetzt ist einerseits, dass die einzelne Verfassungsnorm für eine solche Fortentwicklung genügend Raum lässt, und andererseits, dass die verfassungsinterpretierende Behörde bereit ist, bestehende Entscheidungs- und Wertungsspielräume zu nutzen.

Wo das Gleichgewicht zwischen Stabilität und Flexibilität zu liegen kommt, muss jeder Verfassungsstaat auf der Grundlage seiner Geschichte, der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und unter Berücksichtigung der Ausformung seiner demokratischen Strukturen und seiner gewaltenteiligen Staatsorganisation entscheiden.

  • Waldmann , Bernhard
  • Art 168 Verfassung des Königreichs Spanien vom 29. Dezember 1978
  • Verfassungsfunktionen
  • Art 16 Französische Menschenrechtserklärung
  • Öffentliches Recht
  • Art 114 Verfassung des Kantons Appenzell Ausserrhoden vom 30. April 1995
  • Art 44 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) der Republik Österreich vom 1. Oktober 1920
  • Verfassung
  • Art 66, 112, 113 Verfassung des Fürstentums Liechtenstein vom 5. Oktober 1921
  • Verfassungsbegriff
  • Art 136, 140, 142, 172, 173, 192–194 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
  • ZOER 2021, 1195
  • Gewaltenteilung
  • Konstitutionalisierung
  • Verfassungsstaat
  • Verfassungswandel
  • Art 79 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949
  • Grundgesetz des Vatikanstaates vom 26. November 2000
  • Art V Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika vom 17. September 1787
  • Demokratie
  • Art 2 EUV

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